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G. Kirchliche Verwaltung
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Konsistorien
Für die katholische Kirche bedeutete der Wechsel der Staatsform wenig Veränderung.[271] Sie konnte auf eine seit Jahrhunderten bewährte klerikale Bürokratie zurückgreifen und profitierte von der neuen politischen Situation, auch über die Zentrumspartei. Die evangelischen Kirchen, seit der Reformation ohne Unterbrechung vom landesherrlichen Kirchenregiment geprägt, fanden sich in einer für sie neuen Situation ohne selbstverständliche christliche „Obrigkeit“. Zwar hatte es seit dem 19. Jahrhundert Bestrebungen gegeben, kirchliche und staatliche Verwaltung zu trennen, insbesondere die Konsistorien zu verselbstständigen und den Oberkirchenrat von der Staatsverwaltung zu lösen;[272] jetzt waren die evangelischen Kirchen durch Fortfall der Landesherren als summus episcopus auf sich allein gestellt. Dass von säkularen Politikern versucht wurde, über staatliche Aufsichtsrechte in die Kirchen zu wirken, stärkte Verselbstständigungstendenzen.[273] Letzte Reste patronatsähnliche Kirchenverwaltungen jenseits der Landeskirchen, die „Fürstlich Stolbergschen Konsistorien“ in Wernigerode und die Kreishauptmannschaft Bautzen für die sächsische Oberlausitz, wurden aufgehoben, gemeinsame Einrichtungen etwa in der Lehrerbildung fielen ganz in kirchliche Hand, darunter die württembergischen Seminare.[274]
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„Jahrhundert der Kirche“
Es fehlte nicht an evangelischen Stimmen, die den neuen Zustand als Chance begrüßten und sich ein Ende der dem Staat nachgebildeten Kirchenverwaltung wünschten. Führend war der konservative Berliner Pfarrer Otto Dibelius, dessen 1927 erschienenes Buch „Das Jahrhundert der Kirche“ zahlreiche Leser fand. Darin forderte er eine neue Form kirchlicher Verwaltung: „Die vom Staat übernommene bureaukratische Verwaltungsform, all diese Ratstitel, diese Scheidung der Beamtenklassen, dieses System von Erlassen und Verordnungen in dem unpersönlichen und unlebendigen Stil der staatlichen Kanzleien – das alles muß und wird einmal einem wirklich kirchlichen Gepräge weichen.“[275] Als „Körperschaften des öffentlichen Rechts“ waren die Kirchen ausdrücklich bestätigt worden, auch Dibelius betonte die öffentliche Aufgabe der Kirchen zum „Dienst an Volk und Staat.“