Читать книгу Kleine Geschichte des schlechten Benehmens in der Kirche - Guido Fuchs - Страница 14
Sich schämen – und sich bessern
ОглавлениеUm die Pünktlichkeit und den gemeinschaftlichen Beginn zu gewährleisten, griff man mancherorts zu drastischen Maßnahmen. So wurden nach Beginn des Gottesdienstes die Türen verschlossen, um Zuspätkommende zu kontrollieren und auch vorzeitiges Gehen zu verhindern. Wie schon eingangs dieses Kapitels beschrieben, war es dem Diakon vorbehalten, Einlass zu gewähren, wie es in der Kirchenordnung „Testamentum Domini“ aus dem 5. Jahrhundert beschrieben ist: „Wenn jemand zum Morgenlob oder zur Eucharistiefeier zu spät kommt, so muss er draußen bleiben, wer immer er sei, und der Diakon darf ihn nicht eintreten lassen […], damit das Zuspätkommen die nicht störe, die beten wollen. Wenn der Spätankömmling die Tür verschlossen findet, soll er aus den genannten Gründen nicht an sie klopfen. Wenn der erste Teil des Morgenlobes vorüber ist, kann der Zuspätgekommene – Mann oder Frau – eintreten, und der Diakon wird bei der Darbringung oder beim Morgenlob so sprechen: ‚Für den Bruder, der zu spät gekommen ist, bitten wir, dass Gott ihm Eifer und Ernst gebe, dass er ihn von allen Banden dieser Welt befreie und guten Willen gebe, mit Liebe und Hoffnung‘“ (Test. Dom. I, 36, 2–3).
Ganz ähnlich findet man diese Einstellung gegenüber den Säumigen auch in der Regel des heiligen Benedikt; wer zu spät zum Gottesdienst kommt, wird vor den Mitbrüdern herausgestellt, um sich zu schämen und zu bessern: „Kommt einer zu den Vigilien erst nach dem ‚Ehre sei dem Vater‘ des Psalmes 94 […], darf er nicht an seinem Platz im Chor stehen. Vielmehr stehe er als Letzter von allen oder auf dem Platz, den der Abt für so Nachlässige abseits bestimmt hat, damit sie von ihm und von allen gesehen werden. Dort bleibe er, bis er am Schluss des Gottesdienstes öffentlich Buße getan hat. Wir lassen die unpünktlichen Brüder bewusst auf dem letzten Platz oder abseits stehen, damit sie von allen gesehen werden, sich schämen und deshalb sich bessern“ (RBen. 43). – Das sind Maßnahmen, die heute in einem Gemeindegottesdienst nicht möglich wären. Wer so herausgestellt würde, käme wohl in Zukunft gar nicht mehr.