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Оглавление|39|Aurelius Augustinus Die Geburt des Herrn
Hippo Regius (Nordafrika), vermutlich nach 410
|40|Einführung
Sermo 189 („Die Geburt des Herrn“) ist eine Weihnachtspredigt Augustins, die der große Rhetor, Philosoph und Theologe vermutlich nach 410 in seiner Bischofsstadt Hippo Regius (Nordafrika) in seiner lateinischen Muttersprache gehalten hat. Der in vier Abschnitte gegliederte Sermo ist ein Muster christlicher Volkspredigt. Der Leser findet darin ein ganzes Arsenal von Antithesen und Paradoxien, von Klang- und Wortspielen. Sie gaben der Predigt den sprachlichen Glanz, und so gewann und sicherte auch der Prediger sich die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer. Der Sermo ist trotzdem Muster auch einer theologisch gehaltvollen Predigt.
Als Augustinus im Jahr 391 Priester und 4–5 Jahre darauf Bischof von Hippo wurde, feierte die Kirche – wohl im Gegensatz zu dem heidnischen Sonnenfest, dem Tag der Wintersonnenwende, ‚natalis solis invicti‘ – schon seit längerer Zeit am 25. Dezember den Geburtstag ihres Herrn, ‚dies natalis domini‘.
In der noch vorhandenen Sammlung der augustinischen Predigten sind 13 über die Weihnacht überliefert. Diese Predigten vermitteln uns Einblicke in die nordafrikanische Weihnachtsfeier zur Zeit der Wende vom 4. ins 5. Jahrhundert. Die uns überlieferten Predigten lassen keinen Zweifel darüber aufkommen, dass der die Liturgie feiernde Bischof sich bei der Themenwahl seiner Weihnachtsansprachen ganz und gar von der kirchlichen Verkündigung leiten ließ. Dies verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass Augustinus von den schon im Neuen Testament zur Sprache gebrachten verschiedenen Christologien wie der Inkarnationschristologie, der Erhöhungschristologie, der Prophetenchristologie etc. der Erstgenannten den absoluten Vorrang gab. Der Tenor all seiner Weihnachtspredigten lautet deshalb: Gottes Wort wurde Mensch.
Augustin nennt die Menschwerdung des Wortes Gottes mit Vorliebe ‚sacramentum incarnationis‘. Im Blick auf die Inkarnationslehre lässt sich eine gewisse Entwicklung bei ihm feststellen. In den früheren Schriften steht die Hinführung der einer materiellen Welt Verfallenen zu der rein geistigen Welt Gottes im Vordergrund der theologischen Reflexion. Das im Fleisch erschienene ‚Wort‘ unterweist kraft seiner göttlichen Autorität die Unwissenden. Es hält diese an, ihre Aufmerksamkeit auf die rein geistigen Güter zu richten: ‚ad intellectum iubet evolare – zum Verstand emporzuschwingen‘, heißt es in der Frühschrift De ordine – Über die Ordnung 2,27. Der ‚Christus incarnatus‘ ist ‚magister veritatis – Lehrer der Wahrheit‘.
|41|Nach intensiviertem Bibelstudium gleich zum Beginn seiner kirchlichen Karriere rücken andere Aspekte, insbesondere die Demut, ‚humilitas‘, seitens des Inkarnierten und die Wiedergeburt, ‚regeneratio‘, bzw. die Rechtfertigung, ‚iustitia dei‘, seitens des Sünders ins Zentrum der theologischen Reflexion über das Mysterium der Menschwerdung Christi. Ihr eigentliches Ziel ist die Erlösung des Sünders, dies kommt jetzt unmissverständlich zur Sprache.
Selbstredend bemüht sich der ehemalige Lehrer der Rhetorik um eine auch sprachlich packende Darlegung der Weihnachtsbotschaft. Jedoch getreu seiner eigenen Weisung, wonach es zu den Aufgaben des Redners gehört, seine Zuhörer an erster Stelle zu belehren, ‚docere‘, an zweiter Stelle erst zu ergötzen, ‚delectare‘, und schließlich auch emotional zu rühren, ‚flectere‘ (siehe De doctrina christiana – Über die christliche Wissenschaft 4,27), dominiert auch in den Weihnachtspredigten die Belehrung. Bei aller Freude an Glanz und Anmut sprachlicher Bilder, Metaphern und Allegorien, bei allem Eifer, die Hörer auch emotional zu packen und mitzureißen, verliert Augustin die Stringenz einer theologischen Gedankenführung nie aus dem Auge. Der Sermo 189 legt davon ein beredtes Zeugnis ab.
Cornelius Mayer
Die Geburt des Herrn
1. Es heiligte uns diesen (festlichen) Tag (jener) ‚Tag‘, der alle Tage schuf. Von ihm singt der Psalm (95,1–2): „Singt dem Herrn ein neues Lied, singt dem Herrn alle Länder. Singt dem Herrn und preist seinen Namen, verkündet mit Bedacht den Tag vom Tag, der da ist sein Heil“.
Wer ist dieser ‚Tag vom Tag‘, wenn nicht der Sohn vom Vater, das Licht vom Lichte? Jener Tag aber, der den Tag erzeugte, welcher an diesem (zeitlichen) Tag aus der Jungfrau geboren werden sollte, jener Tag also kennt weder einen Aufgang noch einen Untergang. Tag nenne ich Gott Vater. In keiner Weise nämlich wäre Jesus Tag vom Tag, wenn der Vater selbst nicht Tag wäre.
Was ist (jener) Tag, wenn nicht Licht? (Freilich) nicht das der Augen unseres Fleisches, nicht das Licht, das allen Menschen und Tieren gemeinsam |42|ist, sondern das Licht, das den Engeln leuchtet, das Licht, das die Herzen derer, die es schauen, reinigt. Es vergeht nämlich diese Nacht, in der wir gegenwärtig leben, in der uns die Lampen der Heiligen Schriften entzündet werden. So geht in Erfüllung, was in einem anderen Psalm gesungen wird (Ps 5,2): „Am Morgen will ich vor dir stehen und dich schauen“.
2. Jener Tag also, Gottes Wort, der Tag, der den Engeln leuchtet, der Tag, der jene Heimat erhellt, aus der wir ausgezogen in der Fremde umherirren, er hat sich ins Fleisch gehüllt und wurde aus Maria der Jungfrau geboren. Auf wunderbare Weise wurde er geboren. Gibt es (überhaupt) Wunderbareres als das Gebären einer Jungfrau? Sie empfing und bleibt Jungfrau; sie gebiert und bleibt Jungfrau. Er kam nämlich durch die ins Dasein, die er erschuf; er verlieh ihr die Fruchtbarkeit, ohne ihr die Unversehrtheit zu nehmen.
Woher stammt Maria? Aus Adam. Woher stammt Adam? Von der Erde. Wenn Adam von der Erde stammt und Maria von Adam, so ist auch Maria Erde. Ist Maria Erde, so lasst uns verstehen, was wir (Ps 84,12) singen: „Die Wahrheit ist der Erde entsprossen“. Welche Art von Wohltat brachte sie uns? „Die Wahrheit ist der Erde entsprossen, und die Gerechtigkeit blickt vom Himmel herab“.
Die Juden allerdings, so sagt der Apostel (Röm 10,3), „verkannten die Gerechtigkeit Gottes; indem sie ihre eigene zu errichten trachteten, stellten sie sich nicht unter die Gerechtigkeit Gottes“. Woher vermag der Mensch gerecht zu werden? Aus eigenem Vermögen? Welcher Habenichts vermag sich selber Brot zu geben? Welcher Nackte vermag sich zu bekleiden, ohne zuvor ein Kleidungsstück empfangen zu haben? So besaßen wir keine Gerechtigkeit, wir besaßen lediglich (unsere) Sünden.
Woher (also) die Gerechtigkeit? Gibt es (überhaupt) eine Gerechtigkeit ohne Glauben? „Der Gerechte“ nämlich „lebt aus dem Glauben“ (Röm 1,17). Wer (daher) behauptet, er sei ohne Glauben ein Gerechter, der lügt. Wie sollte (auch) einer nicht lügen, der keinen Glauben besitzt? Will einer Wahres verkünden, so wende er sich an die Wahrheit. Sie war jedoch lange (Zeit) abwesend. (Daher:) „Die Wahrheit ist der Erde entsprossen“. Du schliefst, sie kam zu dir; du schnarchtest, sie erweckte dich; einen Weg hat sie aus sich dir bereitet, um dich nicht zu verlieren. Weil also Wahrheit der Erde entspross, wurde unser Herr Jesus Christus aus der Jungfrau geboren, blickte Gerechtigkeit vom Himmel herab, damit die Menschen Gerechtigkeit erlangten, nicht die ihre, sondern die Gottes.
|43|3. Welche Auszeichnung! (Aber auch) welche Entrüstung ging ihr voraus! Diese Entrüstung, von welcher Art war sie? Wir waren sterblich, wurden von der Sündenlast erdrückt, trugen unsere Strafen. Jedermann beginnt sein Leben im Elend. Es braucht keine Wahrsager, (um dies zu gewahren): Befrage den Neugeborenen und siehe, wie er weinend auf die Welt kommt!
Weil demnach diese so große Unmut Gottes auf Erden lastete, wie kam es da zu einem solch plötzlichen Gnadenerweis? „Die Wahrheit ist der Erde entsprossen“. Der alles erschuf, erschien als Geschöpf unter Geschöpfen; er schuf den Tag und kam zum Tag. Er war vor den Zeiten und zeichnete (durch seine Menschwerdung) die Zeiten aus. Christus, der Herr, existiert in Ewigkeit ohne Anfang beim Vater: Und nun frage, was heute ist. Es ist Geburtstag. Wessen? Des Herrn. Hat er einen? Ja. Hätte (nämlich) jener keine menschliche Geburt gehabt, könnten wir nicht zur göttlichen Wiedergeburt gelangen. Geboren wurde er, damit wir wiedergeboren würden.
Niemand zweifle an seiner eigenen Wiedergeburt, da Christus geboren wurde. Er, der es nicht nötig hatte, wiedergeboren zu werden, wurde geboren. Wer war auf Wiedergeburt angewiesen, wenn nicht der, dessen Geburt verdammt war? Deshalb möge sein Erbarmen sich in unsere Herzen einnisten. Wie seine Mutter ihn in ihrem Schoß trug, so wollen wir ihn im Herzen tragen. Schwanger wurde die Jungfrau durch die Menschwerdung Christi, schwanger sollen unsere Herzen werden durch den Glauben an Christus. Jene gebar den Erlöser, uns lasst sein Lob gebären. Bleiben wir nicht unfruchtbar; unsere Seelen mögen Gott reiche Früchte tragen.
4. Christi Geburt vom Vater geschah ohne eine Mutter; Christi Geburt aus der Mutter geschah ohne einen Vater. Beide Geburten sind wunderbar. Die erste eine ewige, die zweite eine zeitliche.
Wann wurde er vom Vater geboren? Was heißt hier überhaupt ‚wann‘? Erkundigst du dich dort nach einem ‚wann‘, dort, wo du keine Zeit finden wirst? Frage daher dort nicht nach einem ‚wann‘. Hier magst du danach fragen: Wann aus der Mutter?, fragst du richtig. Wann aus dem Vater?, fragst du nicht richtig. Er wurde geboren und hat (doch) keine Zeit; der Ewige wurde vom Ewigen als Gleichewiger geboren. Wundert dich dies? Er ist (doch) Gott! Ziehe seine Gottheit in deine Betrachtung mit ein, und du wirst keinen Grund mehr haben, dich darüber zu wundern.
Wenn aber von seiner Geburt aus einer Jungfrau die Rede ist – eine große Sache –, so magst du dich darüber wundern. (Bedenke jedoch:) Er ist Gott! Lass deine Verwunderung fahren, gib Raum dem Lobpreis! Dein |44|Glaube ist gefragt: Glaube, dass es sich so verhält. Glaubst du nicht – dies geschah (dennoch) –, so bleibst du ein Ungläubiger. Er geruhte Mensch zu werden: Was suchst du weiter zu ergründen? Scheint es dir zu wenig, dass Gott sich für dich erniedrigt hat? Gott wurde Mensch. Eng war seine Herberge, in Windeln gehüllt, wurde er in eine Krippe gelegt. Ihr habt es vernommen, als das Evangelium verlesen wurde. Wen wundert dies nicht? Jener, der die Welt erfüllte, fand keinen Platz in der Herberge; in die Krippe gelegt, wurde er Futter für uns.
Es mögen die zwei Tiere an seine Krippe treten – die zwei Völker (Juden und Heiden): „Es kennt“ nämlich „der Ochs seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn“ (Jes 1,3). Achte auf die Krippe, und schäme dich nicht, ein Lasttier deines Herrn zu sein! Christus wirst du tragen, so wirst du nicht in die Irre gehen und vom Weg abkommen. Der Weg selbst (Christus) sitzt auf dir. Erinnert ihr euch an jenen jungen Esel, der dem Herrn zugeführt wurde? Niemand schäme sich darüber, dass wir damit gemeint sind. Möge der Herr auf uns sitzen und uns lenken, wohin immer er will. Wir sind sein Lasttier auf dem Weg nach Jerusalem. Sitzt er auf uns, so werden wir nicht erdrückt, sondern erhöht; führt er uns, so gehen wir nicht in die Irre. Wir gehen zu ihm, wir gehen durch ihn. (So) gehen wir nicht zugrunde.