Читать книгу Kleine Geschichte des schlechten Benehmens in der Kirche - Guido Fuchs - Страница 11
Geordnetes Betreten
Оглавление„Was ist da katechetisch falsch gelaufen?“, fragte der Pfarrer in seiner oben zitierten E-Mail. Tatsächlich wurde früher auch dem Betreten des Gotteshauses besondere Aufmerksamkeit gewidmet, vor allem in der katechetischen Unterweisung von Kindern. In einer Schulzeitschrift von 1874 heißt es: „Wie Alles, was zum Dienste Gottes gehört, groß ist, und es Nichts dabei gibt, was keiner besonderen Beachtung verdiente, so auch das ganze Benehmen der Kinder, nachdem sie in die hl. Räume des Gotteshauses eingetreten sind. Es soll mit allem Eifer und Nachdrucke darauf gesehen und hingearbeitet werden, daß die Kinder von der dem Hause Gottes gebührenden Ehrfurcht durchdrungen werden. Daß sie dieses sind, soll schon ihr Eintreten in die Kirche wie ihr Hinausgehen, ihr ganzes Benehmen und ihre Haltung während des Gottesdienstes beurkunden.“
Hinweis in der Kirche St. Peter und Paul, Würzburg
Das Betreten und Verlassen der Kirche erscheint so als ein problematischer Vorgang, der bei Kindern und Jugendlichen eines besonderen Augenmerks bedarf – das Verhalten der Schüler während des Gottesdienstes aber nicht weniger, wie an anderer Stelle ausführlicher dargestellt wird (Kapitel 14).
Für kirchlich nicht sozialisierte Besucher sind – wie oben dargestellt – äußerliche Dinge maßgeblich, wie etwa das Abnehmen der Kopfbekleidung (bei Männern) oder die entsprechende Bekleidung, wie sie auch auf Piktogramm-Hinweisen dargestellt werden. Da Kirchen inzwischen auf viele Menschen den Eindruck eines musealen Raumes machen, ändert sich auch das Verhalten beim Betreten und Verweilen in ihnen. Das hat den Schriftsteller Alois Brandstetter auf einen – wohl nicht ganz ernst gemeinten – Gedanken gebracht:
Es gibt viele religiöse und auch praktische Gründe für gutes Benehmen in der Kirche! Das gälte meiner Ansicht nach nicht nur für das Kirchenbesuchen, sondern auch für das Kirchebesichtigen. Ich würde, wäre ich Rektor einer wertvollen Kirche, von den Besuchern weniger Eintrittsgeld verlangen, als vielmehr eine Aufnahme- oder Einlaßprüfung. Wer die Kirche betritt, müßte etwa bei einem Ostiarier die Kenntnis jener fünf Gebete der Christenheit, die im Weißenburger Katechismus aus dem 9. Jahrhundert zusammengefaßt sind, nachweisen. Ob einer nun das Athanasianische, das Apostolische oder das Niceno-Constantinopolitanische Credo oder Symbolum aufsagen oder beten möchte, würde ich dahingestellt sein lassen. Aber so ganz ohne Anstrengung sollte man ein Gotteshaus nicht betreten dürfen. (Alois Brandstetter, Schönschreiben, 1997)