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C. Verwaltungsrecht der frühen Bundesrepublik (1949–1969)
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Von 1949 zur VwGO
Die Entwicklung des Verwaltungsrechts der frühen Bundesrepublik als Ergebnis einer überaus fruchtbaren „Kooperation“ zwischen Rechtsprechung und Verwaltungsrechtswissenschaft ist oft nachgezeichnet und analysiert worden. Hierauf kann verwiesen werden.[194] Bereits erwähnt wurde die zunehmende Rechtsschutzzentrierung[195] aber auch die zunehmende „Subjektivierung“ des Verwaltungsrechts,[196] die bis heute das deutsche Verwaltungsrecht prägt. Erwähnt wurde ebenfalls die Errichtung des BVerwG 1953 als prägender Faktor für eine „Unitarisierung“ des Verwaltungsrechts.[197] Insgesamt hatte die Verwaltungsrechtswissenschaft der 1950er und 1960er einen außerordentlich praxisnahen und zugleich „rechtsschöpferischen“ Charakter,[198] weshalb die Rechtsprechung die von ihr entwickelten Lösungen dankbar annahm[199] oder sie sich zumindest hiermit umfassend auseinandersetzte, um den eigenen Ansatz zu schärfen. Das umgekehrte Interesse der Verwaltungsrechtswissenschaft an der Rechtsprechung und an ihrer kritischen Begleitung wird an den noch heute wichtigen Rechtsprechungsberichten von Otto Bachof in der JZ[200] und von Christian-Friedrich Menger im Verwaltungsarchiv[201] deutlich. Das Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsordnung 1960 verstärkte diese Verknüpfung zwischen Wissenschaft und Praxis. Die VwGO war das erste „kommentierbare“ Bundesgesetz mit erheblichen Rückwirkungen für das Allgemeine Verwaltungsrecht, was insbesondere die Untersuchungen zu ihren Kernbestimmungen (§ 40, § 42, §§ 68 bis 80, § 113, § 114 VwGO) zeigten. Hiermit wurde aber auch erstmals der Schritt von der die frühe Bundesrepublik prägenden „rechtsschöpferischen“ dogmatisch-wissenschaftlichen Befassung mit dem Verwaltungsrecht hin zu einer eher die Rechtsprechung nachvollziehenden und systematisierenden Verwaltungswissenschaft getan. Diese wurde insbesondere seit dem Inkrafttreten des VwVfG typisch.[202]
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Kriegsopferversorgungs- und Lastenausgleichsrecht
Heute kaum noch im Bewusstsein ist dagegen die prägende Wirkung des Kriegsopferversorgungs-[203] und Lastenausgleichsrechts[204] für das Verwaltungsrecht der frühen Bundesrepublik: Es ging um die massenhafte Überprüfung individueller Einzelschicksale anhand komplexer, sich ständig ändernder Regelungen, die schon sehr früh die Notwendigkeit klarer verwaltungsverfahrensrechtlicher Standards verlangten. Das Gesetz über die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden vom 21.4.1952[205] und das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung vom 2.5.1955[206] enthielten insoweit umfassende Regelungen, die auch für das VwVfG prägend waren.[207] Von Bedeutung war das Kriegsfolgenrecht aber auch aufgrund des insoweit vorgesehenen Zusammenspiels zwischen Bundesfinanzierung und Landesverwaltung: Zahlreiche Probleme der Vollzugsverflechtung zwischen Bund und Ländern, die bis heute eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen, wurden hier erstmals sichtbar (vgl. Art. 120a GG) und diskutiert.[208]
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Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes
Prägend für die weitere Verwaltungsrechtsentwicklung war aber vor allem auch das Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes (BBauG) vom 23.6.1960.[209] Das BBauG schob gegenüber dem Landes-Baupolizeirecht nunmehr die Bauleitplanung in den Vordergrund, erzwang mit §§ 14 ff. und §§ 29 ff. BBauG aber auch eine gewisse Vereinheitlichung und Strukturierung der nach wie vor landesrechtlich geregelten Baugenehmigungsverfahren. Damit trat in den 1960er Jahren mit dem (1986 zum BauGB umgewandelten[210]) BBauG auch das letzte „große Referenzgebiet“[211] des besonderen Verwaltungsrechts (neben den „klassischen“ Referenzgebieten Polizei- und Ordnungsrecht, Kommunalrecht und [damals noch] Beamtenrecht und Straßenrecht) auf den Plan.[212] In dem vielfach nur als „BVerwGE 34, 301“ zitierten Urteil des BVerwG vom 12.12.1969[213] erfolgte dann die Aufwertung des unscheinbaren Satzes im § 1 Abs. 4 S. 2 BBauG, dass bei der Bauleitplanung „die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen“ sind, zum Angelpunkt der Abwägungsdogmatik. In dieser Entscheidung findet die gesamte spätere Entwicklung zum Planungsermessen, Abwägungsgebot und zur Abwägungsfehlerlehre und damit letztlich auch die Entwicklung des Bau- und Fachplanungsrechts als eigenes Rechtsgebiet seinen Ursprung.[214] Im Lichte dieser Entscheidung kann das Inkrafttreten des BBauG damit auch als Ausgangspunkt der Entwicklung des „Plans“ zu einer eigenständigen Handlungsform verstanden werden.[215] Damit stehen „BVerwGE 34, 301“ und die Ergänzung des BBauG durch das Städtebauförderungsgesetz vom 27.7.1971[216] für den Übergang zur nächsten Epoche der Entwicklung des Verwaltungsrechts in der Bundesrepublik.[217]