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III.
ОглавлениеWie man richtig zu predigen habe, welche Inhalte man vermitteln und welche Methoden man dabei verwenden sollte, dazu gibt es viele theologischen Theorien. Klug sind sie oft, scharfsinnig und tiefgründig. Aber ob sie einem bei der wöchentlichen Aufgabe des Predigtmachens und der sonntäglichen Pflicht des Predigthaltens wirklich helfen, darf bezweifelt werden. Hilfreicher wäre es, wenn ein erfahrener, kritisch-genauer, dabei aber freundlich zugeneigter Mitmensch regelmäßig die eigenen Predigten anhörte und einem davon berichtete, was und wie er es gehört habe. Denn eine Predigt ist ja nicht die Durchführung eines Theorieprogramms, sondern Teil eines Gesprächs: des eigenen inneren Gesprächs und des Gesprächs mit anderen über das, was einen unbedingt angeht. Deshalb kann man für das eigene Predigen am meisten aus ehrlichen Gesprächen nachher und vorher gewinnen. Doch lässt sich das häufig nicht gut organisieren.
Für die eigene Urteilsbildung, die Arbeitskontrolle, das Besserwerden sind ersatzweise Kriterien hilfreich; Merkposten, Wegweiser, Grenzmarkierungen. Kürzlich wurde in der Schweiz ein reformierter Predigtpreis ausgerufen. Die Jury hatte sich für die Beurteilung auf eine Liste von Kriterien geeinigt, die den klassischen Stichworten der antiken Rhetorik „delectare“, |10|„movere“ und „docere“ folgt. Eine Predigt soll erstens Vergnügen bereiten, indem sie spannend zu hören ist, die Aufmerksamkeit gleich zu Anfang weckt und bis zum Ende wach hält. Sie soll zweitens bewegen, indem sie existentiell anspricht, das Leben des Einzelnen, der Gemeinde und Gesellschaft in ein neues Licht stellt. Sie soll drittens lehrreich sein, indem sie Informationen und Gedanken vermittelt, die es wert sind, dass man sie weiß. Zusätzlich über diese drei antiken Kriterien hinaus hat die Jury drei Kriterien benannt, die besonders für die evangelische Predigt wichtig sind. Die Predigt soll sich viertens mit dem Bibeltext ernsthaft auseinandersetzen, so dass er als eigene Stimme laut wird. Sie soll fünftens eine theologische Botschaft formulieren, die durchdacht und stimmig ist. Sie soll sechstens persönlich sein, so dass der Mensch, der diese Predigt hält, als Individuum und in seiner Rolle sichtbar wird. Das ist ein anspruchsvolles Programm, zugegeben. Aber billiger ist eine gute Predigt nicht zu haben.
Hilfreich aber ist noch etwas anderes. Eine gute Predigt ist ja nicht nur ein Werkstück theologischer und rhetorischer Arbeit, das eine Fülle von Kriterien erfüllt. Ob eine Predigt wirklich gut ist, so dass man sie gern hört, man sich von ihr ansprechen lässt, sie zu einem vordringt, sie einen durchdringt, das hat oft genug nicht allein mit dem Inhalt, den tatsächlich gesprochenen Worten zu tun, sondern mit der Art des Predigers: wie er da steht, wie er sich hält, wie er einen anschaut oder auch nicht, wie man ihn vorher oder nachher auf der Straße erlebt. Dafür gibt es erst recht keine Theorie – aber ein schönes und hilfreiches Wort. Es stammt von Johann Joachim Spalding, dem Meister der aufgeklärten Predigt. Er sagte von sich, dass er seiner Gemeinde als „ein ehrlicher, weiser, heiterer, menschenfreundlicher Mann“ begegnen wolle, und hat damit auf beiläufige Weise das vielleicht Wichtigste dazu gesagt, welche Haltung ein Prediger einnehmen muss: 1. Er sollte ehrlich sein, also nichts sagen, was er nicht wirklich sagen kann, aber auch nichts zurückhalten, von dem er glaubt, dass er es sagen muss; 2. er sollte weise sein, also wissen und selbst erfahren haben, wie das Leben ist und was ihm dient; 3. er sollte heiter sein, d.h. nicht lustig, kein beifallssüchtiger Spaßmacher, aber auch kein Miesmacher und Niederdrücker, sondern einer, der so spricht, dass es seinen Zuhörern am Ende leichter wird; 4. er sollte menschenfreundlich sein, also dem Menschen in all seiner Schwäche nicht feindlich gesonnen, sondern ein Zeuge der Menschenfreundlichkeit Gottes sein. Vier kleine Adjektive – wer regelmäßig an sie denkt, wird nicht alles falsch machen.