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|7|Einleitung I.

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Von der Predigt wird noch etwas erwartet. Das zeigt sich auch daran, dass so schlecht über sie gesprochen wird. Selten ist es, dass jemand in der Öffentlichkeit, im Gespräch in größerer Runde preisgibt, eine gute Predigt gehört zu haben, letztens erst oder in einem besonderen Moment seines Lebens von einer Predigt angesprochen worden zu sein, von ihr eine neue Lebensrichtung oder zumindest einen neuen Blick auf das eigene Leben erhalten zu haben. Üblich ist es, wenn überhaupt, mit ironisch gekräuselten Lippen darüber zu sprechen – so als sei „der Prediger“ grundsätzlich eine lächerliche, wenn nicht verdächtige Person, so als sei „die Predigt“ ein längst untergegangenes Kulturgut, komisches Relikt einer verlorenen Zeit. So hält man sie sich auf Abstand, verhindert, dass man unter ihren Einfluss gerät: „Halt mir keine Predigt!“ Für diese Haltung, diese spöttisch-heitere, aber doch bestimmte Distanzwahrung gibt es viele gute Gründe. Der beste Grund sind die ungezählt vielen schlechten, dummen, dumm machenden, abgründigen oder langweiligen, übergriffigen, herrschsüchtigen Predigten der Vergangenheit und Gegenwart.

Doch wer genau zuhört und eine Neugier auf Zwischentöne und Hintergrundgeräusche besitzt, der kann in diesem allgemeinen Schlechtreden der Predigt zumindest manchmal ein leises Interesse heraushören. Bei einigen formuliert sich in der Kritik ein zartes Bewusstsein dafür, dass es in der Predigt doch tatsächlich um etwas gehen könnte, dass sie eine Chance – häufig nicht genutzt, zugegeben, aber dennoch – ist, etwas ansonsten Unerhörtes zu Gehör zu bringen. Bei ihnen kann man eine geheime Faszination, wenn auch geschickt unter der Maske der Ironie versteckt, für den in der Tat sehr seltsamen Beruf des Predigers entdecken. Manchmal fragen sie einen dann ganz direkt: „Schreibst du deine Predigten wirklich immer selbst? Wie lange brauchst du denn dafür? Wie kommst du auf deine Ideen? Wo schreibst du deine Predigten?“ In solchen kleinen Fragen äußert sich gelegentlich ein Staunen über diese große Aufgabe und darüber, dass ein ansonsten ganz normal erscheinender Mensch sich ihr stellt: allein und ungeschützt, vor einer nur zum Teil persönlich bekannten Menschengruppe über Gott, Welt und Seele zu sprechen, also darüber etwas öffentlich zu sagen, was auch dem eigenen Leben dadurch Grund und |8|Richtung geben könnte, dass es diese kleine, endliche und gefährdete Existenz unendlich über sich hinausführt. Dass man über Gott öffentlich reden kann, sehr erstaunlich ist das. Von der Predigt wird also auch heute durchaus noch etwas erwartet – gerade von denjenigen, die schon seit Längerem keine mehr gehört haben.

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