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V. Der aktuelle Kryptomarkt 1. Prozess der Notierung an einer Handelsplattform

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Der Kryptowährungsmarkt ist ein relativ junger Markt, der nach dem White Paper von Nakamoto im Jahr 2008 entstand. Seit dem Jahr 2013 begann eine dynamische Entwicklung. Im Juni 2020 gab es rund 5600 verschiedene Kryptowährungen,103 wobei die Anzahl je nach der Quelle variiert. Während manche Handelsplattformen ex post ihre Datenbank bereinigen, sobald eine Kryptowährung plattform-spezifische Kriterien nicht erfüllt, verbleiben dieselben Kryptowährung an anderen Handelsplattformen trotz eines minimalen Handelsvolumens. Die Gesamtmarktkapitalisierung aller Kryptowährungen beträgt aktuell 257 Mrd. US-Dollar.104 Im Vergleich zu anderen Anlageformen ist der Betrag als gering einzustufen. SAP SE, als größter Vertreter im Deutschen Aktienmarktindex DAX, hat eine Marktkapitalisierung von 150 Mrd. US-Dollar.105 Die mit Abstand bedeutendste Kryptowährung ist Bitcoin mit einem wertmäßigen Anteil von rund 65 % am Kryptowährungsmarkt, gefolgt von Ethereum mit 9,0 %, Tether mit 3,5 %, Ripple mit 3,1 % und Bitcoin Cash mit 1,5 %.106

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Digitales Geld stellt kein neues Phänomen dar. Erste wissenschaftliche Abhandlungen gehen in die 1980er Jahre107 zurück und bereits seit Anfang des Jahrtausends existiert das sog. E-Geld, das monetäre Werte in Form von Forderungen gegenüber dem Emittenten digital speichert.108 Die eigentliche Neuheit an den Kryptowährungen und Token ist die Validierung und Dokumentation der Geschäftsvorfälle durch ein Open-Source-Konzept ohne zentrale Autorität.109 Für die nachfolgende Analysen ist zu beachten, dass, wie bereits in Abschnitt IV (Rn. 39ff.) herausgearbeitet, Kryptowährungen zwar den Namen tragen, aber zum überwiegenden Teil keine Pendants zu klassischen Zentralbankwährungen sind. Vielmehr stellt die Mehrheit der Kryptowährungen Utility Token dar, die dem Inhaber lediglich Anspruchs- oder Zugriffsrechte auf Dienstleistungen oder Netzwerke geben. Folglich gibt in der finanzwirtschaftlichen Forschung Einordnungsschwierigkeiten dieser neuartigen Produkte. Allmählich setzt es sich durch, Kryptowährungen als alleinstehende, neue Anlageklasse (auch: Assetklasse) anzusehen. Eine eigenständige Anlageklasse wird allgemein als eine Produktgruppe definiert, die

 – keine Überschneidung mit anderen Anlageklassen bietet,

 – genügend Variation innerhalb der Gruppe aufweist und

 – eine geringe Korrelation zu anderen Assetklassen (bzw. deren Renditen) aufweist.110

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Die Entwicklung des Kryptowährungsmarktes in US-Dollar ist in Abbildung 2 dargestellt. Insbesondere im Jahr 2017 erfuhr dieser einen starken, fast exponenziellen Anstieg der globalen Marktkapitalisierung. Der ungewöhnlich hohe Preisanstieg ging mit einer extensiven Berichterstattung einher, durch die viele Anleger auf die neue Anlageform aufmerksam wurden. Nach dem starken Preisanstieg folgte ein starker Rückgang zu Beginn des Jahres 2018. Die hohe Nachfrage wurde häufig durch exorbitante Gewinnversprechen generiert, wobei viele Investoren das eingegangene Risiko vernachlässigten. Gerade bei Privatanlegern herrschte eine gewisse Unkenntnis der Funktionsweise dieses neu etablierten Marktes, der keiner Regulierung unterworfen war und auf dem zum Teil mit falschen Angaben in den White Papers der Verkauf von Token beworben wurde. Dies begünstigte Betrugsfälle, die dem Kryptowährungsmarkt geschadet und bis heute negativ belastet haben.


Abb. 2: Gesamtmarktkapitalisierung und Bitcoin Marktkapitalisierung (Daten: www.coingecko.com).

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Die Mehrzahl neuer Kryptowährungen vor dem Jahr 2019 entstanden durch Initial Coin Offerings (ICOs). Dabei handelt es sich um eine projektbezogene Kapitalbeschaffung durch Ausgabe von Token. Basierend auf den Smart Contracts werden Token an Investoren mittels Bieterverfahren verkauft. Smart Contracts sind dabei Computerprotokolle, die Transaktionen zwischen dem Kryptoprojekt und den Investoren automatisieren.111 Die Struktur und der Prozess eines ICO ähnelt den klassischen Börsengängen auf den Aktienmärkten. Es wird allerdings durchgängig auf jeglichen Intermediär verzichtet. Daher sind im Prozess weder Anwälte, Wirtschaftsprüfer noch Banken beteiligt. Der Charme für Start-ups und zugleich die große Gefahr für die Anleger liegt damit in einem unregulierten und unbeaufsichtigten Prozess der Kapitalbeschaffung. Ob die schnelle Verbreitung von ICOs und ihr Erfolg durch die fehlende Regulierung oder durch andere Faktoren determiniert wird, ist Gegenstand der aktuellen Forschung.

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Aktuell gibt es 5725 ICO-Projekte mit einem erzielten Gesamtfinanzierungsvolumen von 27 Mrd. US-$.112 Von den angekündigten ICOs waren letztlich lediglich 32,6 % erfolgreich. Die restlichen Projekte, die durch die ICOs finanziert wurden, existieren nicht mehr. Die mittlere (mediane) Kapitalbeschaffung zwischen 2015 und 2018 liegt bei 15,1 (5,8) Mio. US-Dollar, wobei knapp 40 % des Gesamtfinanzierungsvolumens von lediglich 20 ICOs eingenommen wurden. Wurden im November 2018 insgesamt durch ICOs noch rund 400 Mio. US-Dollar an Risikokapital eingesammelt, waren es ein Jahr später lediglich 50 Mio. US-Dollar. Die durchschnittliche (mediane) Zeit vom Projektstart bis zum ICO lag bei 598 (312) Tagen und weiteren 93 (42) Tagen bis zur Notierung auf einer Kryptowährungsbörse.113 Die Anzahl der ICO-Projekte ist im Zeitablauf gefallen und beläuft sich aktuell monatlich im einstelligen Bereich. Zum Jahresende 2019 gab es insgesamt 5711 angekündigte oder durchgeführte Projekte. Bis zum Juni 2020 kamen lediglich 14 Projekte hinzu. Der überwiegende Anteil der ICOs (87 %) wurde über die Ethereum-Plattform (ERC-20) aufgesetzt.114 Nach den aktuellen Zahlen spielt die Kapitalbeschaffung mittels ICOs keine bedeutende Rolle mehr.

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Eine Alternative zu den ICOs stellen sog. Initial Exchange Offerings (IEOs) dar. Hierbei werden ebenfalls meist Utility Token115 aufgesetzt. Im Prozess von IEOs werden Projekte von einer Handelsplattform begleitet und betreut. Durch die Begleitung erhofft sich die Branche einen Qualitätszuwachs und Rückgewinnung von Vertrauen, das, wie im Abschnitt II (Rn. 16ff.) erläutert, impliziter Bestandteil von Finanzkontrakten ist. Die Quantität der IEOs ist durch das Verfahren bedingt begrenzt. Aktuell sind rund 300 Projekte angekündigt.116 Ein grundlegendes Problem ist auch hier die rechtliche Unsicherheit, die auch im Abschnitt IV (Rn. 45ff.) thematisiert wird. Die amerikanische Finanzaufsichtsbehörde (SEC) veröffentlichte im Januar 2020 ein Schreiben, das vor Investitionen in IEOs warnt. Speziell geht es um die Frage, ob IEOs unter die Regularien der Finanzaufsichtsbehörde fallen. Sollten IEOs, vereinzelt oder als Ganzes, als Wertpapiere (Security) eingestuft werden, so hätte der IEO von einer registrierten Börse (Security Exchange) stattfinden müssen. Die geforderten regulatorischen Anforderungen erfüllen die Handelsplattformen für Kryptowährungen aktuell nicht.117 Für den Kryptowährungsmarkt wird es wichtig sein, einen Weg aus der rechtlichen Unsicherheit ohne die Aufgabe eigener Prinzipien der Dezentralität zu finden. Auch kann hier insbesondere auf die in Abschnitt II (Rn. 4ff.) angesprochenen theoretischen Prinzipien der Finanzierungstheorie verwiesen werden. Eine Qualitätssicherung könnte mit IEOs Einzug erhalten, wenn die beteiligten Institutionen Signalling von Qualität gewähren können. Damit wäre jedoch eine Annäherung an die traditionelle Maklerfunktion von Finanzinstituten mit der Gefahr einer Zentralisierung verbunden.

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