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III. Ausdifferenzierungen entlang Rechtsprechung und Rechtsetzung

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Impulse durch überstaatliche Rechtsprechung und -setzung

Die Zeit der Anverwandlung der deutschen Verwaltungsrechtswissenschaft an „Europa“ seit Mitte der 1980er Jahre wird durch Impulse aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs angetrieben und auch thematisch strukturiert. Ausgangspunkt dieses – bis in die Gegenwart hineinreichenden – Stroms an Rechtsereignissen ist die vielbeachtete Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Deutsche Milchkontor aus dem Jahr 1983. Eine Verordnung, die die Pflicht zur Rücknahme von Verwaltungsakten regelt, lässt das Rücknahmeermessen der deutschen Behörde aus § 48 VwVfG entfallen.[259] Verstärkt durch die erste Entscheidung in der Rechtssache Alcan entwickelt sich eine umfassende Debatte über den Vertrauensschutz im Verwaltungsverfahren, die bis in die zweite Hälfte der 1990er Jahre anhält.[260] Im Jahr 1990 wird[261] durch die Rechtssachen Francovich und Bonifaci eine Debatte über die Staatshaftung ausgelöst, die mehr als ein Jahrzehnt den Weiterungen der EuGH-Rechtsprechung folgt.[262] Die Debatten laufen nun weitgehend parallel, weil weitere Entscheidungen in kurzer Folge getroffen werden, 1991 zum vorläufigen Rechtsschutz gegen den Gemeinschaftsrechtsvollzug[263] und zur gemeinschaftsrechtswidrigen Richtlinienumsetzung durch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften.[264] Neben dem Sachverwaltungsrecht und dem Verfahrens- und Prozessrecht ist verstärkt seit den 1990er Jahren auch die insgesamt „wenig beachtete Materie“[265] des Verwaltungsorganisationsrechts in die Debatte einbezogen. Ein starker Impuls für die Europäisierung geht – neben der Rechtsprechung des Gerichtshofs – von der Sekundärrechtsetzung der Gemeinschaften aus. Mit dem Umweltrecht entsteht nun ein Referenzgebiet,[266] das in den ersten Jahrzehnten fehlte oder sich unter den gegebenen akademischen Bedingungen nicht ausbilden konnte.[267] Der völkerrechtliche Einfluss auf das deutsche Verwaltungsrecht ist gegenständlich am besten an der Aarhus-Konvention[268] aus dem Jahr 1998 festzumachen. Die Verwaltungsrechtswissenschaft macht die von seinerzeit 35 europäischen Staaten und der EU geschlossene Konvention zum Forschungsgegenstand und braucht ihr umweltrechtliches Referenzgebiet dazu nur auszudehnen, wird nun allerdings auch wieder stärker mit Beiträgen aus der Völkerrechtswissenschaft konfrontiert. Schließlich ist die Rolle des Europarates zu erwähnen, der über Empfehlungen seines Ministerkomitees u. a. soft law über gute Verwaltung geschaffen hat, die auch in der Rechtsprechung des EGMR über die Auslegung und Anwendung der Verfahrensrechte (Art. 6 EMRK) in Form von verfahrensrechtlichen Mindeststandards in völkerrechtliche Pflichten übersetzt werden.[269]

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