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Der Stammbaum Jesu
ОглавлениеStammbäume gibt es überall in der frühjüdischen, griechischen und römischen Literatur (z.B. Gen 10,1–32; 11,10–26; 25,12–18; Ex 6,16–25; Esra 7,1–5; 1Chr 1,1–9; Tob 1,1; Jdt 8,1; Bar 1,1; 2Esd 1,1–3; Quintilian, Inst. 3,7,10; Aeneis 7,1–4). Ihr Ziel ist es, Heldinnen und Helden in ihrer Bedeutung herauszustellen, indem sie ihre Vergangenheit verherrlichen und ihrer Erzählung Legitimität verleihen. Der Stammbaum in Mt 1,1–17 (vgl. Lk 3,23–38) verortet Jesus als Nachkomme Abrahams und Davids und Symbolfigur der Geschichte Israels. Die Einleitungsworte zum Matthäusevangelium (biblos genēseōs, „Entstehungsbericht“) stellen dabei eine textliche Verbindung zur Schöpfungserzählung Gen 2,4 und dem Bericht über die Nachkommenschaft Adams in Gen 5,1 her.
Matthäus führt Jesu Abstammung auf den Patriarchen Abraham und damit auf ein Symbol für die jüdische Identität und Frömmigkeit (Mt 3,9; 8,11–12; 4Makk 6,17.22; tNed 2,5; PesR 11,4) zurück. Zugleich ist Abraham aber auch der erste „Konvertit“, da er vom Götzendienst abließ, um sich Gottes Berufung zuzuwenden (Gen 12,1–4). So repräsentiert er sowohl die jüdische als auch die nichtjüdische Treue zum Gott Israels.Der Stammbaum Jesu bei Matthäus schließt auch vier Frauen mit ein, deren symbolischer Wert vielfältig ist. Zum einen haben mehrere dieser Frauen nichtjüdische Wurzeln: Tamar (Gen 28) ist möglicherweise Aramäerin oder Kanaanäerin, wenngleich sie auch zur Familie Israels gehören kann. Eine rabbinische Legende behauptet, dass sie eine Waise gwesen sei, die sich dem jüdischen Glauben zugewandt habe, um in Judas Familie einheiraten zu können (bSot 10a). Rahab (Ri 2–6) ist eine Kanaanäerin, Ruth eine Moabiterin und die „Frau des Uriah“, Bathseba, war mit einem Hethiter verheiratet (2Sam 11). Wie Abraham könnten die Frauen daher für die Einheit von Juden und Nichtjuden unter den Anhängern Jesu stehen. Die unerwarteten sexuellen Beziehungen dieser Frauen – Tamar hat eine Beziehung mit ihrem Schwiegervater, Rahab ist eine Hure, und Ruth, die moabitische Vorfahren (Gen 19) hat, bringt Boas in eine möglicherweise kompromittierende Lage (Ruth 3); Bathseba begeht Ehebruch mit David – deuten nicht auf sündhaftes Verhalten hin. Im Gegenteil, die jüdische Tradition preist diese Frauen (LAB 3,14; ARN 45 B; PesR 40,3-4). Außerdem nehmen sie die überraschende Empfängnis Jesu und Josefs anfängliche Weigerung, seine schwangere Verlobte zu heiraten, vorweg.Man kann den Stammbaum Jesu bei Matthäus auch als ein Beispiel für Gematrie ansehen, eine literarische Technik, die den hebräischen Buchstaben Zahlenwerte zuweist. Die Genealogie kreist um die Zahl 14, die Summe der hebräischen Konsonanten, die den Namen „David“ bilden: (Dalet = 4, Waw = 6, Dalet = 4). Vierzehn besteht aber auch aus zweimal sieben, wobei die Zahl sieben, die Anzahl der Wochentage, auch für die Vollkommenheit des Schöpfungswerks stehen kann. Um das Generationenmuster stabil bei 14 zu halten, muss Matthäus fünf Könige auslassen: Ahasja, Joasch, Amasja, Joas und Jojakim. Dazu enthält das dritte und letzte Set nur dreizehn Namen, was nahelegt, dass die vierzehnte und letzte Generation die der Kirche sein soll.
18 Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut[*] war, fand es sich, ehe sie zusammenkamen, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist. 19 Josef aber, ihr Mann, der fromm und gerecht war und sie nicht in Schande bringen wollte, gedachte, sie heimlich zu verlassen.
20 Als er noch so dachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist. 21 Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. 22 Das ist aber alles geschehen, auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Jesaja 7,14): 23 »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns.
24 Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. 25 Und er erkannte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.
Mt 1,18–25 Jesu Geburt (Lk 1,26–2,40) 1,18 Ehe sie zusammenkamen, vgl. mKet 1,2; 5,2; vielleicht ein Hinweis auf die Zeit der Verlobung, die der eigentlichen Ehe vorausgeht. bKet 57b legt nahe, dass eine solche Verlobung mit etwa zwölf Jahren stattfand (vgl. mNed 10,5; BerR 95), wobei dieses rabbinische Ideal nicht zwingend die Praxis des ersten Jahrhunderts widerspiegeln muss (vgl. „Jüdisches Familienleben im ersten Jahrhundert u.Z.“). Die Verlobung war mit einem Ehevertrag (hebr. ketuba) rechtlich bindend. (vgl. Tob 7,13; mKet 5,2; mNed 10,5). Heiliger Geist, die schöpferische und fortwährende Präsenz Gottes (Gen 1,2; 2,7; 8,1; Ex 13,21–22; Jos 2,11; Ps 51,13; bChag 12ab). 1,19 Fromm und gerecht, ein matthäisches Motiv (Mt 3,15; 5,6.10.20; 6,33; 9,13; 10,41; 21,32; 25,37.46; vgl. Lk 1,6). Gerechtigkeit steht in engem Zusammenhang zu Recht, Ethik und der Befolgung der Tora (Gen 6,9; Lev 18,5; Dtn 6,25; Ps 85,11). Zu verlassen, Scheidung; vgl. z.B. mNed 11,12; bGit 9a-b; 32a-b; 62b; 64a. 1,20 Engel, in der apokalyptischen Literatur aus dieser Periode vermitteln Engel häufig Prophetien (vgl. „Übernatürliche Wesen“). Traum, Anspielung auf den Josef der Genesis und Amram, den Vater des Mose (Jos.Ant. 2,210–17). 1,21Jesus, hebr. Jehoschua, ein gebräuchlicher Name im ersten Jahrhundert, der „Gott rettet“ bedeutet. Philo kommentiert: „Aber auch den Namen des Osee [hebr. Hoschea/Hosea] ändert Mose zu Jesus [hebr: Jehoschua/Josua] (Num 13,17[LXX]) und prägt den irgendwie beschaffenen in eine Verhaltungsweise um. Denn Osee bedeutet ‚dieser irgendwie beschaffene’, Jesus aber ‚Heil des Herrn’, Name der besten Verhaltungsweise“ (Philo mut. 121). Die Namensänderung war in der Regel wichtigen biblischen Charaktären vorbehalten, darunter Abraham (von Abram; Gen 17,5) Sarah (von Sarai; Gen 17,15), and Israel (von Jakob; Gen 32,29). Im Tanach sind vier Männer mit dem Namen „Josua“ aufgelistet (Num 13,16; 1Sam 6,14; 2Kön 23,8; Hag 1,1). Der Auftrag Jesu ist es, Menschen aus ihren Sünden zu retten (Mt 9,1–8; 20,28; 26,28). Jüdinnen und Juden sahen Rettung traditionell als Teil des Bundes an (Ps 130,8; 2Chr 7,14; mSan 10,1: „Ganz Israel hat Anteil an der zukünftigen Welt […]“) und verstanden die immerwährende göttliche Präsenz als Teil der idealen Zukunft (z.B. Ez 48,35). 1,23 Jungfrau, Matthäus zitiert die gr. Übersetzung (LXX) von Jes 7,14, die parthenos überliefert (vgl. „Schriftverheißung und Erfüllung“). Matthäus behauptet häufig, Jesus erfülle hebräische Prophetie. Diese Aussagen, die sog. „Erfüllungszitate“, dienen als Beweis dafür, dass Jesus der Höhepunkt der Schriften Israels sei. Immanuel, wörtl. „Gott mit uns“, umrahmt das Evangelium (Mt 28,20). 1,25 Und er erkannte sie nicht, dieser Ausdruck schließt eine sexuelle Beziehung zwischen den beiden nach Jesu Geburt nicht aus. Die Annahme von Marias immerwährender Jungfräulichkeit entwickelt sich erst im zweiten Jahrhundert; zum ersten Mal wird im Protoevangelium des Jakobus darauf angespielt (vgl. Protev 9,2: Jesu Brüder werden als Söhne Josefs beschrieben, die dieser mit einer anderen Frau hatte); vgl. „Maria in der jüdischen Tradition“.
1 Da Jesus geboren war zu Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: 2 Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihn anzubeten[*].
3 Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, 4 und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. 5 Und sie sagten ihm: Zu Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten (Micha 5,1): 6 »Und du, Bethlehem im Lande Juda, bist mitnichten die kleinste unter den Fürsten Judas; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.«
7 Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, 8 und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr‘s findet, so sagt mir‘s wieder, dass auch ich komme und es anbete. 9 Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. 10 Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut 11 und gingen in das Haus und sahen[*] das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.
12 Und da ihnen im Traum befohlen wurde, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem andern Weg wieder in ihr Land.
Mt 2,1–12 König Herodes und die Magoi 2,1 König, Matthäus hebt diesen Titel hervor, um die Herrschaft Herodes‘ mit der von Jesus zu kontrastieren, der als Sohn Davids und somit als wahrer König Israels dargestellt wird. Herodes, regierte von 37–4 v.u.Z. Bethlehem, 10 km südlich von Jerusalem. Weise, gr. magoi waren zoroastrische Priester; frühe jüdische Leserinnen und Leser könnten sie für persische Astrologen gehalten und sie somit nicht als weise, sondern als töricht gedeutet haben. Philo nennt Bileam einen magos (Mos. 1,264); vgl. auch Dan 2,2 (LXX). Sie verweisen – wie auch Tamar, Rahab und Rut im Stammbaum – voraus auf die Völkermission (Mt 28,19). 2,2 König der Juden, vgl. Mt 27,11.29.37. Stern, steht hier vielleicht für einen Engel (Num 24,17, in Verbindung mit Bileams Prophetie; CD 7,18–26; TestLev 18,3); keine antike Quelle belegt dieses astronomische Phänomen und kein Stern im heutigen Sinn könnte über einem Haus stehenbleiben, ohne die Erde zu verbrennen. Aufgehen, sowohl das gr. anatolē als auch das hebr. qedem bedeuten auch „Osten“. 2,3 Ganz Jerusalem, Matthäus hat eine negative Einstellung gegenüber dem Jerusalem seiner Zeit (Mt 21,10; 23,37). 2,4 [Er] erforschte von ihnen, Herodes scheint, obwohl er als Jude wahrgenommen wurde, diese Tradition nicht zu kennen. Christus, vgl. Anm. zu 1,1. 2,5–6 Matthäus paraphrasiert Mi 5,1. 2,8 Forscht fleißig, Herodes trachtet danach, die magoi zu betrügen. 2,11 Gold, Weihrauch und Myrrhe, spätere Interpretationen sahen darin eine Anspielung auf Jes 60,6 (vgl. auch Ps 72,10.15), was die Tradition begründete, die magoi seien Könige; Matthäus hat eine grundsätzlich negative Einstellung gegenüber irdischen Königen, was mit der Darstellung Herodes’ beginnt (vgl. Mt 10,18; 14,9; 17,25; 20,25).
13 Als sie aber hinweggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir‘s sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen.
14 Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich bei Nacht und entwich nach Ägypten 15 und blieb dort bis nach dem Tod des Herodes, auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Hosea 11,1): »Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.«
16 Als Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen war, wurde er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Knaben in Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erkundet hatte. 17 Da wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht (Jeremia 31,15): 18 »In Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen.«
19 Als aber Herodes gestorben war, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum in Ägypten 20 und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und zieh hin in das Land Israel; sie sind gestorben, die dem Kindlein nach dem Leben getrachtet haben.
21 Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich und kam in das Land Israel. 22 Als er aber hörte, dass Archelaus in Judäa König war anstatt seines Vaters Herodes, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und im Traum empfing er einen Befehl und zog ins galiläische Land 23 und kam und wohnte in einer Stadt mit Namen Nazareth, auf dass erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazoräer heißen.
Mt 2,13–23 Die Flucht nach Ägypten Als „neuer Mose“ wird Jesus im Säuglingsalter gerettet und in Sicherheit gebracht. 2,13 Traum, vgl. Anm zu 1,20. Ägypten, ein traditioneller Zufluchtsort (1Kön 11,40; 2Kön 25,26; Jer 26,21; 43,1–7). 2,15 Aus Ägypten, Hos 11,1, das Zitat bezieht sich ursprünglich auf das Volk Israel. Der literarische Kontext des Zitats aus Hosea stützt so zwar die matthäische Verwendung nicht, aber diese De-Kontextualisierung von biblischen Texten ist typisch für nachbiblische und rabbinische Literatur. 2,16 [Er] ließ alle Knaben […] töten, das „Töten der Unschuldigen“ erinnert an Ex 1,16 und baut dieses Motiv aus. 2,18 Jer 31,15; dieses Kapitel aus Jeremia, besonders beliebt unter den frühen Anhängerinnen und Anhängern Jesu, prophezeit einen „neuen Bund“ (Jer 31,31). Die auf das Zitat folgenden Verse (Jer 31,16f) – bei Matthäus ausgelassen – kündigen an, dass die „Kinder“ Israels aus dem Exil in ihr Heimatland zurückkehren werden. Rama, ca. 9 km nördlich von Jerusalem. 2,19 Herodes starb ca. 4 v.u.Z. Jesu Geburt wird üblicherweise zwischen 6 und 4 v.u.Z. datiert. 2,20 Sie sind gestorben, eine Anspielung auf Ex 4,19. 2,22 Archelaus, wurde 6 u.Z. abgesetzt und sein Gebiet der direkten Herrschaft Roms unterstellt. Galiläisches Land, dieses Gebiet wurde von Herodes Antipas, dem Bruder Archelaus’ regiert (Mt 14,1). 2,23 Nazareth, eine kleine Stadt, zu Fuß ungefähr eine Stunde von Sepphoris entfernt. Was gesagt ist durch die Propheten, das matthäische Zitat findet sich nicht im Tanach. Nazoräer, eventuell eine Anspielung auf die „Nasiräer“ (Gottgeweihte; Num 6; Ri 13,5.7) oder wahrscheinlicher auf hebr. nezer (übers. „Zweig“), ein Teil der messianischen Prophezeiung von Jes 11,1.