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III.Der Rechtsstaatsbegriff der Rechtsstaatsförderung

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Maßnahmen der Rechtsstaatsförderung sollen das Partnerland dabei unterstützen, seine Rechtsstaatlichkeit zu verbessern. Sie können entweder bei den Governance-Strukturen des Partnerlands ansetzen, etwa bei der Gesetzgebungsberatung oder der Schulung von Justizpersonal. Oder sie können sich auf gesellschaftliche Faktoren beziehen, die funktionale Bedingungen von Rechtsstaatlichkeit sind, wenn etwa – wie in einem von der GIZ durchgeführten Projekt – die Alphabetisierung von Polizist:innen gefördert wird, um zu einer besseren Gesetzesbindung der Polizei beizutragen (s. Anlage, Abb. 2), oder wenn das Wissen über bestimmte Rechte und ihre gerichtliche Durchsetzung innerhalb der Bevölkerung verbreitet wird (§ 13 G.), oder wenn Barrieren beseitig werden, die den Zugang zu den Gerichten aus geografischen, sprachlichen oder finanziellen Gründen erschweren.16

Ob es sich bei einer außen- und entwicklungspolitischen Maßnahme um Rechtsstaatsförderung handelt, richtet sich in erster Linie nach dem mit ihr verfolgten Ziel, d. h. ob sie die Rechtsstaatlichkeit des Regierens im Partnerland fördern soll. Doch was heißt Rechtsstaatlichkeit des Regierens im Partnerland genau und was heißt es in Fällen, in denen die staatlichen Institutionen des Empfängerlands erhebliche Defizite aufweisen und die kulturell geprägten normativen Vorverständnisse teilweise nur schwer an ein westlich geprägtes Verständnis von Staat und Recht anschlussfähig sind? Welches Verständnis von Rechtsstaatlichkeit liegt der Rechtsstaatsförderung zugrunde?

Zum einen lässt sich für die hier betrachtete politische Praxis sagen, dass ihr ein Begriff von Rechtsstaatsförderung zugrunde liegt, der vor allem der Begründung und Abgrenzung von Zuständigkeiten und der Finanzierung aus entsprechend gewidmeten Haushaltsmitteln dient und dabei nicht wesentlich auf die verfassungsrechtlichen und rechtsphilosphischen Literaturdebatten über Rechtsstaatlichkeit und Rule of Law Bezug nimmt. Relevant ist beispielsweise, ob Rechtsstaatsförderung in einem fragilen Kontext zur Stabilisierung erfolgt (dann Zuständigkeit des AA) oder ob sie der Fortentwicklung des Rechtssystems in einem Partnerland mit gefestigten staatlichen Strukturen dient (dann BMZ oder BMJV), wobei sich stets Überschneidungen ergeben. Ob die Unterstützung von Anti-Korruptions-Maßnahmen als Rechtsstaatsförderung erfolgt oder anders benannt wird, bestimmt sich nach den politischen Präferenzen der handelnden Akteure. Dasselbe gilt, wenn etwa bei einem Entwicklungsprojekt im Bereich Rohstoff-Governance auch Gesetzgebungsberatung erfolgt.

Die Rechtsstaatsförderung lässt sich freilich nicht gänzlich von einem präskriptiven Verständnis von Rechtsstaatlichkeit ablösen. Mit ihr verbunden bleibt stets eine bestimmte Vorstellung vom Staat und der Richtigkeit des Regierens, die im Rahmen einer wertgebundenen auswärtigen Politik vermittelt wird und bestimmten Voraussetzungen unterliegt.

In ihrer Strategie zur Rechtsstaatsförderung hat die Bundesregierung ein weites Verständnis von Rechtsstaatlichkeit zugrunde gelegt, das auch die deutsche Rechts- und Verfassungstradition präge und das gleichsam das Ziel deutscher Bemühungen sei: es umfasse „die Begrenzung und Bindung staatlicher Herrschaftsgewalt im Interesse der Sicherung individueller Freiheit und materieller Gerechtigkeit, insbesondere durch die Anerkennung der Grundrechte, der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und des effektiven Individualrechtsschutzes durch unabhängige Gerichte“.17 Rechtsstaatlichkeit wird hier als ein Prinzip des Regierens18 verstanden, das vor allem die Bindung der Herrschaftsgewalt an das Recht und die Kontrolle dieser Bindung durch unabhängige Organe betont, und das über das Verhältnis der Einzelnen gegenüber der Herrschaft bzw. dem Staat hinaus das „Rechtsprinzip“19 auch auf das Verhältnis der Menschen untereinander überträgt.

Ein solchermaßen offener Begriff von Rechtsstaatlichkeit bewahrt politische Flexibilität und ermöglicht ein breites Spektrum an Maßnahmen sowie die Berücksichtigung der Perspektive des Partnerlands oder der Forschung, auch hinsichtlich eines vom deutschen abweichenden Rechts- und Staatsverständnisses. So lässt sich bspw. auch ein Customary Law durch Verschriftlichung rechtsstaatlich fortentwickeln20, oder können Ausbildungsformate für Qadis an Schari’a-Gerichten entworfen werden.21

Als Beitrag zur Rechtsstaatsförderung scheidet dagegen alles aus, was normative Standards unterläuft und damit Un-Recht hervorbringt oder fördert. Dadurch wird vermieden, dass unter dem Deckmantel der Kontextsensibilität Strukturen und Praktiken legitimiert werden, die Menschenrechte verletzen und bspw. nur minderwertigen Rechtsschutz für Arme („poor justice for the poor“22) bereitstellen. Die Wirkungen und Nebenwirkungen einzelner Maßnahmen sind deshalb im Voraus möglichst genau zu bestimmen und an Vorgaben des Verfassungsrechts und insbesondere der Menschenrechte zu messen. Zu bedenken ist dabei auch, inwieweit es vielleicht gerade mit Mitteln der Rechtsstaatsförderung gelingen kann, bei einer bislang menschenrechtsverletzend agierenden Institution des Partnerlands mittel- oder langfristig eine aus der Gebersicht erwünschte Veränderung zu bewirken. Für die Förderungswürdigkeit entscheidend ist danach nicht so sehr die Bewertung ex ante, sondern die prognostizierte Entwicklungsperspektive.

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