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V.

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Von die­sem Tage an hat­te sie nur noch den einen Wunsch, ein Kind zu ha­ben, ein zwei­tes Kind; und sie ver­trau­te al­ler Welt ih­ren Wunsch an.

Eine Nach­ba­rin gab ihr ein Mit­tel an: Sie soll­te ih­rem Man­ne je­den Abend ein Glas Was­ser mit ei­ner Mes­ser­spit­ze voll Asche zu trin­ken ge­ben. Der Päch­ter er­klär­te sich dazu be­reit, aber das Mit­tel half nichts.

»Vi­el­leicht gibt es da­für ir­gend ein Ge­heim­mit­tel«, sag­ten sie sich und zo­gen Er­kun­di­gun­gen ein. Man be­zeich­ne­te ih­nen einen Schä­fer, wel­cher sechs Mei­len von dort wohn­te; und ei­nes Ta­ges spann­te Meis­ter Val­lin sein Til­bu­ry ein und fuhr dort­hin. Der Schä­fer stell­te ihm ein Brot zu, auf wel­chem er ge­wis­se Zei­chen ge­macht hat­te, ein mit be­son­de­ren Kräu­tern durch­kne­te­tes Brot, von dem sie bei­de, so oft sie zu­sam­men schlie­fen, vor­her und nach­her es­sen soll­ten.

Bald war das gan­ze Brot auf­ge­zehrt, ohne das ein Er­folg ein­ge­tre­ten wäre.

Der Pfar­rer riet zu ei­ner Wall­fahrt zum heil. Blut von Fe­camp. Rose be­eil­te sich, die­sem Rate zu fol­gen, und pil­ger­te mit ei­ner großen Schar von Gläu­bi­gen zur Wall­fahrts­kir­che; in­stän­dig fleh­te sie den Him­mel an, sie noch ein­mal zu seg­nen. Es war um­sonst.

Da war sie über­zeugt, dass der Him­mel sie für ih­ren ers­ten Fehl­tritt be­stra­fen wol­le, und ein un­ge­heu­rer Schmerz be­mäch­tig­te sich ih­rer.

Sie ver­ging vor Kum­mer; auch ihr Mann al­ter­te sicht­lich; er »ver­zehr­te sich selbst« vor in­ne­rem Gram, wie man so zu sa­gen pfleg­te, hat­te aber da­bei fast je­den Mo­nat ein­mal wie­der eine neue Hoff­nung.

Das Ver­hält­nis zwi­schen bei­den wur­de im­mer un­er­träg­li­cher; er be­lei­dig­te sie auf alle mög­li­che Wei­se und schlug sie schliess­lich so­gar. Er quäl­te sie den gan­zen Tag und die gan­ze Nacht mit sei­nen Vor­wür­fen und rück­sichts­lo­sen Grob­hei­ten.

Ei­nes Nachts, als er schon nicht mehr wuss­te, wel­che neue Qual er für sie er­sin­nen soll­te, be­fahl er ihr auf­zu­ste­hen und bei dem hef­tigs­ten Re­gen draus­sen im Hofe auf den An­bruch des Ta­ges zu war­ten. Als sie nicht fol­gen woll­te, er­griff er sie am Hal­se und trak­tier­te sie mit Faust­schlä­gen ins Ge­sicht. Sie sag­te nichts und rühr­te sich nicht. Aus­ser sich vor Wut knie­te er auf ihr; er knirsch­te mit den Zäh­nen und hät­te sie am liebs­ten ums Le­ben ge­bracht. Da bäum­te sich ihr gan­zes In­ne­re auf, und mit ei­ner hef­ti­gen Be­we­gung schleu­der­te sie ihn ge­gen die Wand, setz­te sich auf und rief ihm mit völ­lig ver­än­der­ter gel­len­der Stim­me zu:


»Ich habe ein Kind, ja, ich habe eins; ich habe es von Jac­ques, Du weißt schon, von Jac­ques. Er hät­te mich hei­ra­ten sol­len; aber er hat sich da­von ge­macht.«

Wie ver­stei­nert blieb der Mann an der Wand lie­gen, er war eben­so aus­ser sich, wie sie selbst.

»Was sagst Du«, stot­ter­te er; »was sagst Du da?«

Sie konn­te nun end­lich wie­der wei­nen und stam­mel­te un­ter hef­ti­gem Schluch­zen:

»Des­halb woll­te ich Dich ja nicht hei­ra­ten, bloß des­halb. Ich konn­te es Dir ja nicht sa­gen; Du hät­test mich mit samt mei­nem Kin­de brot­los ge­macht. Du hast ja von so et­was kei­ne Ah­nung; Du weißt es nicht, Du fühlst das nicht.«

»Du hast ein Kind? Wirk­lich, Du hast ein Kind?« wie­der­hol­te er im­mer wie­der ma­schi­nen­mäs­sig, mit stets wach­sen­dem Er­stau­nen.

»Du hast mich mit Ge­walt zur Dei­nen ge­macht«, sag­te sie un­ter hef­ti­gem Schluch­zen. »Du weißt es doch noch? Ich woll­te Dich ja gar nicht hei­ra­ten.«

Da stand er auf, zün­de­te Licht an und be­gann, die Hän­de auf dem Rücken, im Zim­mer auf und ab zu ge­hen. Sie wein­te fort­wäh­rend, sich in die Kis­sen ver­gra­bend. Plötz­lich blieb er vor ihr ste­hen:

»Also an mir liegt der Feh­ler?« sag­te er. Sie ant­wor­te­te nicht. Er ging wie­der wei­ter, dann blieb er wie­der ste­hen und frag­te:

»Wie alt ist denn Dein Klei­nes?«

»Sechs Jah­re ist es ge­wor­den«, mur­mel­te sie.

»Aber warum hast Du es mir denn nicht ge­sagt?« frag­te er wie­der.

»Konn­te ich das denn?« seufz­te sie.

»Vor­wärts!« sag­te er, im­mer noch auf sei­nem Plat­ze blei­bend, »steh auf!«

Mit Mühe er­hob sie sich. Dann als sie auf ih­ren Füs­sen stand, an die Mau­er ge­lehnt, be­gann er plötz­lich laut zu la­chen; es war das gut­mü­ti­ge, herz­li­che La­chen frü­he­rer Tage. Und als sie noch fas­sungs­los blieb, sag­te er:

»Nun gut, wir wol­len das Kind ab­ho­len, da wir doch kein andres ha­ben.«

Sie war so ver­blüfft, dass sie im ers­ten Au­gen­blick dach­te, er sei när­risch ge­wor­den; und sie wäre da­von ge­lau­fen, wenn ihr die Kraft nicht ge­fehlt hät­te. Aber der Päch­ter rieb sich die Hän­de und sag­te halb­laut vor sich hin:

»Ich woll­te eins ad­op­tie­ren, jetzt ist eins ge­fun­den; wir ha­ben schon eins. Ich hat­te den Pfar­rer um ein Wai­sen­kind ge­be­ten.«

Dann küss­te er, im­mer­fort la­chend, sei­ne ganz er­staun­te sprach­lo­se Frau auf bei­de Wan­gen und rief, als ob sie nicht gut hö­ren könn­te:

»Vor­wärts, Mut­ter, lass se­hen, ob es noch et­was Sup­pe gibt; ich ässe gern einen Tel­ler voll.«

Sie zog ih­ren Rock an und bei­de gin­gen zu­sam­men her­un­ter. Wäh­rend sie nie­der­knie­te und das Feu­er un­ter dem Kes­sel wie­der an­zün­de­te, ging er mit großen Schrit­ten in der Kü­che auf und ab und wie­der­hol­te fort­wäh­rend ganz ver­gnügt:

»Ach, das macht mir wahr­haf­tig Spaß; es ist nicht zu glau­ben. Aber ich bin ver­gnügt, sehr ver­gnügt.«

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

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