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4.2 Futures literacy
ОглавлениеAuf den ersten Blick mag es ungewöhnlich scheinen, dass gegenwärtige Entscheidungen von der Zukunft abhängen sollen. Doch liegt hierin der Schlüssel, wie die Transformation vorangebracht werden kann, indem immer mehr Menschen fähig werden, die Zukunft zu „lesen“. Die UNESCO, die sich selbst diesbezüglich als globales Ideenlabor versteht, definiert Futures Literacy (FL) folgendermaßen:
Futures literacy is a capability. It is the skill that allows people to better understand the role of the future in what they see and do. Being futures literate empowers the imagination, enhances our ability to prepare, recover and invent as changes occur (UNESCO 2019).
Es geht darum, die Zukunft effektiver und effizienter zu nutzen und Vorstellungen von Zukunft zu erzeugen, die kognitive, emotionale und konative Aspekte vereinen – wie es Narrationen können. Auf diese Weise geben schlüssige Narrationen – auch die katastrophischen – Orientierung und helfen mit, bereits die Gegenwart besser zu verstehen, indem sie ein weites Spektrum möglichen zukünftigen Handelns aufzeigen. Kompetenzen wie der Umgang mit Unsicherheiten und Unwägbarkeiten bereiten vor, FL hilft, Lösungen zu finden und umzusetzen. Dabei spielen Phantasie, Kreativität und Motivation eine große Rolle, was zugleich genau die Anknüpfungspunkte der Literaturdidaktik sind, die diese Begriffe seit Langem untersucht und nun, unter dem Signum einer kulturökologischen Orientierung, mit FL zu einer Zukunftskompetenz bündeln kann. Welch großer Stellenwert der FL auf diese Weise zukommt, erläutert wiederum der WBGU:
Gesellschaftliche Verständigung über plausible, mögliche und wünschenswerte Zukünfte und deren politische wie technologische Gestaltung braucht einen reflektierten Umgang mit Trends und Herausforderungen. Antizipation und „Futures Literacy“ sollten als neues Forschung- und Bildungsthema gezielt gefördert und in existierenden Gremien gestärkt oder entsprechende Zukunftsgremien geschaffen werden. (WBGU 2019b, 21)
Die UNESCO als weltgrößte Bildungsorganisation geht in ihrer Einschätzung der Bedeutung von FL sogar noch weiter: Sie vergleicht die anstehenden gesellschaftlichen Entwicklungen durch FL mit denen, die durch die allgemeine Alphabetisierung entstanden sind. FL selbst ist eine Veränderung, die zugleich neue Bedingungen für Veränderungen schafft:
Images of the future open up new horizons in much the same way that establishing universal reading and writing changes human societies. This is an example of what can be called a ‘change in the conditions of change’. (UNESCO 2019)
Somit wird FL auch auf einer Metaebene wirksam. Je mehr Menschen FL erwerben, desto besser kann sich die Menschheit auf potenzielle neue Krisen einstellen sowie die Agendaziele 2030 und weitere Veränderungen erreichen, die den Kampf gegen Klimawandel, Artensterben und andere Umweltprobleme unterstützen. Wenn Narrative bestimmen, wie wir Zukunft lesen und wie wir Zukunft erzählen, um Zukunftsbilder zu erzeugen, die uns verraten, wie wir Gegenwart durch Handeln gestalten, dann sind die Literaturdidaktik und der Sprach- und Literaturunterricht aufgerufen, ihren Beitrag zu leisten, um FL bei Kindern und Jugendlichen zu fördern. Kaum etwas ist dazu geeigneter als Literatur in all ihren vielfältigen Formen.