Читать книгу Festschrift für Jürgen Taeger - Группа авторов - Страница 63
I. Einführung
ОглавлениеDatengetriebene Geschäftsmodelle sind aus der heutigen digitalen Wirtschaft nicht mehr wegzudenken. Viele Produkte und Dienstleistungen werden entweder „gratis“ oder jedenfalls verbilligt abgegeben, wenn der Kunde bei Vertragsabschluss einwilligt, dass seine personenbezogenen Daten verarbeitet und z.T. weitergegeben werden. Die Bandbreite geht insoweit von der Gewährung von Gutscheinen als „Gegenleistung“ für die Zustimmung zum Newsletter-Versand bis hin zur „kostenlosen“ Erbringung von komplexen IT-Dienstleistungen (Internetsuche, Videostreaming, soziale Netzwerke) gegen umfassende Einwilligung der Nutzer in die Verarbeitung und Weitergabe ihrer Daten, die sie auf der jeweiligen Plattform oder auch auf anderen Webseiten in teilweise ganz anderen Zusammenhängen generieren.
Diese große praktische Bedeutung der datenschutzrechtlichen Einwilligung im vertraglichen Kontext spiegelt sich auch in der zunehmenden wissenschaftlichen Diskussion über die vertragsrechtliche Erfassung derartiger „Austauschverhältnisse“ wider.3 Auch der europäische Gesetzgeber hat die Thematik erkannt und in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der neuen Digitale Inhalte-Richtlinie4 ausgesprochen, dass Verträge, bei denen eine „Leistung gegen Daten“ erbracht wird, wie entgeltliche Verträge der Richtlinie unterfallen sollen.5 Freilich ist die schuldrechtliche Erfassung derartiger „Austauschverhältnisse“ durch eine solche europäische Norm nicht vorgegeben. Die Anwendbarkeit bestimmter Verbraucherschutzvorschriften sagt nichts über die grundsätzliche schuldrechtliche Einordnung derartiger Verträge aus, sodass ohnehin die gesamte Richtlinie – zu Recht – auf dogmatische Festlegungen hinsichtlich der erfassten Vertragstypen verzichtet.
Ebenso wenig hilfreich – aber wesentlich bedeutsamer – ist in diesem Zusammenhang die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die anerkanntermaßen vorrangig öffentlich-rechtlich konzipiert ist und somit die schuldrechtliche Behandlung datenbezogener Austauschverhältnisse nicht abschließend determinieren kann. Sie enthält aber gleichwohl einzelne Vorschriften mit vertraglichem Bezug, insbesondere die gesetzliche Verarbeitungsermächtigung in Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO sowie das sog. Koppelungsverbot in Art. 7 Abs. 4 DSGVO.6 Diese sind allerdings im Einzelnen durchaus unklar und haben sogar bereits Befürchtungen (oder Hoffnungen?) geweckt, datengetriebenen Geschäftsmodellen insgesamt im Wege zu stehen.7
Im Folgenden soll untersucht werden, wie derartige Verträge über den Austausch von „Daten gegen Leistung“ mit den Mitteln des Schuldrechts, insbesondere des Leistungsstörungsrechts, erfasst werden können. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, welche Rolle in diesem Zusammenhang der datenschutzrechtlichen Einwilligung selbst und ihrer freien Widerruflichkeit zukommt.