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Zweite Theologische Rede: Über das Sprechen von Gott
Оглавление(1) In unserer ersten Rede […] haben wir ausgeführt, wie jemand sein soll, wenn er von Gott spricht, wer sich mit solchen philosophischen Fragen beschäftigen soll und wann und in welchem Maße man das tun soll. Wir haben außerdem ausgeführt, dass die Leute, die sich mit philosophischen Fragen beschäftigen, so rein wie möglich sein sollen, damit Licht von Licht erfasst wird, und wir haben dargelegt, dass sie sich möglichst viel Mühe geben sollen, damit kein unfruchtbares Wort auf unfruchtbares Land fällt (vgl. Mt 13,5). […] Jetzt wollen wir uns der Rede über das Sprechen von Gott zuwenden! Wir tun das, indem wir den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist, von denen die Rede ist, als Beschützer vor die Rede stellen. Der Erste soll wohlwollend sein, der Andere soll daran mitwirken und der Dritte soll seinen Geist geben. Oder vielmehr: Eine einzige Erleuchtung soll aus der einen, einzigen Gottheit kommen; eine Erleuchtung, die in sich untergliedert ist, ohne ihre Einheit zu verlieren und die sich zu einer Einheit fügt, ohne ihre innere Untergliederung einzubüßen. Und das ist paradox!
(2) Bereitwillig besteige ich den Berg (vgl. 2. Mose 19,2 u. ö.) oder, um es auf eine Weise zu sagen, die näher an der Wahrheit ist, bereitwillig und |32|zugleich voller Furcht! Bereitwillig bin ich aufgrund meiner Hoffnung, furchtsam aufgrund meiner Schwäche. Ich will in den Nebel gelangen (2. Mose 24,18) und dort Gott treffen. Denn dazu fordert Gott auf (vgl. 2. Mose 24,12) – Wenn aber jemand ein Aaron ist (vgl. 2. Mose 19,24), dann soll er herantreten und sich in der Nähe hinstellen, und auch dies hinnehmen, wenn er außerhalb des Nebels stehen bleiben muss. Wenn aber jemand ein Nadab oder ein Abioud oder einer der Alten ist (vgl. 2. Mose 24,1 u.ö.), soll er hinaufsteigen, aber er soll in einer bestimmten Entfernung stehen bleiben, die dem Grad seiner Reinheit entspricht. Wenn jemand zur Menge gehört, die einer solchen Erhabenheit und Schau unwürdig ist, wenn er ganz und gar unwürdig ist, so soll er sich nicht nähern, denn das ist gefährlich. Wenn er für einen Augenblick geheiligt ist, soll er unten bleiben und allein die Stimme und die Posaune und bloß die frommen Worte hören (vgl. 2. Mose 19,16ff.). Er soll sehen, wie der Berg raucht und blitzt, als Drohung und zugleich, um diejenigen zum Staunen zu bringen, die nicht hinaufgehen können. Wenn aber jemand ein wildes, ungezähmtes Tier ist und nicht in der Lage ist, Gedanken von der Schau und über das Sprechen von Gott zu fassen, dann soll er sich nicht in böser und verschlagener Weise im Unterholz verstecken, um plötzlich hervorzukommen und eine Lehre oder ein Wort zu ergreifen, sondern soll in weiter Entfernung vom Berg bleiben, damit man ihn nicht steinigt und vernichtet und damit er nicht als ein Böser übel zugrunde geht […].
(3) Wie erging es mir, ihr Freunde, Eingeweihte und Liebhaber der Wahrheit? Ich beeilte mich Gott zu ergreifen, stieg so den Berg herauf und trat in die Wolke ein, für mich selbst von der Materie und den materiellen Dinge soweit als möglich abgewandt. Als ich aber nach vorn schaute, da sah ich Gottes Rückseite (vgl. 2. Mose 33,23). Und dies, obwohl ich von einem Felsen verdeckt war, nämlich von dem für uns Fleisch gewordenen Wort. Und ich schaute etwas hervor und sah nicht die erste, unvermischte Natur, die von sich selbst, von der Trinität, erkannt wird, und die innerhalb des Vorhangs bleibt und von den Cherubim bedeckt wird (vgl. 2. Mose 26,31ff.), sondern ich sah nur den letzten Ausläufer, der bis zu uns herab reicht. Das ist, soweit ich das erkennen kann, die Größe Gottes unter seinen Geschöpfen, die „Herrlichkeit“, wie der göttliche David das nennt. Sie ist die Rückseite Gottes. Es handelt sich um die Eindrücke, die Gott hinterlässt. Diese sind wie Spiegelungen der Sonne auf dem Wasser, die dem trüben Blick die Sonne zeigen, weil der menschliche Blick nicht in der Lage |33|ist, die Sonne selbst zu sehen, da das unvermischte Licht unsere sinnliche Wahrnehmungskraft übersteigt. So also sollst du Theologie treiben, selbst wenn du Mose […] bist, selbst wenn du nach Paulus bis zum „dritten Himmel“ (2. Kor 12,2) gelangt bist und „unaussprechliche Worte“ (2. Kor 12,3) gehört hast, selbst wenn du über jenen hinaus gelangt bist, und einen Engels- oder Erzengelsrang und -platz einnimmst. Mag auch jedes himmlische oder überirdische Wesen viel höher sein als unsere Natur, und damit Gott näher sein, so ist es doch viel weiter von Gott und vom vollkommenen Begreifen entfernt als von unserer zusammengesetzten, niedrigen und der Erde zugewandten, gemischten Natur.
(4) Also muss man von neuem anfangen: Es ist schwer, Gott zu begreifen. Es ist aber unmöglich, etwas über ihn auszusagen, wie einer der Theologen bei den Griechen feststellte, als er die Frage philosophisch untersuchte […]. Einen so großen Gegenstand mit dem Intellekt zu erfassen ist völlig unmöglich und nicht zu bewerkstelligen. […] Dies gilt nicht nur für die trägen und der Erde zugewandten Wesen, sondern auch für die sehr erhabenen und Gott liebenden Wesen. Gleichermaßen gilt das für jede gezeugte Natur und für alle, die dieser Nebel umgibt und die diese plumpe fleischliche Natur an der Erkenntnis des Wahren hindert. Ich weiß nicht, ob das nicht auch bei den höheren und geistigeren Naturen so ist. Da sie Gott näher sind und ganz von seinem Licht beschienen werden, könnten sie vielleicht auch erleuchtet sein, wenn auch nicht komplett, doch in einem stärkeren und klareren Maß als wir, die einen mehr, die anderen weniger, jeweils entsprechend dem Rang, den sie innehaben.
(5) Aber das soll hier auf sich beruhen. Was uns betrifft: Ist nicht schon der „Friede Gottes höher als alle Vernunft“ (Phil 4,7) und alles Begreifen? Gilt das nicht auch für alle Dinge, die für die Gerechten in den Verheißungen aufbewahrt werden, die weder für Augen sichtbar, noch für Ohren hörbar, und auch nicht – oder nur ein wenig – für den Verstand schaubar sind? Und gilt das nicht auch für die genaue Kenntnis der Schöpfung? Denn sei überzeugt, dass du von der Schöpfung nur die Schattenbilder erhältst, wenn du hörst „Ich werde den Himmel sehen, die Werke deiner Hände, den Mond und die Sterne.“ (Ps 8,4) […] Aber weit vor diesen befindet sich die Natur, die über diese Dinge hinausgeht und aus der diese Dinge sind, die ungreifbare und unfassbare Natur. Ich sage aber, nicht, dass sie existiert, ist unbegreiflich, sondern was für eine Natur sie ist. […]
|34|(6) Dass nämlich Gott existiert, und dass er als Ursache alle Dinge gemacht und geordnet hat, das lehrt uns das Schauen und das natürliche Gesetz. Das Schauen lehrt das, indem es sich den Dingen zuwendet, die man sehen kann, die in schöner Weise mit einander verbunden sind und zugleich ihre Bahn entlanglaufen und sich so zu sagen in unbewegter Weise bewegen und dahineilen. Darüber hinaus lehrt es die Vernunft, indem sie durch die Dinge, die man sehen kann und die eine Ordnung haben, auf den Urheber schließt. Denn wie sollte wohl das All begründet worden sein, und Bestand haben, wenn nicht Gott ihm sein Wesen gegeben hätte und es zusammenhielte? Denn wenn jemand sieht, wie eine Gitarre schön gespielt wird, wie gut das klingt und wie gut das Stück komponiert ist, und wenn er hört, dass auf der Gitarre gespielt wird, wird ihm dann irgendetwas anderes als der Hersteller der Gitarre und der Spieler der Gitarre in den Sinn kommen, auch wenn er ihn vielleicht nicht sehen kann? So ist also auch für uns die Schöpferkraft erkennbar, die Kraft, die das Gemachte bewegt und bewahrt, auch wenn sie nicht mit dem Verstand erfasst wird. […] Niemand ist ja zur letzten Stufe der Weisheit gelangt. Niemand wurde je einer so großen Gnade gewürdigt. Niemand öffnete den Mund seines Verstandes so weit und nahm den Geist in sich auf (Ps 119,131), dass er durch ihn, den Geist, der alles erforscht und erkennt, selbst die Tiefen der Gottheit, Gott, erfasst hätte, und nicht mehr weiter voran muss, weil er schon das äußerste hat, was erstrebenswert ist, und zu dem alles Leben und alle Überlegung strebt. (7) Denn wie wirst du jemals das Göttliche ergreifen, wenn du ganz den vernünftigen Zugängen vertraust? Oder wohin wird dich die Vernunft führen bei deiner Prüfung, du allergrößter Philosoph und Theologe, der du dich maßlos rühmst? […]
(13) So bemüht sich unser Verstand, aus den körperlichen Dingen herauszutreten und mit den nackten, unkörperlichen Dingen zu verkehren, solange er mit seiner eigenen Schwäche die Dinge betrachtet, die über seine eigene Kraft gehen, weil sich jede vernünftige Natur nach Gott und nach der ersten Ursache ausstreckt. Sie kann ihn aber nicht begreifen. Die Gründe dafür habe ich genannt. Sie müht sich in ihrem Verlangen ab und als würde sie in Zuckungen geraten und den Schaden nicht ertragen, unternimmt sie eine zweite Fahrt. Sie tut das, indem sie entweder in ihrem Unwissen auf das Sichtbare blickt und etwas davon zu Gott erklärt […] oder der Verstand erkennt Gott durch die Schönheit und Ordnung der sichtbaren Dinge und benutzt das Schauen wie ein Fahrzeug hin zu den |35|Dingen, die jenseits des Schauens sind […] (14) Deshalb verehrten die Einen die Sonne und die Anderen den Mond, und wieder andere die Sternenschar, noch andere den Himmel selbst, zusammen mit diesen Dingen, von denen sie annehmen, dass sie das All entsprechend der Art und Weise oder dem Maß seiner Bewegung leiten. Die Einen verehren die Elemente, Erde, Wasser, Luft, Feuer, weil sie nötig sind und das Menschenleben ohne sie keinen Bestand haben kann. Die anderen verehrten von den sichtbaren Dingen was immer infrage kam, die schönsten Dinge, die sie sahen, erklärten sie zu Göttern, es gibt aber andere, die auch Bilder und Skulpturen verehrten. (16) So verhielten sich diese Leute. Uns aber, die wir uns nach Gott sehnten, und den Gedanken an ein ungeregeltes und ungesteuertes All nicht ertrugen, nahm die Vernunft bei der Hand und wandte sich den Dingen zu, die man sehen kann […] Und durch diese führt es uns zu den Dingen, die darüber stehen. […]
(21) So schwer lässt sich jede Wahrheit und jeder Vernunftschluss beweisen und so mühsam lassen sie sich ersichtlich machen. Wir schaffen so zu sagen mit einem kleinen Werkzeug große Dinge, wenn wir mit dem Mittel der menschlichen Weisheit dem Ziel der Erkenntnis des Seienden nachjagen und uns durch sinnliche Wahrnehmung vernünftigen Dingen nähern – oder ohne sinnliche Wahrnehmungen, von denen wir hin und hergeworfen werden, umherirren und uns nicht imstande sehen, durch den bloßen Verstand den bloßen Dingen gegenüberzutreten. […] (22) Denn um die anderen Dinge auf sich beruhen zu lassen, […], will ich auf mich selbst blicken und auf die ganze menschliche Natur und deren Struktur. Was ist das für eine Mischung, aus der wir bestehen? Was ist Bewegung? Wie wurde das Unsterbliche dem Sterblichen vermischt? Wie falle ich nach unten und wie werde ich nach oben geschleudert? Wie bewegt sich die Seele? Wie gibt sie Leben und wie hat sie am Gefühl teil? Wieso ist die Vernunft begrenzt und zugleich unbegrenzt? […] Was ist das für eine Empfindung und was für ein Verhältnis, das Eltern und Kinder miteinander verbindet? […] Wieso ist das Lebendige zugleich sterblich und unsterblich – einmal durch Veränderung ein andermal durch Zeugung? […]
(28) Wenn du die Luft und alles, was mit der Luft zu tun hat, mit deinem Verstand durchquert hast, dann berühre mit mir den Himmel und die himmlischen Dinge. Der Glaube soll uns dabei eher leiten als die Vernunft! Ich spreche unter der Voraussetzung, dass du die Schwäche der Vernunft |36|bereits bei den Dingen kennengelernt hast, die sich in größerer Nähe zu uns befinden, und dass du es als vernünftig anerkanntest, einzugestehen, dass es Dinge gibt, die über die Vernunft hinausgehen, damit du nicht total irdisch oder den Dingen auf der Erde verhaftet bleibst und dies, ich meine deine Unkenntnis, nicht erkennst. […]
(29) Wer lenkt den Himmel auf seiner Kreisbahn? Wer setzte die Sterne an ihren Ort? Noch mehr aber: Was ist vor diesen Dingen, vor Himmel und Sternen? Vermagst du das zu sagen, der du dich so hoch aufrichtest? Wo du das nicht erkennst, was vor deinen Füßen ist […] da willst du Dinge erforschen, die über deine Natur hinausgehen. […] (30) Lassen wir die Sonne ihre Bahn ziehen! Kennst du die Natur des Mondes und weißt du, was mit ihm geschieht? Kennst du seine Lichtstufen und seine Bahnen? Und weißt du, wie die Sonne die Herrschaft über den Tag hat und wie der Mond der Nacht vorsteht und wie er die wilden Tiere sich frei bewegen lässt? Weißt du wie die Sonne den Menschen zu seiner Arbeit führt, entweder, indem sie aufgeht oder indem sie untergeht, jeweils so, wie es am passendsten ist? Hast du die Fessel der Pleiaden erfasst oder den Zaun des Orion? Warst du so wie er, der die Sterne zählt und sie alle mit Namen ruft, und den Unterschied des Strahlens eines jeden und die Ordnung der Bewegung eines jeden misst? […]
(31) Sollen wir hier mit der Rede enden, bei der Materie und den Dingen, die man sehen kann? Oder, weil das Wort der Heiligen Schrift weiß, dass das Zelt des Mose ein Abbild (vgl. Hebr 9,1ff.) der ganzen Welt ist, die aus sichtbaren und unsichtbaren Dingen besteht, teilen wir hier den ersten Vorhang (vgl. 2. Mose 26,31) und überschreiten die sinnliche Wahrnehmung und beugen uns hinein in das Heiligtum, in die vernünftige und himmlische Natur? Wir sind nicht in der Lage, diese Natur in körperloser Weise zu sehen, obwohl sie doch körperlos ist! Man nennt sie „Feuer“ und „Wind“ und sie ist es auch. Denn es heißt: „Er macht die Winde zu seinen Boten und die Feuerflamme zu seinen Dienern“ (Ps 104,4). […] Wir sind nicht imstande, weiter voranzugehen, außer so weit, dass wir wissen, dass sie Engel und Erzengel sind, Throne, Herrschaften, Gewalten, Mächte, vernünftige Kräfte oder Vernunftwesen, reine Naturen und klar, nicht zum Schlechten zu bewegen oder aber nur schwer, immer umtanzen sie die erste Ursache. Wie könnte sie jemand besingen, die von dort ihr überaus helles Leuchten empfangen. […] Wenn diese Dinge würdig besungen sind, so |37|verdankt sich das der Gnade der einen Gottheit in dreien. Wenn es aber der Erwartung nicht gerecht wurde, so hat es trotzdem sein Ziel erreicht, denn darum ging es mir. Denn dieses bemühte ich mich darzulegen, dass auch die Natur der Dinge hinter Gott und nicht allein die Natur Gottes selbst, alles überschreitet.