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Kommunionempfang
ОглавлениеNatürlich ist der Kommunionempfang selbst ein Geschehen, das höchste Andacht und ein entsprechendes Verhalten verlangt. Doch Beispiele deplatzierten Verhaltens und unwürdigen Benehmens sind zahlreich; oftmals zeigen sie, dass manchen Kommunikanten der Sinn dieses Geschehens gar nicht bewusst ist. Sei es, dass das „Amen“ als Antwort auf die zu den Worten „Der Leib Christi“ gezeigte Hostie entfällt oder durch ein „Danke!“ ersetzt wird, sei es, dass manche(r) mit der auf die Hand empfangenen Hostie bei der Kelchkommunion im Kelch mit dem Blut Christi „paddelt“ und ein paar Spritzer auf die Erde gibt (wie selbst erlebt) oder die Hostie erst beim Zurückgehen in den Mund schiebt (oder sogar in die Hosentasche, was auch bisweilen vorkommt). Manche stellen sich vielleicht auch zur Kommunion an, weil es eben dazugehört. Und statt des Glaubensbekenntnisses „Der Leib Christi“ – „Amen“ kann man unter Umständen ganz andere Dialoge hören:
In unserer Gemeinde ging der Kantor, während die Band spielte, zum Pfarrer zur Kommunion. Der überreichte ihm die Hostie mit den Worten: „Hast Du nichts zu tun?“ Der Kantor deutete daraufhin zur Empore und antwortete: „Hörst Du doch.“ (M. P. – 22. 8. 2019)
Es gibt auch selten eine vorherige Vermahnung, wie die Kommunion richtig und würdig vor sich geht; ja, wie man zur Kommunion geht: Ich selbst erinnere mich noch daran, wie ich als Kind in den 1960er-Jahren erstaunt-erschrocken war, als manche mit übereinandergelegten Armen zur Kommunion gingen, anstatt mit gefalteten Händen; das erschien mir als fast provokant (als Jugendlicher habe ich es dann selbst so gehalten …). Freilich lässt die äußere Haltung nicht immer einen Schluss auf die innere Einstellung zu, manchmal aber schon.
Nach dem Empfang schlendert manch einer, die Arme schlenkernd, betont kauend auf seinen Platz zurück. Wie soll man angemessenes Benehmen beibringen, wenn es nicht „mitgebracht“ wird? (B. W. – 6. 5. 2016)
Vor allem betrifft das auch den Umgang mit der Hostie selbst. Eine immer wieder zitierte Begebenheit skizziert diesen Umgang, aber auch die Sprachlosigkeit der Gemeinde: „Im Innsbrucker Bahnhofsviertel feiert eine Gruppe von KatholikInnen Gottesdienst. Die Eucharistie hat längst begonnen, als eine deutlich als Prostituierte erkennbare Frau den Gottesdienstraum betritt. Sie scheint leicht alkoholisiert zu sein und ruft laut in den Raum hinein: ‚Bekomme ich da auch etwas?‘ Offenbar meint sie mit etwas das eucharistische Brot. Der Priester, welcher der Eucharistie vorsteht, ist im Moment sprachlos, sagt aber nach einigem Zögern: ‚Ja schon‘, sichtlich in der geheimen Hoffnung, dass die Frau noch vor der Kommunion die Feier wieder verlassen wird. Sie bleibt aber, nimmt das eucharistische Brot, bricht die Hostie in zwei Teile, konsumiert einen Teil, steckt den anderen in die Hosentasche und verlässt den Gottesdienstraum. Nachforschungen ergeben, dass sie mit der geteilten Hostie geradewegs zum Bahnhof ging, wo eine Schwester der Bahnhofsmission, die ihr öfters geholfen hatte, ihren Dienst versah. Sie brachte ihr die geteilte Hostie mit den Worten: ‚Schau, was ich dir mitgebracht habe. Du isst ›das‹ doch so gerne!‘“ (Michael Johannes Schindler, Gott auf der Straße, 2016).
Man kann den Eindruck gewinnen, dass unwürdiges und gedankenloses Verhalten bei der Kommunion vor allem bei der Handkommunion zu beobachten ist. Das hat seine eigentliche Ursache aber im Unverständnis und vielleicht auch in der Unkenntnis hinsichtlich der Bedeutung der Kommunion. Es fehlt womöglich bei manchen Menschen das Bewusstsein, dass es um Gott in (nicht nur) dieser Situation geht; für manche bleibt das alles auf einer zwischenmenschlichen Ebene. In einem „Kirchen-Knigge“ heißt es zum Stichwort „Oblate“: „Brotstücke, die beim Abendmahl die Gegenwart Gottes vergegenwärtigen sollen. Auch hier gilt: Wenn Sie Hemmungen haben, das Gebäck in den Mund zu nehmen, lassen Sie es.“
Wenn „Gott“ nicht vorkommt, kann auch nicht verstanden werden, dass man es in der Hl. Kommunion so direkt mit Gott zu tun hat; dann ist das eben ein „Keks“, den der Pfarrer da vorne verteilt. Warum soll dann der Onkel eines Erstkommunikanten mit seinem Kleinkind auf dem Arm dem nicht auch einen solchen da vorne abholen? Dann ist es nach dem Erstkommuniongottesdienst eine naheliegende Frage des jüngeren Bruders „Wie schmeckt das?“ mit der wirklichkeitsgetreuen Antwort „wie alte Pommes frites“. Dann kann man beim Kommuniongang noch mit dem Hintermann Blödsinn machen, bis man direkt vor dem Austeilenden steht (und das nicht nur Kinder, „die es halt nicht besser wissen“!). (H. N. – 18. 6. 2016)
Dem Nicht-besser-Wissen kann und muss man abhelfen; vielleicht geht man auch zu selbstverständlich davon aus, dass alle Gottesdienstteilnehmer wissen, was die Kommunion ist und wie man kommuniziert. Dem ist aber nicht so. Es ist daher wichtig und eine wesentliche Aufgabe der Seelsorger, die Gläubigen regelmäßig auf diese Bedeutung als Vereinigung mit Christus und Gemeinschaft untereinander hinzuweisen und sie zu einem ehrfürchtigen Kommunionempfang anzuleiten. Wie notwendig dies heute ist, wird gerade auch in der Kommunionkatechese deutlich, wo Kinder bisweilen von „Jesuscracker“ oder der „Fresspappe“ sprechen …
Hinweise zum Kommunizieren und zum rechten Benehmen bei der Kommunion gab es früher auch im Zusammenhang der Beichtunterweisung wie etwa in einem Büchlein von 1802: „Was hat man beym Empfange der heiligen Kommunion zu thun?“ Da wurde das rechte Gehen nach vorn ebenso angesprochen wie das Verhalten beim Kommunizieren selbst: Man „öffnet sittsam den Mund, legt die Zunge auf die untere Lefze, und genießt die heilige Hostie ohne zu käuen, zu beißen, oder lange im Munde zu behalten“. Sollte die Hostie am Gaumen kleben, „soll man sie mit der Zunge ablösen und genießen, ohne die Finger zu gebrauchen“. Ebenso ehrerbietig, wie man hinzugetreten ist, kehre man zum Platz zurück und spreche dort sein Gebet im Knien. In den Gottesdiensten im byzantinischen Ritus im Benediktinerkloster Niederaltaich wurde vor der Kommunion eine Unterweisung zum Kommunizieren auf die ungewohnte Weise mit Löffel gegeben; selbst die Haltung wurde angesprochen und unter Umständen beim Kommuniongang noch korrigiert.
Die Ehrfurcht vor dem Sakramentalen und Heiligen ist vor allem dort in Gefahr, wo der Gottesdienst aus dem noch relativ geschützten Umfeld der Kirche heraustritt in die Öffentlichkeit und den Alltag: bei eucharistischen Prozessionen oder bei Versehgängen, auch bei der Krankenkommunion im Mehrbettzimmer einer Klinik. Diese Diskrepanz ist heute besonders am Fronleichnamsfest spürbar, zumal in einer Gesellschaft, die nicht mehr durchgängig kirchlich sozialisiert, ja teilweise sogar antikirchlich eingestellt ist.
Dass bei den „Zuschauern“ die Ehrfurcht vor dem Sakrament nicht immer gegeben war und deren Verhalten auch früher schon Anlass zum Klagen gab, wird aus vielen Dokumenten und Beschreibungen deutlich, wie ich es in meinem Buch „Fronleichnam. Ein Fest in Bewegung“ (2006) dargestellt habe, weshalb hier nicht näher darauf eingegangen werden soll.