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3. Reputation als impliziter Bestandteil von Finanzkontrakten
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Reputation ist ein impliziter Bestandteil von unvollständigen Finanzkontrakten19 bei asymmetrischer Informationsverteilung. Eine Institution kann als Makler oder als Intermediär mit ihrer Reputation die gute Qualität der Finanzkontrakte signalisieren. Investmentbanken können bei einem Gang an die Börse (IPO, Initial Public Offering) durch ihre Reputation die Qualität der jungen Firmen signalisieren und durch die Preissetzung für die jungen Aktien die Risikoprämie angemessen berücksichtigen.20 Investmentbanken mit hoher Reputation können höhere Gebühren bei den IPOs durchsetzen. Daher sind sie in der Regal rentabler als andere Banken, solange sie ihre hohe Reputation behalten und durch Fehlsignale an die Kapitalgeber nicht verlieren. Ähnlich können Finanzintermediäre ihre Reputation aufbauen, um günstiger an die Einlagen von Kapitalgebern zu kommen und in einer Hausbankbeziehung ihren Informationsvorsprung gegenüber anderen Instituten auszubauen.21 Allerdings ist der Aufbau einer hohen Reputation nicht kostenlos und dauert in der Regel lange. Der Aufbau lohnt sich, solange eigene hohe Reputation einer Bank durch andere Banken nicht kostengünstig durch falsche Signale imitiert werden kann. Die Reputation kann, meist sehr schnell, durch Fehlsignale verloren werden. Dann vertrauen die Kapitalgeber und -nehmer den Informationen einer Institution nicht mehr. Als Beispiele seien Wirtschaftsprüfungsgesellschaften genannt, die die (früheren und aktuellen) Bilanzmanipulationen gar nicht oder erst spät aufgedeckt haben.
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An dieser Stelle mag der Einwand kommen, dass die Finanzkontrakte durch den ordnenden regulatorischen Rahmen im Finanz- und Bankensektor geschützt werden und daher das ordnungsgemäße Funktionieren von Finanzmärkten gewährleistet wird. Nach dieser Sichtweise müssten die Token-Ökonomie und der Kryptomarkt reguliert werden, um schlechte von guten Risiken trennen zu können. Dies ist aus zwei Gründen zumindest verkürzt.
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Erstens, das Funktionieren von Finanzmärkten und Banken sowie die Ausgabe von Zahlungsmitteln durch Banken ohne eine staatliche Regulierung hat historische Vorbilder, von denen hier nur auf die sog. Free-Banking-Era in den USA eingegangen wird. Während dieser Periode gab es keine Regulierung durch die US-amerikanischen Behörden, die Eintrittsbarrieren in den Bankenmarkt waren sehr niedrig und den Banken war es erlaubt, eigene Banknoten auszugeben, die als Zahlungsmittel akzeptiert waren.22 Einige heute noch angesehene Banken in New York sind in dieser Periode entstanden. In der früheren Literatur wurde diese Periode mit zahlreichen Wildcat-Banks mit betrügerischen Absichten als ein besonderer Grund angeführt, warum es einer Bankenregulierung bedarf. Die Wildcat-Banken zeichneten sich vor allem durch das Overissuing aus, indem sie Finanzpapiere mehrfach und für Anleger nicht sichtbar auf denselben Sicherungsbetrag an Geld oder an Gold bezogen. Dieses Problem wird aktuell im Zusammenhang mit dem Double-Spending in der Token-Ökonomie diskutiert. Aber mehrere finanztheoretische Modelle zeigen Wege auf, wie wenig regulierte Finanz- und Bankenmärkte stabil sind und es bleiben.23 Die neueren empirischen Erhebungen und Untersuchungen zeichnen ein deutlich differenzierteres Bild, nach dem das Problem von Wildcat-Banks existierte, aber nahezu alle Banken nach dem Ende der Free-Banking-Era in der Lage waren, ihren Kunden mindestens den nominalen Einzahlungsbetrag zu erstatten.24 Zusammenfassend lässt sich aus der historischen Episode nicht generell die Hypothese ablehnen, dass die Finanz- und Bankenmärkte ohne eine staatliche Regulierung stabil operieren, solange das Vertrauen der Kapitalnehmer und -geber in die Reputation der Banken vorhanden ist. Die empirischen Analysen haben sogar Hinweise hervorgebracht, nach denen erst sporadische Eingriffe der US-amerikanischen Bundesstaaten zu teilweise chaotischen Zuständen und erheblichen Reputationsverlusten in die Funktionsfähigkeit der Märkte und Banken geführt haben.
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Zweitens, regulatorische Eingriffe können Nutzen und Kosten stiften. Die Regulierung als solche ist aus ökonomischer Perspektive dann gerechtfertigt, wenn der Nutzen des Eingriffs mindestens den entstehenden Kosten entspricht. Der Nutzen der Regulierung ist vor allem dann gegeben, wenn Marktversagen durch erhebliche Informationsasymmetrien, externe Effekte und/oder durch Marktmacht vorliegt. Ferner ist bei der Nutzenanalyse auch wichtig zu prüfen, ob der regulatorische Eingriff die intendierte Wirkung überhaupt erzielt. Als Beispiel eines regulatorischen Eingriffs seien die Zugangsbeschränkungen durch die BaFin in Deutschland genannt. Denn erst eine Zulassung durch die BaFin erlaubt das Betreiben von Bankgeschäften oder den Vertrieb bestimmter Finanzprodukte. Ähnliche Regelungen bestehen auch bei dem Verkauf von Aktien während des Börsengangs im Hinblick auf die Prospekthaftung. Diese Zulassungen prüfen, ob bestimmte Qualifikationen (z.B. akademische Ausbildung, Zertifizierung und/oder Berufserfahrung) vorliegen und/oder Mindeststandards eingehalten werden. Durch die Zugangsbeschränkung wird Nutzen gestiftet, wenn die Kapitalgeber oder -nehmer die Qualifikation der Personen, der Institutionen oder der Produkte nicht oder nur unter exorbitant hohen Kosten herausfinden können. Denn ein Mindestmaß an Qualifikation im Umgang mit dem Risiko ist hilfreich bei der Auswahl risikobehafteter Anlagen. Ein Problem kann entstehen, wenn die Kapitalgeber und -nehmer die bloße Zulassung als ein Zeichen der Qualität interpretieren. Opportunistisch handelnde Akteure können mit der Zulassung durch die BaFin, beispielsweise für ihre Produkte, werben, obwohl die Zulassung in keiner Beziehung zur Qualität, zur Rendite oder zum Risiko des Produktes steht. Folglich imitieren diese Akteure die hohe Qualität von angesehenen Banken durch die staatliche Regulierung, weil einige Kapitalgeber und -nehmer die Signale falsch interpretieren. Ähnliches lässt sich für die Zulassung von Ratings von Ratingagenturen zur Beurteilung von Kreditausfallrisiken beobachten. Nach der herrschenden Regulierung sind sie grundsätzlich zur Berechnung der Eigenmittelunterlegung von Banken zugelassen. Aus der Zulassung leitet sich allerdings kein Signal über die Qualität des Ratings ab. In den Regulierungsvorschriften sind sogar die internen Bankmodelle ökonomisch begünstigt, weil mit ihnen die Risikogewichtung, und somit die Kosten für die Banken, geringer als nach den Ratings der Agenturen ausfallen kann. Viele private (und gerade in Deutschland öffentlich-institutionelle) Anleger haben während der Finanzkrise schlechte Erfahrungen mit der Qualität von Ratingagenturen, bedingt durch erhebliche Verluste, gemacht. Die Kosten der Regulierung können auch eine geringere Wettbewerbsintensität und steigende Kosten für die Erfüllung der Regulierungsanforderungen sein, die auf alle anderen Kunden umgelegt werden.
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Die ökonomische Theorie der Regulierung stark verkürzt zusammenfassend lässt sich als Befund festhalten, dass die Regulierung das Funktionieren der Märkte erleichtern kann, sie aber keineswegs die Reputation (im Sinne guter Qualität) von Finanzmarktteilnehmern ersetzt.
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Der Reputationsverlust der Finanzinstitutionen und auch der Regulierungsbehörden wird als ein Grund für das Entstehen der Blockchains und Kryptowährungen wie Bitcoin genannt. Das Bitcoin-White-Paper startet mit der Beschreibung des Vertrauensverlustes in die Finanzinstitutionen: „Commerce on the Internet has come to rely almost exclusively on financial institutions serving as trusted third parties to process electronic payments. [...] it [...] suffers from the inherent weaknesses of the trust based model.“ Und weiter auf der ersten Seite: „What is needed is an electronic payment system based on cryptographic proof instead of trust [...].“25 Der motivierende Gedanke bei der Entstehung der Blockchain und des Bitcoins war der Glaube, den Reputationsverlust von Finanzinstituten während der Finanz- und Bankenkrise im Jahr 2008 durch einen Reputationsaufbau mithilfe kryptografischer Verfahren und eines globalen Peerto-Peer-Netzwerkes zu begegnen. Aus Sicht der ökonomischen Theorie handelt es sich dabei um ein Delegationsproblem, bei dem die Nutzer des Netzes (z.B. des Zahlungsverkehrs) ihre Aufgabe der Überwachung an eine dritte Partei übergeben, wobei die Aufgabe nicht mehr einer zentralen Institution, sondern der Mehrheit der Netzwerkteilnehmer zufällt. Allerdings wird hier auch auf die Reputation der Programmierer vertraut, die die Blockchains verwalten und durchaus zum Schaden der Anleger handeln könnten.26 Die Funktionsweise von Blockchains und ihre Einordnung werden im nächsten Abschnitt erläutert.