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1. Kriegszustand und Ermächtigungsgesetz 1914

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Unterschiedliche Strukturen

Mit der Mobilmachung 1914 trat in Preußen und allen Bundesstaaten außer Bayern der Belagerungszustand neben und über die Reichsverfassung, denn der Verfassungsauftrag (RV, Art. 68) zu einem Kriegszustandsgesetz war nicht erfüllt worden. Nach dem preußischen Gesetz über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851 ging die vollziehende Gewalt in die Hände der Militärbefehlshaber über, die über alle (!) zivilen Stellen traten, selbst die Ministerien. Die Stellvertretenden Kommandierenden Generäle (die Generalkommandos standen im Felde) konnten für ihre Bezirke alle Rechtsvorschriften außer Kraft setzen. Ihre militärischen Bezirke deckten sich aber nicht mit der administrativen Landkarte, und jeder von ihnen entschied unkoordiniert für sich. Im Ruhrgebiet gaben die Militärbefehlshaber pragmatisch ihre Vollmacht an die zivile Seite weiter, an die Regierungspräsidenten in Münster und Arnsberg (Westfalen) und in Düsseldorf und Köln (Rheinprovinz). Deren Beauftragte legten dann bei regelmäßigen Treffen im zentralen Dortmunder Hauptbahnhof einheitliche Lebensmittelrationen für die Schwerarbeiter in der Montanindustrie fest. Moderner und rechtsstaatlicher war das bayerische Gesetz über den Kriegszustand von 1912, das dem Justiz- und nicht dem Kriegsministerium die Ausführungsbestimmungen zuwies. Vor allem aber hatten die bayerischen Militärbefehlshaber keinen Einfluss auf die Staatsregierung und ihre Ministerien; im Gegenteil, sie wurden durch Richtlinien des Kriegsministeriums einheitlich gesteuert.[95]

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Wirtschaftliche Ermächtigungsgesetze 1914

Der Reichstag ermächtigte am 4. August 1914 ohne Begründung und ohne Diskussion den Bundesrat, das Organ der verbündeten Regierungen, also der Exekutive, in Wirtschaftsfragen gesetzesgleiche Verordnungen aller Art zu erlassen,[96] womit er sich selbst entmachtete. Der Bundesrat übertrug seine Gesetzgebungsvollmacht auf seinen Vorsitzenden, den Reichskanzler, und der wieder auf die ihm unterstellten wirtschaftsleitenden Behörden. Damit war der Grundstein gelegt für eine administrative Lenkung der Kriegswirtschaft, in die in der Rohstoffbewirtschaftung auch starke planwirtschaftliche Elemente einflossen. Am selben Tag enthob der Reichstag auch die Reichsbank von ihrer Pflicht zur Einlösung ihrer Noten in Gold und ermöglichte so, in Erwartung der Deckung durch die besiegten Kriegsgegner, die unbegrenzte Verschuldung durch unbegrenzte Geldschöpfung, die unmittelbar in die Nachkriegsinflation führte.[97]

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