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II. Finanzierungstheorie und Token-Ökonomie 1. Funktionen von Märkten

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Ein Markt ist allgemein eine formelle oder informelle Einrichtung, in der sich freiwillig Käufer3 und Verkäufer bestimmter Produkte (Güter oder Dienstleistungen) physisch oder virtuell treffen, um ökonomische Transaktionen mittels des Handels durchzuführen. Ein Finanzmarkt ist ein spezieller Markt, auf dem Finanztitel (auch: Finanzkontrakte, Finanzverträge) gehandelt werden. In der einfachsten Abstraktion stehen sich auf dem Finanzmarkt Kapitalgeber (z.B. private Haushalte, Institutionen) und Kapitalnehmer (z.B. Unternehmen) gegenüber. Kapitalgeber und Kapitalnehmer agieren nach ihren spezifischen Plänen und entscheiden nach eigenen Zielvorstellungen und Optimierungskalkülen. Die eigentliche Transaktion der Kapitalüberlassung kann direkt über den Finanzmarkt erfolgen und/oder durch eine Institution begleitet werden, wobei ihr Grad der Beteiligung in der Transaktion variieren kann.

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Der Finanzmarkt als ein Ort der Transaktion von Finanzkontrakten übernimmt Koordinations- und Allokationsfunktion. Die Koordinationsfunktion erleichtert durch formelle oder informelle Einrichtungen den Kapitalaustausch zwischen den Marktteilnehmern.4 Die Allokationsfunktion sorgt für den mengenmäßigen Ausgleich zwischen dem Angebot und der Nachfrage, wobei der Ausgleich durch den sich bildenden Preis determiniert wird. Der Preis der Einheit eines Gutes gibt Auskunft über seine Knappheit. Die freiwillige Selbstkontrolle sowie die regulatorischen Eingriffe des Staates können zu einer Auswahlfunktion der Märkte führen. Durch die Auswahlfunktion werden Zugangsbeschränkungen aufgebaut, weil dann an einem Markt nur zugelassene Marktteilnehmer handeln dürfen.

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Ein Finanzmarkt übernimmt auch die Losgrößentransformation, die Fristentransformation und die Kreditrisikotransformation.5 Durch die Losgrößentransformation wird eine mengenmäßige Anpassung der Kapitalbeträge zwischen Kapitalgebern, die in der Regel kleinere Beträge an einen Kapitalnehmer vergeben wollen, und Kapitalnehmern, die in der Regel höhere Summen für Investitionsprojekte benötigen, geschaffen. Durch Stückelung der Kapitalsumme können sich Kapitalgeber bereits mit sehr kleinen Geldbeträgen an der Finanzierung beteiligen. Ein liquider Markt mit der Möglichkeit des jederzeitigen und schnellen Handelns ohne hohe Such- und Transaktionskosten erleichtert die Fristentransformation. Kapitalnehmer, die lange Fristen der Kapitalüberlassung präferieren, können Finanztitel (z.B. Aktien, Anleihen) mit langen Laufzeiten ausgeben. Kapitalgeber können durch den jederzeitigen Verkauf und Kauf ihre Präferenzen bzgl. der Länge der Kapitalüberlassung realisieren. Ein liquider Markt ist ebenfalls eine Grundvoraussetzung für die Risikotransformation. Dabei kann jeder Kapitalgeber ein Portfolio aus unterschiedlichen Finanztitel bilden, das seine persönliche Risikopräferenz widerspiegelt. Die spezifische Funktionsweise der Finanzierung mit Token, ihre Nutzung, ihre Funktionsweise sowie ihr Handel an den Kryptobörsen werden in den nachfolgenden Abschnitten näher beschrieben. Im Kern handelt es sich um eine Finanzierung von riskanten Projekten in ihren frühen Phasen. Daher erfüllen die Krypto- und die Token-Märkte ebenfalls die hier beschriebenen Marktmechanismen und übernehmen ebenfalls die zuvor besprochenen Funktionen, ohne die sich ein Finanzmarkt nicht ausbilden würde.

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Der Preis für die Finanzkontrakte spielt eine zentrale Rolle für den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage.6 Dieser Preis wird im Regelfall durch einen Zins ausgedrückt, der in der Ökonomie das Wachstum des Kapitals beschreibt und als Rendite bezeichnet wird. Die Rendite kann Prämien beinhalten, die üblicherweise in Zeit-, Kredit- und/oder Risikoprämie unterteilt werden.7 Die Zeitprämie ist eine „Geduldsprämie“, die den risikolosen Transfer des Konsums von heute in die Zukunft anzeigt. Die Kreditprämie berücksichtigt als Entlohnung die Möglichkeiten der Insolvenz des Kapitalnehmers. Die Risikoprämie beinhaltet die Entlohnung für die risikoaversen Kapitalgeber, damit sie sich an einem unsicheren Geschäft beteiligen. Das wesentliche Merkmal der Kredit- und der Risikoprämie ist die Berücksichtigung von Ausfall- und Marktpreisänderungsrisiko. Beim Ausfallrisiko handelt es sich um ein einseitiges Risiko, da für den Kapitalgeber nur negative Szenarien (z.B. Zahlungsausfall, Insolvenzen) eintreten können. Ein Kredit trägt typischerweise nur das Ausfallrisiko und der Kapitalgeber erhält höchstens die versprochene nominale Zinszahlung. Das Marktpreisänderungsrisiko ist zweiseitig, weil für den Kapitalgeber sowohl negative als auch positive Szenarien möglich sind. Beteiligungen am Eigenkapital des Unternehmens können beispielsweise in höheren (niedrigeren) Gewinnbeteiligungen oder in höheren (niedrigeren) Marktwerten enden. Das Marktpreisänderungsrisiko wird insbesondere durch die Schwankungen der Renditen (und der Preise) gemessen.

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Die Kryptowährungen und die Ausgabe von Token eignen sich nicht zur typischen lehrbuchmäßigen Systematisierung von Finanzierung in Fremd- und Beteiligungsfinanzierung.8 Eine Theorie der Token-Finanzierung existiert zwar noch nicht, aber ihre Merkmale sind sehr ähnlich zum Crowdfunding. Crowdfunding beinhaltet einen öffentlichen Aufruf, zumeist über das Internet, zur Bereitstellung von Finanzmitteln als Spenden oder im Austausch gegen ein noch zu erstellendes Produkt bzw. eine zu erstellende Dienstleistung oder gegen eine andere Form der Belohnung zur Unterstützung von Crowdprojekten für bestimmte Zwecke.9 Aufgrund der Restriktionen zahlreicher Jurisdiktionen können Crowdprojekte keinen Aufruf zur Beteiligungen am Eigenkapital oder am Fremdkapital starten, weil dazu spezielle vertragliche Ausgestaltungen notwendig wären.10 Die Kapitalgeber beim Crowdfunding können als Entlohnungskomponente neben dem Produkt auch eine Gewinnbeteiligung („Profit-Sharing“) erhalten.

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Typischerweise gibt es beim Crowdfunding, ähnlich zu den Kryptowährungen, nur eine Idee und noch kein fertiges Produkt. Folglich kommt zu den Ausfall- und Preisänderungsrisiken die Unsicherheit über die Qualität des Projektes. Bei einer asymmetrischen Informationsverteilung, bei der der Kapitalnehmer entweder die Qualität des Produktes zeitlich vor den Kapitalgebern erfährt, aber nicht beeinflussen kann (Hidden Information) oder durch seine Aktionen die Produktqualität beeinflussen kann (Hidden Action), entstehen sog. Agency-Kosten, die die Finanzierung des Projekts gefährden.11 In einer vereinfachenden Betrachtung werden bei Qualitätsunsicherheit gemäß der Prinzipal-Agenten-Theorie Projekte hoher Qualität nur dann von rationalen Agenten finanziert, wenn eine Gewinnbeteiligung (als Signal) und glaubhafte Pläne angeboten werden. Projekte niedriger Qualität können bei asymmetrischer Information und Qualitätsunsicherheit durch Einräumung von Kaufwahlrechten vor dem öffentlichen Verkaufsstart (sog. Vor-Kaufrechte) und einen hohen Preisnachlass finanziert werden. Projekte mittlerer Qualität werden folglich gar nicht von rationalen Agenten finanziert. Auf ähnliche Art und Weise lässt sich die Finanzierung durch Token und Kryptowährungen beschreiben. Der sog. Initial-Return, der die Rendite am ersten Handelstag eines Tokens misst, ist sehr hoch und beträgt im Durchschnitt ca. 80 %.12 Folglich haben die frühen Investoren einen Preisnachlass von ca. 80 % auf den Projektwert erhalten.

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