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IV.

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Sie war nun ver­hei­ra­tet. Es war ihr zu Mute, als be­fän­de sie sich in ei­ner tie­fen Gru­be, aus der kei­ne Flucht mög­lich war, und als schweb­ten über ih­rem Kopf alle Ar­ten von Un­glück wie rie­si­ge Fel­sen, je­den Au­gen­blick be­reit, auf sie nie­der zu stür­zen. Ihr Gat­te kam ihr vor wie je­mand, den sie be­stoh­len hat­te und der dies ei­nes Ta­ges mer­ken wür­de. Und dann dach­te sie an ihr Kind, von dem all’ ihr Un­glück kam, das aber auch zu­gleich ihr ein­zi­ges Glück auf Er­den aus­mach­te.

Zwei­mal im Jah­re be­such­te sie es und kam je­des Mal trau­ri­ger nach Hau­se.

Al­lein mit der Zeit ge­wöhnt man sich an al­les. Ihr Herz wur­de ru­hi­ger, und sie sah mit mehr Ver­trau­en auf ihre jet­zi­ge Lage, die nur hin und wie­der noch durch eine flüch­ti­ge Re­gung der Furcht be­ein­träch­tigt wur­de.

Die Zeit ver­ging. Das Kind war nun schon sechs Jah­re alt. Sie war jetzt so­gar fast glück­lich, als plötz­lich bei dem Päch­ter eine fins­te­re Stim­mung sicht­lich im­mer mehr Platz griff.

Schon seit zwei oder drei Jah­ren schi­en er an ei­ner in­ne­ren Un­ru­he zu lei­den, ir­gend eine Sor­ge mit sich her­um­zu­tra­gen, ir­gend einen bö­sen Ge­dan­ken, der von Tag zu Tag wuchs. Wenn das Es­sen schon vor­über war, blieb er noch lan­ge am Ti­sche sit­zen, den Kopf in den Hän­den ver­gra­ben, trau­rig, so trau­rig, als wür­de er von ei­nem tie­fen Kum­mer ver­zehrt. Er sprach lau­ter, ja barsch zu­wei­len, und es schi­en un­will­kür­lich, als habe er einen Hin­ter­ge­dan­ken ge­gen sei­ne Frau, denn er be­geg­ne­te ihr öf­ters mit Rau­heit, ja mit Zorn so­gar.

Ei­nes Ta­ges kam ein Nach­bars­jun­ge in den Hof, um Eier zu ho­len. Da sie ge­ra­de sehr be­schäf­tigt war, ließ sie ihn et­was barsch an, als plötz­lich hin­ter ihr ihr Mann mit bos­haf­tem Tone sag­te:

»Wenn das Dein Kind wäre, wür­dest Du es nicht so an­fah­ren.«

Sie stand einen Au­gen­blick sprach­los da; dann ging sie mü­den Schrit­tes ins Haus zu­rück. Alle ihre Qua­len wa­ren aufs Neue er­wacht.

Bei Tisch sprach der Päch­ter nicht mit ihr und sah sie kaum an; er schi­en sie zu ver­ab­scheu­en und zu ver­ach­ten. Er muss­te et­was wis­sen.

Sie ver­lor den Kopf und wag­te nicht, nach dem Es­sen mit ihm al­lein zu blei­ben. Sie ging hin­aus und lief zur Kir­che.

Der Abend brach her­ein. Das schma­le Schiff der Kir­che war schon ganz dun­kel, aber sie hör­te Schrit­te da un­ten am Chor; es war der Sa­kris­tan, der die ewi­ge Lam­pe vor dem Al­ta­re für die Nacht zu­recht mach­te. Die­ser Licht­schim­mer, der aus dem Dun­kel des Ge­wöl­bes auf­tauch­te, er­schi­en Rose wie der Ver­kün­der ei­ner letz­ten Hoff­nung; sie warf sich auf die Knie und be­te­te, die Au­gen auf den Al­tar ge­hef­tet.

Knis­ternd brann­te die klei­ne Flam­me neu em­por. Bald schlürf­ten wie­der Trit­te durch den Gang, de­nen das gleich­mäs­si­ge Geräusch ei­nes an der Mau­er sich rei­ben­den Strickes folg­te: Die klei­ne Glo­cke der Kir­che rief zum »An­ge­lus.« Als der Mann her­aus ging, schloss sich Rose ihm an.

»Ob der Herr Pfar­rer wohl zu Hau­se ist?« frag­te sie.

»Ich glau­be wohl;« ant­wor­te­te er, »er speist im­mer nach dem An­ge­lus.«

Mit zit­tern­der Hand öff­ne­te sie die Türe des Pfarr­hau­ses.

Der Pfar­rer war ge­ra­de beim Es­sen und hiess sie sich set­zen.

»Ja, ja«, sag­te er, »Euer Mann hat mir schon von dem ge­spro­chen, was Euch zu mir führt.«

Die arme Frau knick­te zu­sam­men.

»Was gibt es also, mein Kind?« fuhr der Pries­ter fort, und ass schnell ei­ni­ge Löf­fel Sup­pe, wo­bei ihm ver­schie­de­ne Trop­fen auf sei­ne et­was fle­cki­ge, ab­ge­nutz­te Sou­ta­ne fie­len.

Rose wag­te nicht zu spre­chen; sie ver­moch­te es nicht, ihr Leid zu kla­gen und ihn um Hil­fe zu bit­ten. Stumm er­hob sie sich.

»Mut! mei­ne Toch­ter …« woll­te der Pfar­rer fort­fah­ren, aber schon wank­te sie hin­aus.

Sie kam zum Hof zu­rück, ohne recht zu wis­sen, wie sie da­hin ge­lang­te. Ihr Mann war­te­te auf sie; die Ar­beits­leu­te wa­ren schon fort­ge­gan­gen. Da sank sie von Schmerz über­wäl­tigt vor ihm auf die Knie und frag­te mit trä­nen­er­stick­ter Stim­me:

»Was hast Du doch nur ge­gen mich?«

»Was ich habe?« schrie er to­bend auf, »dass ich kei­ne Kin­der habe, bei Gott! Wenn man hei­ra­tet, so will man doch das gan­ze Le­ben hin­durch nicht zu Zwei­en blei­ben. Das ist’s, was ich habe. Wenn eine Kuh kei­ne Käl­ber hat, so taugt sie nichts. Hat eine Frau kei­ne Kin­der, so ist sie gleich­falls nichts wert.«

»Es ist doch nicht mei­ne Schuld«, stam­mel­te sie wei­nend. »Was kann ich denn da­für?«

»Das sage ich auch nicht«, ent­geg­ne­te er et­was mil­der ge­stimmt. »Aber es ist doch gar zu är­ger­lich.«

Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

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