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3. Die Politik und/oder das Politische?

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Eine normative Ausrichtung der Politik (und des Politikverständnisses), so wie es beispielsweise die liberalistisch-deliberative Theorietradition impliziert, kann den Wert der Unterscheidung zwischen der „Politik“ und dem „Politischen“ nicht erkennen (siehe Bedorf 2010). Ohne Politik immer schon mit polizeilicher Ordnung zu identifizieren, wie es an manchen Stellen beispielsweise das Werk des französischen Philosophen Jacques Rancière nahelegt, steht Politik doch für die parlamentarisch organisierte Form des demokratischen Regierens (Rancière 2002). Das Politische dagegen verkörpert die „Logik des Widerstreits“, also gerade die Infragestellung der politischen Ordnung – und wird dadurch zu einer notwendigen Korrekturmöglichkeit derselben:

Das Politische [le politique] ist dieser dritte Raum des Streits, ein unbestimmter und stets sich wandelnder Punkt, an dem Polizei und Politik [la politique] zusammentreffen. Der Prozess der Politik beginnt mit der Identifikation eines Unrechts [le tort], einem fundamentalen Disput über unterschiedliche Kalkulationen des Gemeinschaftlichen.“ (Tanke 2011: 51; Übersetzung von Thomas Claviez).

Dieses so verstandene Politische ereignet sich (wenn überhaupt!) auf dem Gebiet der Politik immer nur im jeweils konkreten, historischen Fall (beschreibbar als Praxis), der darüber entscheiden muss, was überhaupt das Gemeinsame ausmacht und wer in diesem Zusammenhang etwas zu sagen und zu entscheiden hat. Mit einem solchen konzeptionellen Verständnis des Politischen verliert dieses seine gemeinhin angenommene Selbstverständlichkeit. Im Unterschied zur liberalen respektive diskursethisch beeinflussten politischen Theorietradition (allen voran Habermas) ist Rancières Begriff des Politischen einer des Konfliktes, der Unstimmigkeit, ja des Polemischen. Nicht die kommunikative Verständigung (wenn auch nur als kontrafaktisch angenommener Idealfall), sondern das Streithandeln bestimmt das Geschehen im Raum des Politischen. Politisches Handeln und Kommunizieren gehen nicht einfach in einem rationalen (Verfahrens-)Diskurs auf, den es „nur noch“ institutionell zu etablieren gilt. Erforderlich wird vielmehr in diesem Verständnis, welches Politik zugleich als Handwerk und Kunst begreift, eine Verschränkung von Argument und Metapher; dem politischen Handeln und der Kommunikation eignet demzufolge eine poetisch-polemologische Dimension. Mit Rancière können wir aber noch etwas Zusätzliches akzentuieren: Im politischen Konflikt bemühen sich mindestens zwei Parteien um die Herstellung einer gemeinsamen Situation und um deren Repräsentation. Genau dort, wo ein Teil der Menschen aus dieser Situation ausgeschlossen ist, muss insofern dieses Gemeinsame/Allgemeine – an das Jean-Luc Nancy mit Jacques Derrida so oft erinnert – als zunehmend prekär beschrieben werden, zumal unter globalisierten Bedingungen (Nancy 2004: 59). In drei Konstellationen des Ethischen und des Politischen soll dieses Verständnis überprüft und etwas genauer ausgeführt werden.

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