Читать книгу Hardcore - H. C. Schwarz - Страница 31
1.26 Hardcore
ОглавлениеSie schrie
um ihr Leben. Schrie in die raue, schwielige Hand, die ihren Mund verschloss, ihre Lippen hart an ihre Zähne quetschte, ihr weh tat.
Trotz des dämmrigen Zwielichts konnte sie deutlich erkennen, dass dieser Mann sie leiden sehen wollte, sie sah es in seinen Augen. Sie sah die Vorfreude darin, ein grausames Funkeln. Dieser Überfall war für ihn nur eine Art sadistisches Aufwärmtraining. Mit jeder Bewegung schärfte er die rasiermesserscharfe Klinge seiner Verachtung, pumpte sich bis zum Anschlag voll mit lüsternem Heißhunger auf ihren Schmerz.
Angewidert schmeckte sie die brennende Säuernis seines Schweißes, roch den Hass, der ihm aus allen Poren dampfte. Er quoll über davon, stank widerlich nach einem Parfum namens Boshaftigkeit. Während er ihren Kopf in die Stahlzange seiner haarigen, muskulösen Arme quetschte, den Atem aus ihr herauspresste und sie mit Panzertape endgültig zum Verstummen brachte, fesselten die anderen beiden Männer sie mit Kabelbinder. Verschnürten ihre Hände und Füße so fest, dass das Hartplastik tief in ihr Fleisch schnitt.
Gemeinsam zerrten sie das menschliche Paket zu einem Liefer-wagen, der mit offener Schiebetür an der Straße stand. Dort wartete ein vierter Mann, der jetzt aus dem Auto sprang und den anderen half, sie im Laderaum mit breiten Spanngurten an Metallösen zu fixieren.
„Jetzt mach doch nicht so ein Gesicht, Mädchen.“, wollte ich ihr, von meiner sicheren Position hinter dem Kameramonitor aus, zurufen. „Das ist doch nur ein Spiel. Du solltest das alles gar nicht so ernst nehmen. Die Jungs meinen das gar nicht so.“
Doch ich hielt meine Klappe, wusste ich insgeheim doch, dass das nur ein Wunschgedanke war und nicht im mindesten der Wahrheit entsprach. Im Gegenteil, es war offensichtlich, dass die männlichen Darsteller, im Gegensatz zu ihr, so richtig im Reinen mit sich und ihrer Rolle als Vergewaltiger waren. In den Drehpausen tuschelten sie gutgelaunt miteinander, stopften massenweise Protein-Snacks in sich hinein und ließen am laufenden Band rüde Stammtischwitze vom Stapel. Und dann stolzierten sie breit grinsend und mit geschwellter Brust zurück an das Set, als ob sie aus dem reinsten Vergnügen hier wären und ihr Leben lang auf die Gelegenheit gewartet hätten, mal so richtig offiziell das Superschwein rauslassen zu dürfen.
Herzlichen Glückwunsch, dachte ich bei ihrem Anblick, jetzt seid ihr in den Rang käuflicher Monster aufgestiegen und befindet euch nur noch eine einzige Stufe unter dem professionellen Berufskiller.
Als die Darsteller heute morgen zum Drehbeginn antanzten, hatten sie eine Handvoll Kumpels im Schlepptau, eine richtige Fangemeinde. Die kranken Spanner freuten sich offenbar bereits auf eine prima Live-Show und waren regelrecht beleidigt, als ich laut wurde und sie hochkant rauswarf. Vier Vollidioten gleichzeitig am Set waren mehr als genug, noch mehr von der Sorte konnte ich unmöglich verkraften.
Offtext / Joggerin:
„Endlich Feierabend, jetzt ist ihre Zeit. Sie muss sofort raus aus der Bude, sonst fällt ihr die Decke auf den Kopf. Sommerlich warmes Dämmerlicht, der Park liegt verlassen da. Sie liebt diese Stille. Da ist keiner, der einen beobachtet und bewertet. Nun kann sie ganz sie selbst sein, pur und frei.“
„Ihr Atem geht ruhig und regelmäßig, ihre Schritte werden gedämpft durch das hohe Gras. Sie läuft gerne abseits der Wege, zwischen den Bäumen, dort, wo es auch am Tag schattig ist.“
„Ihre Freundinnen halten sie ja für verrückt, abends ganz alleine durch den Stadtpark zu joggen. Aber sie hat keine Angst. Oder will sich zumindest nicht von ihr lähmen lassen. Ein gewisses Risiko gibt es ja immer, das gehört zum Leben dazu. Und so läuft sie sich nicht nur den Stress des Alltags aus dem Körper, sondern auch gegen die leise Stimme der Furcht an, die wohl ein heimlicher Begleiter jeder Frau ist, die in einer Großstadt lebt...“
Genervt sprang ich auf, knallte den Schreibblock auf den Stuhl und tigerte übellaunig über das noch halbdunkle Filmset.
Verdammt, schoss es mir durch den Kopf, was wusste ich denn schon über das Gefühlsleben einer Frau?
Eigentlich fand ich das ganze Programm extrem abartig, aber mitgefangen war nun mal mitgehangen. Und der dämliche Offtext gehörte dazu. Vielleicht sollte ich mich weigern, das Drehbuch zu schreiben. Dann fühlte ich mich bestimmt weniger schuldig. Wenn ich nur irgendeine fertige Vorlage verfilmen würde, wäre ich kein voll verantwortlicher Mittäter, sondern eher so etwas wie ein ganz gewöhnlicher Erfüllungsgehilfe gewesen. Aber jetzt musste ich mir wohl oder übel eine komplette Vergewaltigungsstory aus den Fingern saugen.
Ich will deine Kreativität, hatte der Häuptling der Menschenfresser zu mir gesagt. Zuerst hatte ich mich geweigert, aber die doppelte Gage wirkte eben auch auf mich ungemein verführerisch. Trotz aller Versuche, mir den ganzen Wahnsinn schön zu reden, wusste ich genau, dass ich dabei war, einen Riesenfehler zu begehen. Ich hätte, wie geplant, in dem Moment kündigen sollen, als ich ein nettes Geldpolster auf der Seite hatte.
Doch was habe ich Idiot stattdessen gemacht? Mir dieses sauteure, dicke Protzmobil gekauft. Die Karre war zwar endgeil, leider aber auch das reinste Groschengrab. Auch wenn es sich mit meinem Selbstbild nicht vertrug, ich musste mir eingestehen, dass ich wie der Großteil der Menschheit gefangen war im Fegefeuer meiner Eitelkeit.
Na ja, was soll's, sagte ich mir. Wenn ich es nicht mache, dann macht es ein anderer.
Ich zündete mir eine Zigarette an und widmete mich notgedrungen wieder meiner gottverdammten Arbeit.
Sollte den Offtext über die Bilder vom Park nun ein Mann oder eine Frau sprechen? Besser eine weibliche Stimme, entschied ich, dann wirkte die Tonspur wie eine Art innerer Monolog. Den konnte man über das Intro legen, über die Einleitung, in der sie im Halbdunkel durch den Park joggte.
Die Außenaufnahmen am Abend vorher hatten sich ziemlich schwierig gestaltet. Ohne eine offizielle Drehgenehmigung, konnten wir natürlich kein künstliches Licht setzen. Nur mit dem diffusen Licht der Laternen und zwei mickrigen Akkuleuchten, das konnte ja nichts werden. Die Bilder waren, wie erwartet, großteils unscharfer Matsch. Und die Story war, ehrlich gesagt, auch total billiger Schrott. Sie taugte nur als Rahmen dafür, eine ebenso dämliche wie kaputte Frau wie diese Nadja in Grund und Boden zu rammeln und nach allen Regeln der Kunst fertig zu machen.
In diesem Moment meldete es sich wieder zu Wort, mein ewiges geistiges Rededuell. Einerseits und anderseits...
Einerseits war die bescheuerte Fotze doch selbst schuld. Warum machte sie auch bei diesem Scheißdreck mit? Denn auch zu einer Horrorstory wie dieser, gehören immer mindestens zwei Akteure. Und einer davon hat die unerfreuliche Rolle des Opfers, desjenigen, der das mit sich machen lässt.
Anderseits fragte ich mich zum tausendsten Mal, was zum Teufel mich nur geritten hatte, dass ich das mitmachte? Eine Gang-Bang-Killer-Story, die aus meiner Feder stammte! Abartiger Sondermüll, bei dem ich auch noch Regie führte! Ich kam mir vor wie ein Stück Scheiße.
Was ich jetzt dringend brauchte, war eine extrafette Dröhnung. Eine lange Line schönes weißes Koks.
Aber verdammt! Es war erst zehn Uhr vormittags. Und wenn ich jetzt schon anfing mich abzuschießen, dann würde ich nicht bis heute Abend durchhalten.
Ich schreckte aus meinen trüben Grübeleien hoch und ließ den dünnen Ordner fallen, in dem das peinliche Drehbuch allmählich Gestalt annahm. Diese Nadja trieb mich allmählich in den Wahnsinn.
Konnte dieses dämliche Huhn nicht ein bisschen leiser heulen? Sie ging mir mit ihrer dramatischen Gefühlsduselei mächtig auf den Sack. Bei diesem Gejammer konnte sich doch kein Mensch konzentrieren!
Ich fühlte mich hin und her gerissen. Der Ablaufplan für den Tag stand immer noch nicht, aber andererseits gehörte zu meinen Aufgaben auch die Betreuung der Darsteller. Seit Drehbeginn hatte ich alle Hände voll damit zu tun, die Frau einigermaßen bei Laune zu halten. Nach dem Überfall im Park hatte sie geheult wie ein Schlosshund. Und ich, als Frauenversteher von Beruf, fühlte mich zu ein paar tröstenden Streicheleinheiten verpflichtet und nahm sie beiseite.
Bei einem intimen Gespräch unter vier Augen deutete sie an, dass ihr etwas Ähnliches schon mal im wirklichen Leben passiert war. Dass sie wahnsinnige Angst hatte vor dem, was ihr an Szenen noch bevorstand und den Job gerne abgebrochen hätte. Da ich ihr nicht weiterhelfen konnte, schickte ich sie zur Produktionsleitung und die alarmierte wiederum den Häuptling der Menschenfresser.
Der machte ihr dann unmissverständlich klar, dass es kein Zurück mehr gab. In ihrem Vertrag stände schwarz auf weiß, dass sie persönlich dafür haftete, wenn ihretwegen die Produktion ausfiel. Allein die beiden Drehtage mit jeweils vier Darstellern und komplettem Filmteam, ob ihr denn klar wäre, was das alles kostete?
Ich beobachtete Nadja, wie sie danach mit schreckgeweiteten Augen zurück ans Set schlich wie eine getretene Hündin. Aus ihrem Gesichtsausdruck war deutlich abzulesen, dass sie sich ihrem Todesurteil ergeben hatte.