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3. Vorgeschichte biblischer Aufklärung

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Wenn man Aufklärung nicht als Begriff für eine bestimmte Epoche versteht, sondern ideengeschichtlich, dann hat Europa den biblischen Anstoß zu seiner Aufklärung und damit zur Selbstwerdung nicht aus seinen eigenen Grenzen heraus empfangen, sondern aus jenem religiösen und kulturellen Umfeld in seinem Osten, in dem die biblischen Schriften entstanden sind. In allen europäischen Sprachen verwenden die Ausdrücke für das Verständnis der Aufklärung als Epoche eine Lichtmetaphorik: Das Französische spricht vom „Siècle des Lumières“, das Englische vom „age of enlightenment“, das Italienische vom „Illuminismo“.6

Wenn wir die Schichten des späteren Monotheismus, der in der Bibel vor allem in der Exilszeit bei Deuterojesaja und im Buch Deuteronomium greifbar wird, archäologisch abheben, stoßen wir ebenfalls auf die Lichtmetaphorik. In der Armana-Zeit im 14. Jahrhundert vor Christus führt der Pharao Echnaton ein prä-monotheistisches System ein, das Anleihen am Sonnenkult nimmt. Der Gott Aton bleibt der einzige Gott Ägyptens und ist als Sonnenscheibe symbolisiert, mit der sich die Gottheit ihrer Schöpfung zuwendet; er entzieht sich aber sonst jeglicher gestalthaften Darstellbarkeit. Auch im persischen Zoroastrismus werden Gottesbilder abgelehnt; allerdings brennt in Tempeln ein Feuer, also ebenfalls eine Lichtquelle, die die Gottheit symbolisiert. Aus der sonstigen Bildlosigkeit entwickelt sich die Vorstellung eines transzendenten „Hohlraums“ (Kurt Rudolph)7, aus dem die verschiedenen Dualismen von Licht und Finsternis, Wahrheit und Lüge hervorgehen. Jenseits der verschiedenen wechselnden Lichter und Dunkelheiten gibt es ein Licht, dessen ungreifbare Existenz das Hervorgehen aller anderen sich widerstreitenden Dualismen garantiert.

Wenn der Seher in der Offenbarung in der schon zitierten Vision den Zwölf-Sterne-Kranz sieht, die Sonne als Kleid der Himmelskönigin und den Mond zu ihren Füßen, dann ist dabei vorausgesetzt, dass diese Himmelslichter keine Götter sind. Die Visionen schieben sich vor den eigentlichen Pantokrator, dessen Gestalt und Aussehen auf dem Thron nicht näher beschrieben, sondern nur mit dem Strahlen von Edelsteinen verglichen wird (Offb 4,3). „In deinem Licht schauen wir das Licht“ formuliert die Bibel dieses Aufklärungsprogramm in Psalm 36,10 und unterscheidet so im Wortspiel das wahrnehmbare Licht der Himmelskörper, das Gott erschafft und in seiner Existenz erhält, von dem Licht, das „sein Licht“ ist. In ihm entzieht er sich selbst menschlichem Erkennen; gleichwohl und zugleich ist es Bedingung, alles geschaffene Licht zu schauen. Der Johannesprolog spricht von dem gleichen unzugänglichen Licht Gottes, wenn er sagt, dass der Logos das Licht der Menschen sei (Joh 1,4). Die Licht-Metaphorik ist also in einer Archäologie des Monotheismus mit der Entdeckung der Einzigartigkeit und der Unvergleichlichkeit Gottes verbunden.

Von daher lässt sich die Begriffsbildung einer „biblischen Aufklärung“ gut begründen. Sie orientiert sich überdies am Gedanken einer vorsokratischen Aufklärung. Denn bereits die vorsokratische Aufklärung formuliert mit den Voraussetzungen ionischer Rationalität und Naturphilosophie eine frühe Religionskritik: „Doch wenn Ochsen oder Löwen Hände hätten oder vielmehr malen könnten mit ihren Händen und Kunstwerke herstellen wie die Menschen, dann würden Pferde pferdeähnlich, Ochsen ochsenähnlich der Götter Gestalten malen und solche Körper bilden, wie jeder selbst gestaltet ist. […] Die Äthiopier malen ihre Götter plattnasig und schwarz, die Thraker blauäugig und rötlich“.8 Die Worte des Xenophanes klingen wie eine Ouvertüre zur späteren Aufklärung, wenn er auch mit seiner Ablehnung der Gottesbilder zunächst weitgehend allein bleibt. Herodot bezeugt freilich, wie in Persien „Götterbilder, Tempel und Altäre“ abgelehnt werden, ganz im Unterschied zu den Hellenen, wo menschenähnliche Vorstellungen von Göttern üblich seien. Dabei wird Xenophanes keineswegs zum Atheisten: „Ein einziger Gott, unter Göttern und Menschen der größte, ist weder dem Körper noch der Einsicht nach in irgendeiner Weise den Sterblichen gleich.“9

Ganz ähnliche Texte,10 welche die Ahnung der Existenz eines höchsten Gottes und Bildkritik miteinander verbinden, finden sich in der Bibel. Die Bibel hat also keineswegs ein Monopol auf den Monotheismus; sie steht vielmehr innerhalb einer – wohl auch vielfach vernetzten – Entwicklung, innerhalb derer ein oberstes Prinzip außerhalb des Einfluss- und Erkenntnisbereiches des Menschen entdeckt wird. Dieses höchste Prinzip allen Seins ist in Distanz zu allem, was sich in der Reichweite menschlicher Erfahrung befindet. Daher wird auch seine Abbildbarkeit abgelehnt.

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