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III.

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Das Kind war nun schon acht Mo­na­te alt; sie hät­te es nicht wie­der­er­kannt. Es war ganz ro­sig, voll und rund, wie ein klei­ner le­ben­di­ger Fett­klum­pen ge­wor­den. Sei­ne Fin­ger­chen, die un­ter klei­nen Fett­wuls­ten ver­schwan­den, be­weg­ten sich lei­se mit ei­nem sicht­ba­ren Aus­druck von Be­ha­gen. Sie warf sich dar­auf wie ein Gei­er auf die Beu­te und küss­te es so hef­tig, dass es vor Furcht zu wei­nen be­gann. Aber auch ih­ren Au­gen ent­ström­ten Trä­nen der Ei­fer­sucht, als sie sah, dass es sie nicht wie­der­er­kann­te, da­ge­gen sei­ne Ärm­chen der Zieh­mut­ter ent­ge­gen­streck­te, so­bald es die­sel­be be­merk­te.

Am nächs­ten Tage aber hat­te es sich schon an ihr Ge­sicht ge­wöhnt und lach­te, wenn es sie sah. Sie trug es ins Freie hin­aus, rann­te wie när­risch mit ihm her­um, es vor­sich­tig wie ein Spiel­zeug in den Hän­den hal­tend und setz­te sich schliess­lich mit ihm un­ter den Schat­ten der Bäu­me. Dann öff­ne­te sie zum ers­ten Mal in ih­rem Le­ben ihr Herz die­sem klei­nen Wes­sen, das ja frei­lich noch nichts von all’ ih­rem Leid, ih­ren Sor­gen, ih­ren Hoff­nun­gen und ih­ren Ar­bei­ten ver­stand. Aber es tat ihr doch so wohl, so un­end­lich wohl, zu ihm zu spre­chen, und sie er­drück­te es fast un­ter der stür­mi­schen Ge­walt ih­rer Küs­se.


Sie freu­te sich selbst wie ein Kind, es auf den Ar­men zu wie­gen, es zu wa­schen und an­zu­zie­hen, ja selbst sei­ne klei­nen Schmut­ze­rei­en zu rei­ni­gen, als wenn die­se Be­schäf­ti­gung ihr erst das rech­te Be­wusst­sein der Mut­ter­schaft ge­ge­ben hät­ten. Im­mer und im­mer wie­der muss­te sie es an­schau­en, ob es ihr denn auch wirk­lich ge­hö­re, und dann schau­kel­te sie es auf den Ar­men und flüs­ter­te zärt­lich: »Mein Klein­od! mein süs­ses Klein­od!«

Auf dem Rück­we­ge zum Pacht­ho­fe wein­te sie die gan­ze Zeit. Kaum war sie an­ge­kom­men, als der Päch­ter sie auch schon zu sich ins Zim­mer rief. Sehr er­staunt und ei­gen­tüm­lich be­wegt, ohne recht zu wis­sen warum, folg­te sie dem Rufe.

»Setz Dich«, sag­te er.

Sie setz­te sich und so sas­sen sie ei­ni­ge Au­gen­bli­cke ne­ben­ein­an­der, bei­de sehr ver­le­gen, mit ver­schränk­ten Ar­men und ohne sich an­zu­se­hen, wie es eben Land­leu­te zu ma­chen pfle­gen.

Der Päch­ter, ein star­ker Mann in den Vier­zi­gern, zwei­mal be­reits Wit­wer, gut­mü­tig und ei­gen­sin­nig zu­gleich, zeig­te dies­mal eine Ver­le­gen­heit, die man sonst bei ihm nicht ge­wohnt war. End­lich raff­te er sich auf und be­gann zu spre­chen, ohne sie an­zu­se­hen, wäh­rend sei­ne Stim­me zit­ter­te und er sein Ge­sicht zum Fens­ter hin­aus dem Fel­de zu­wand­te:

»Rosa«, sag­te er, »hast Du nie­mals dar­an ge­dacht, Dir ein Heim zu schaf­fen?«

Sie wur­de bleich wie der Tod; es war ihr un­mög­lich zu ant­wor­ten.

»Du bist ein wa­cke­res Mäd­chen«, fuhr er fort. »Eine Frau wie Du könn­te einen Mann glück­lich ma­chen.«

Sie reg­te sich noch im­mer nicht; ihre Au­gen wa­ren starr. Sie such­te nicht ein­mal den Sinn sei­ner Wor­te rich­tig zu ver­ste­hen; so sehr ver­wirr­ten sich ihre Ge­dan­ken wie beim Ein­bruch ei­ner großen Ge­fahr. Er war­te­te noch einen Au­gen­blick, dann be­gann er aufs neue:

»Ein Hof ohne Her­rin, weißt Du, das geht auf die Dau­er nicht, selbst mit ei­nem Mäd­chen wie Du.«

Mehr wuss­te er für den Au­gen­blick nicht zu sa­gen und schwieg da­her. Rosa starr­te ihn so ver­blüfft an, wie je­mand, der einen Mör­der vor sich sieht, und be­reit ist, bei der ers­ten Be­we­gung des­sel­ben die Flucht zu er­grei­fen.

Nach fünf Mi­nu­ten end­lich frag­te er:

»Na, sag mal! Passt es Dir also?«

»Was, Herr?« sag­te sie mit blö­der Mie­ne.

»Nun, mich zu hei­ra­ten, Mäd­chen!« brach er end­lich los.

Sie rich­te­te sich plötz­lich auf, dann sank sie aber wie ge­bro­chen auf ih­ren Stuhl zu­rück, auf dem sie re­gungs­los sit­zen blieb, wie je­mand, den ein schwe­res Un­glück be­trof­fen hat. Der Päch­ter wur­de schliess­lich un­ge­dul­dig.

»Nun so lass doch hö­ren, was fehlt Dir denn ei­gent­lich?« Sie be­trach­te­te ihn wie geis­tes­ab­we­send; dann tra­ten ihr plötz­lich die Trä­nen in die Au­gen und laut schluch­zend rief sie:

»Ich kann nicht. Ich kann nicht!«

»Wa­rum denn nicht?« frag­te Je­ner. »Vor­wärts, sei nicht kin­disch; ich gebe Dir bis mor­gen Be­denk­zeit.«

Und er ging ei­lig hin­aus, über­aus froh, dass er die­se hei­kle An­ge­le­gen­heit für heu­te hin­ter sich hat­te. Er zwei­fel­te nicht, dass mor­gen sei­ne Magd einen Vor­schlag an­neh­men wür­de, der ihr heu­te et­was un­er­war­tet kom­men muss­te; für ihn selbst konn­te sich ja nichts Bes­se­res fin­den, als die­ser Aus­weg, für im­mer ein We­sen an sich zu fes­seln, das ihm si­cher­lich zehn­mal mehr Vor­tei­le brach­te, als die bes­te Mit­gift weit und breit.

Das Be­den­ken ei­ner Miss­hei­rat konn­te für sie bei­de nicht exis­tie­ren; denn auf dem Lan­de sind alle un­ter­ein­an­der mehr oder we­ni­ger gleich. Der Herr ar­bei­tet wie sein Knecht, wel­cher nicht sel­ten sei­ner­seits auch ’mal Herr wird; und was die Mäg­de an­be­trifft, so ver­wan­deln sich die­se je­den Au­gen­blick in Haus­frau­en, ohne dass in ih­rem Le­ben und ih­ren Ge­wohn­hei­ten des­halb eine große Ver­än­de­rung ein­tritt.

Rose ging in je­ner Nacht nicht zu Bett. Sie sass auf dem­sel­ben und hat­te nicht ’mal mehr die Kraft zu wei­nen; so fas­sungs­los war sie. Re­gungs­los sass sie da; sie fühl­te ihre Glie­der kaum, und ihre Ge­dan­ken wa­ren ent­schwun­den, als hät­te sie ihr je­mand mit ei­nem je­ner In­stru­men­te her­aus­ge­schnit­ten, de­ren sich die Woll­käm­mer be­die­nen, um die Wol­le der Ma­trat­zen aus­zu­zup­fen.

Hin und wie­der nur sam­mel­te sie müh­sam einen Rest von Nach­den­ken und such­te sich aus­zu­ma­len, was nun wer­den soll­te.

Ihre Be­sorg­nis wuchs im­mer mehr, und je­des Mal, wenn durch die tie­fe Stil­le der Nacht die große Kü­chen­uhr lang­sam den Ver­lauf ei­ner Stun­de an­kün­dig­te, brach ihr der Angst­schweiß aus. Im­mer trüber wur­de ihr Ver­stand, im­mer hef­ti­ger der Druck auf ih­rem Kop­fe, ihr Licht war aus­ge­brannt; zu­letzt fing sie rich­tig an zu fie­bern. Sie ver­fiel in eine Art leich­ten Fan­ta­sie­rens, wie man es ge­ra­de auf dem Lan­de bei Leu­ten fin­det, die sich von ei­nem schwe­ren Schick­sals­schla­ge be­droht füh­len. Ein wahn­sin­ni­ges Ver­lan­gen, dem­sel­ben zu ent­ge­hen, ab­zu­rei­sen, ge­wis­ser­mas­sen vor dem dro­hen­den Un­heil zu flüch­ten, wie das Schiff vor dem Or­kan, wur­de in ih­rem Her­zen rege.

Vor ih­rem Fens­ter klag­te ein Käuz­chen; zit­ternd fuhr sie in die Höhe, strich sich mit den Hän­den übers Ge­sicht, griff an ihre Haa­re und be­tas­te­te sich wie eine När­rin am gan­zen Kör­per. Dann stieg sie mit den Be­we­gun­gen ei­ner Nacht­wand­le­rin die Trep­pe her­un­ter. Als sie auf dem Hofe an­kam, kroch sie in ge­bück­ter Hal­tung wei­ter, um nicht etwa durch einen Knecht, der von ei­ner Nacht­schwär­me­rei viel­leicht heim­kehr­te, über­rascht zu wer­den; denn der Mond schi­en hell auf alle Ge­gen­stän­de. Statt das Tor zu öff­nen, kroch sie über die Bö­schung, und erst, als sie sich im frei­en Fel­de be­fand, wag­te sie auf­recht wei­ter zu ge­hen. Sie ging ge­ra­de­aus mit vor­ge­beug­tem Kopf und flüch­ti­gem Schritt, und stiess un­will­kür­lich von Zeit zu Zeit einen durch­drin­gen­den Schrei aus. Ihr Schat­ten fiel in rie­si­gen Um­ris­sen auf den Bo­den und ver­folg­te sie wie ein Ge­s­penst; zu­wei­len flog ein er­schreck­ter Nacht­vo­gel auf und flat­ter­te mit mat­tem Flü­gel­schla­ge über ih­rem Haup­te. Die Hof­hun­de bell­ten, wenn sie ih­ren Schritt ver­nah­men. Ei­ner sprang her­aus und folg­te ihr bis­sig nach; aber sie wand­te sich mit ei­nem sol­chen Ge­heul zu ihm her­um, dass er mit ein­ge­klemm­ten Schweif da­von rann­te, in sei­ne Hüt­te kroch und sich lei­se wim­mernd aus­streck­te.

Auf ei­nem Fel­de spiel­te ein gan­zes Ru­del Ha­sen; als aber die flüch­ti­ge Wan­de­rin gleich ei­ner ra­sen­den Dia­na da­her­kam, sto­ben sie schleu­nigst aus­ein­an­der. Die Jun­gen duck­ten sich mit der Al­ten in eine Fur­che, wäh­rend der alte Ramm­ler fast nach je­dem Sprun­ge ein Männ­chen mach­te und si­chernd sei­ne großen Löf­fel spitz­te. Das Licht des un­ter­ge­hen­den Mon­des warf sei­nen Schat­ten in zehn­fa­cher Ver­grös­se­rung auf den hel­len Acker, so­dass er nicht min­der ge­spens­tig aus­sah, wie das da­hin­ei­len­de Weib. Der Mond glich ei­ner rie­si­gen La­ter­ne, die am Ran­de des Ho­ri­zon­tes nie­der­ge­stellt war.

Am Him­mel ver­lösch­ten die Ster­ne ei­ner nach dem an­de­ren; ein­zel­ne Vö­gel be­gan­nen zu pie­pen. Der Tag brach an. Die arme Rose keuch­te vor An­stren­gung, und als aus dem Pur­pur-Vor­hang des Mor­gen­ro­tes die Son­ne her­vortauch­te, stand sie still.

Ihre ge­schwol­le­nen Füs­se ver­wei­ger­ten den Dienst, aber sie be­merk­te in der Nähe ein Was­ser, einen großen Teich, des­sen un­be­weg­li­che Flä­che im Schei­ne der auf­ge­hen­den Son­ne blu­tig-rot schi­en. Lang­sam, die Hand auf das hef­tig po­chen­de Herz ge­drückt, hin­k­te sie auf den­sel­ben zu, um ihre Füs­se in das Was­ser zu tau­chen.

Sie setz­te sich auf einen Gras­hü­gel, zog die di­cken, stau­bi­gen Schu­he aus, leg­te die St­rümp­fe ab und senk­te die blau­an­ge­lau­fe­nen Un­ter­schen­kel in die un­be­weg­li­che Flut, aus der ein­zel­ne Luft­bla­sen auf­stie­gen.

Eine er­qui­cken­de Fri­sche drang lang­sam von den Fuss­s­pit­zen bis zu ih­rem Kop­fe her­auf, und wäh­rend sie noch mit ir­rem Blick in das tie­fe Was­ser starr­te, über­kam sie plötz­lich ein un­be­zähm­ba­res Ver­lan­gen, ganz in dem­sel­ben un­ter­zut­au­chen. Da drin­nen wür­den ihre Lei­den für im­mer ein Ende ha­ben. Sie dach­te nicht mehr an ihr Kind; sie woll­te Frie­den fin­den, völ­li­ge Ruhe, ewi­gen Schlaf. Sie rich­te­te sich auf und ging mit hoch­ge­ho­be­nen Hän­den zwei Schrit­te wei­ter. Schon stand sie bis am Gür­tel im Was­ser und war im Be­griff, sich vor­zu­stür­zen, als bren­nen­de Schmer­zen an den Füs­sen sie un­will­kür­lich zu­rück­sprin­gen lies­sen. Sie stiess einen lau­ten Schrei aus, denn von ih­ren Kni­en bis zu den Fuss­s­pit­zen tran­ken lan­ge schwar­ze Blut­egel ihr Le­ben und bläh­ten sich, an ihr fest­ge­saugt, mäch­tig auf. Sie wag­te nicht, noch­mals her­ein­zu­ge­hen, und heul­te vor Schreck. Ihre Verzweif­lungs­schreie rie­fen einen Land­mann her­bei, der in der Nähe vor­über­fuhr; die­ser nahm die Blut­egel, einen nach dem an­de­ren, ab, leg­te Kräu­ter auf die Biss­wun­den und brach­te das un­glück­li­che We­sen auf sei­nem Wa­gen nach dem Hofe ih­res Herrn zu­rück.

Vier­zehn Tage muss­te sie das Bett hü­ten, dann stand sie wie­der auf und setz­te sich vor die Haus­tür, um die schö­ne Luft ein­zuat­men. Es dau­er­te nicht lan­ge, so stand der Päch­ter auch schon vor ihr.

»Die Sa­che ist also ab­ge­macht?« sag­te er.

An­fangs wuss­te sie nichts zu sa­gen; als er aber so vor ihr stand und sie mit er­reg­tem Blick an­sah, hauch­te sie müh­sam her­vor:

»Nein, Herr! ich kann nicht.«

Das mach­te ihn wü­tend und er rief hef­tig:

»Du kannst nicht, Du, die Magd; warum denn nicht?«

Sie fing wie­der an zu wei­nen und sag­te noch­mals:

»Ich kann nicht.«

Er mus­ter­te sie scharf und schrie ihr dann ins Ge­sicht:

»Du hast also einen Lieb­ha­ber?«

»Sehr gut mög­lich, viel­leicht«, sag­te sie zit­ternd vor Scham.

Rot wie ein Pu­ter stot­ter­te er fast vor Zorn:

»Ah! Du gibst es auch noch zu, Dir­ne! Wer ist es denn, Dein schö­ner Galan? Ein Kerl ohne St­rümp­fe und Schu­he, ein Bett­ler, ein Va­ga­bund, ein Hun­ger­lei­der? Wer ist es denn, sag’s doch, wer es ist!«

Und als sie schwieg, fuhr er fort:

»Aha! Du willst nicht … dann will ich’s Dir sa­gen: Es ist Jean Bau­du?«

»Oh nein, der nicht«, schrie sie auf.

»Dann ist es Pe­ter Mar­tin?«

»Oh nein, Herr!«

Und so nann­te er, ganz aus­ser sich, der Rei­he nach alle Bur­schen der Um­ge­gend, wäh­rend sie, ganz auf­ge­löst und sich alle Au­gen­bli­cke mit dem Schür­zen­zip­fel die Au­gen wi­schend, je­des Mal ver­nein­te. Aber er ließ nicht nach, sein star­rer Sinn woll­te das Ge­heim­nis er­grün­den, und wenn er ihr das Herz zer­reis­sen müss­te. Er war wie ein Jagd­hund, der den gan­zen Tag eine Fähr­te ver­folgt, um end­lich das Tier zu er­ha­schen, des­sen Spur er wit­tert. Plötz­lich schrie er auf:

»Ah! Mäd­chen! Es ist Jac­ques, der Knecht im vo­ri­gen Jahr! Man wuss­te ja, dass Ihr Euch traft und dass er Dir die Ehe ver­sprach.«

Rose er­stick­te fast; eine Blut­wel­le er­goss sich über ihr Ge­sicht und ihre Trä­nen ver­sieg­ten plötz­lich. Sie trock­ne­ten auf ih­ren Wan­gen, als wä­ren sie über einen heis­sen Stein ge­lau­fen.

»Nein!« rief sie laut, »der nicht; der ganz ge­wiss nicht.«

»Ist das ganz si­cher?« frag­te der Päch­ter miss­trau­isch, der eine Spur von der Wahr­heit wit­ter­te.

»Ich schwö­re es Euch, Herr!« ant­wor­te­te sie has­tig, »ich schwö­re es Euch …«

Sie such­te nach et­was, wor­auf sie schwö­ren könn­te; denn sie wag­te nicht, das Hei­ligs­te mit die­ser Sa­che zu ver­mi­schen.

»Er folg­te Dir aber doch in alle Ecken«, un­ter­brach er sie, »und ver­zehr­te Dich bei Tisch mit sei­nen Bli­cken. Hast Du ihm Dei­ner­seits Treue ge­lobt, sprich!«

Die­ses Mal schau­te sie ih­rem Herrn of­fen ins Ge­sicht.

»Nein, nie­mals! nie­mals! Ich schwö­re es bei Gott, wenn er heu­te um mich an­hiel­te, ich wür­de ihn nicht neh­men.«

Ihre Mie­ne war so auf­rich­tig, dass der Päch­ter inne hielt. Er fuhr wie im Selbst­ge­spräch fort:

»Aber was denn dann? Ein Un­glück ist Dir nicht wi­der­fah­ren, das hät­te man ja ge­hört. Und wel­ches Mäd­chen wür­de die Hand sei­nes Herrn zu­rück­wei­sen, wenn kei­ne Fol­gen von frü­her da sind? Aber es muss doch et­was vor­lie­gen?«

Von Angst ge­fol­tert konn­te sie nicht mehr ant­wor­ten.

»Du willst nicht?« frag­te er noch­mals.

»Ich kann nicht, Herr!« seufz­te sie.

Und er dreh­te ihr den Rücken und ging.

Sie glaub­te end­lich Ruhe zu ha­ben und ver­brach­te den Rest des Ta­ges fast in hei­te­rer Stim­mung, aber geis­tig doch so stumpf und gleich­gül­tig, als hät­te sie an Stel­le des al­ten Schim­mels in der Dresch­ma­schi­ne ge­hen müs­sen.

So­bald als mög­lich leg­te sie sich nie­der und schlief so­gleich ein.


Ge­gen Mit­ter­nacht wur­de sie durch ein Zup­fen an ih­rer Bett­de­cke wach. Sie zit­ter­te vor Schre­cken, hör­te aber zu­gleich die Stim­me des Päch­ters, der ihr sag­te:

»Nur ru­hig, Rose, ich bin’s, um mit Dir ein Wort zu re­den.«

Sie war an­fangs er­staunt; als er sich aber dann im­mer noch an ih­rer De­cke zu schaf­fen mach­te, be­griff sie, was er woll­te und fing noch hef­ti­ger an zu zit­tern. Was soll­te sie ma­chen, so al­lein in der Dun­kel­heit, noch halb schlaf­trun­ken, im Bett und un­be­klei­det, mit die­sem Man­ne, der nach ihr ver­lang­te? Sie wil­lig­te nicht ein, wahr­haf­tig nicht, aber sie wi­der­stand auch nicht ener­gisch. Sie be­kämpf­te zwar die Be­gier­de, die bei die­sen ein­fa­chen Na­tu­ren im­mer viel leb­haf­ter ist, aber sie war doch nur ein Weib und ihre Wil­lens­stär­ke war nicht groß ge­nug. An­fangs wich sie den heis­sen Küs­sen des Päch­ters aus, in­dem sie den Kopf bald rechts, bald links wand­te, und sie such­te ihn sich auf alle Wei­se auch sonst fern zu hal­ten; aber schliess­lich sieg­te die rohe Kraft und die wil­de Be­gehr­lich­keit des Man­nes, und sie gab ih­ren Wi­der­stand auf, wäh­rend sie vor Scham das Ge­sicht mit den Hän­den be­deck­te.

Der Päch­ter blieb die Nacht über bei ihr. Er kam den fol­gen­den Abend und dann schliess­lich jede Nacht.

So leb­ten sie nun zu­sam­men.

Ei­nes Mor­gens sag­te er zu ihr:

»Ich wer­de un­ser Auf­ge­bot ver­kün­di­gen las­sen. Nächs­ten Mo­nat soll un­se­re Hoch­zeit sein.«

Sie ant­wor­te­te nicht. Was hät­te sie auch noch sa­gen sol­len? Sie wag­te kei­nen Wi­der­spruch; es war ja doch um­sonst.

Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

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