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Exkurs: Zensur bedeutender Köpfe –Beaumarchais, Kant, Fichte

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Pierre-Augustin Caron (1732−1799), zur Mitte seines Lebens in den Adelsstand »de Beaumarchais« erhoben, war kein politischer Aktivist. Als Waffenhändler, Agent, Uhrmacher und Spekulant führte er ein abenteuerliches Leben. Der Nachwelt sind seine streitbaren Texte und seine oft komödiantisch angelegten Dramen bekannt. Das bekannteste unter ihnen ist »Le mariage de Figaro« (»Die Hochzeit des Figaro«). Das Stück diente Wolfgang Amadeus Mozart als Vorlage für seine gleichnamige Oper. Darin übertölpelt ein quirliger Kleinbürger in der Figur des Figaro einen Adeligen, wobei der Text voll politischer Anspielungen gegen Monarchie und Adelsherrschaft ist und geradezu mit einem Aufruf zur Revolution endet. Der französische König Louis XVI. soll, nachdem er die erste Fassung gesehen hatte, gemeint haben: »Wenn ich dieses Stück genehmigte, müsste ich konsequenter Weise gleich die Bastille einreißen«.51 Noch weitsichtiger zeigte sich der Monarch – immerhin sieben Jahre vor der Französischen Revolution – mit der Bemerkung, er sähe in dem Rasiermesser, das der Barbier Figaro im Stück dem Grafen ansetzt, das Wetterleuchten des Fallbeils,52 also der Guillotine, die ihm Jahre später seinen Kopf vom Körper trennte. Beaumarchais’ »Figaro« wurde zensuriert und durfte in Paris erst nach wesentlichen Änderungen aufgeführt werden. In Wien bemüßigte sich Kaiser Joseph II. in einem eigenen Handschreiben vom 31. Januar 1785, dem ohnedies bereits politisch abgeschwächten Theaterstück die Bühnen der Donaumetropole zu verbieten. Erst 30 Jahre später – und in der Fassung der Mozart-Oper – durfte hier der »Figaro« zur Aufführung gelangen.

Beaumarchais nahm die Zensur mit für ihn gewohnt ironischem Unterton bereits im Stück vorweg, wenn er Figaro im 5. Akt sagen lässt: »Man sagte mir, Spanien habe Preßfreiheit und ich könnte, natürlich unter Aufsicht von zwei, drei Zensoren, schreiben, was mir beliebte, wenn es nur nicht gegen den Staat wäre, oder gegen den Hof, gegen die Kirche, gegen die guten Sitten und schlechte Beamte, gegen privilegierte Tänzerinnen … Um diese kostbare Freiheit zu verwerten, begründe ich eine Zeitung und nenne sie, damit ich niemandem Konkurrenz mache: ›Unnütze Blätter‹«.53

Auch Immanuel Kant (1724−1804), der wohl bedeutendste deutschsprachige Philosoph seiner Epoche, machte Bekanntschaft mit der Zensur. Nach Jahren als Hauslehrer in der Umgebung seiner preußischen Heimatstadt Königsberg erhielt er – schon 46-jährig – den Ruf an die dortige Universität und erhielt den Lehrstuhl für Logik und Metaphysik. Später nahm ihn die Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften als Mitglied auf, ebenso die Russische Akademie der Wissenschaften. Trotz vieler Ehrungen (oder womöglich auch wegen dieser) kämpfte er in den letzten Jahren seines Schaffens vermehrt mit Veröffentlichungsverboten. Diese gingen auf den preußischen Kultusminister Johann Christoph von Woellner zurück, der im Dezember 1788 mit Rückendeckung des neuen Königs Friedrich Wilhelm II. ein Religionsedikt erließ, das Aufklärung auf religiösem Gebiet unter Strafe stellte. Das Zeitalter der Vernunft war auch eifrigen Protestanten wie den preußischen Hohenzollern – und insbesondere Friedrich Wilhelm II. – suspekt.

Ähnlich wie in Frankreich und Österreich dämmerte Ende der 1780er Jahre ein neues Zeitalter herauf, die Revolution stand vor den Palästen. Dem wollten die Herrscher, auch jener in Preußen, mit Publikationsverboten Einhalt gebieten.

Das Zensuredikt von 1788 kam gerade recht, um Kants Abhandlung »Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft« die Veröffentlichung zu erschweren. In seinem Leibblatt »Berliner Monatsschrift« sollte Anfang der 1790er Jahre eine Serie von Aufsätzen erscheinen, in denen Kant eine sogenannte »Vernunftreligion« entwirft – mit Gott als unbeweisbarem, aber praktischem Postulat. Die Berliner Zensur wollte davon nichts wissen, Oberzensor Woellner sah darin eine »Entstellung und Herabwürdigung mancher Haupt- und Grundlehren der Heiligen Schrift und des Christentums.«54 Ein Jahr später verbot der Zensor des Königs die Herausgabe des Buches mit gleichem Titel »ein für allemal«. Der Nachwelt konnten die Schriften des großen Aufklärers freilich auf Dauer nicht vorenthalten werden.

Johann Gottlieb Fichte (1762−1814) stellte sich wie kaum ein anderer deutscher Intellektueller hinter die Französische Revolution. Kompromisslos verfocht er ihre Idee der Gleichheit und Freiheit als unveräußerliches Recht des Menschen. Der aus ärmlichen Verhältnissen in einem sächsischen Dorf stammende Philosoph und Lehrer schrieb mitten in die Aufbruchsstimmung des Jahres 1792 hinein ein Traktat mit dem Titel »Versuch einer Kritik aller Offenbarung«. Um der Zensur, mit der Fichte schon zuvor üble Bekanntschaft gemacht hatte, zu entgehen, veröffentlichte er es anonym. In Königsberg, wo das Werk druckgelegt wurde, verdächtigte man sogleich den berühmten Kant der Urheberschaft. Als dieser mittels öffentlicher Erklärung Fichte als Autor nannte und das Manuskript einem befreundeten Verleger empfahl, startete die Karriere des später wichtigen Vertreters des deutschen Idealismus.

Fichte war, wie viele seiner Zeitgenossen, dem Naturrecht verbunden. Im Staat sah er nichts weiter als ein Mittel zum Zweck, dem Menschen sein natürliches, ursprüngliches Recht zu sichern; und dieses bestand – ganz unter dem Einfluss des republikanisch-revolutionären Frankreichs – darin, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit leben zu können. Fürsten und Kirchenväter passten nicht in dieses Weltbild. Folgerichtig ging Fichte mit ihnen hart ins Gericht. Im Jahr 1793 erschien unter dem sperrigen Titel »Zurückforderung der Denkfreiheit von den Fürsten Europens, die sie bisher unterdrückten. Eine Rede« ein wahrhaftes Manifest gegen die Obrigkeit. Fichtes Aufruf klingt temperamentvoll und jugendlich-kräftig: »Glückseligkeit erwarten wir nicht aus eurer Hand«, ruft er den Monarchen und Popen zu, denn »wir wissen es ja, daß ihr Menschen seyd – wir erwarten Beschützung und Rückgabe unserer Rechte, die ihr uns doch wohl nur aus Irrtum nahmt. (…) Fürst, du hast kein Recht, unsere Denkfreiheit zu unterdrücken, und wozu Du kein Recht hast, das mußt du nie thun …«55 Dem Freiheitspostulat schickt Fichte sogleich auch den Ruf nach Gleichheit hinterher, wenn er den Fürsten zuruft: »Das Geld, das ihr austeilt, war nie eures; es war ein anvertrautes Gut, das die Gesellschaft in eure Hände niederlegte, um den Bedürfnissen jedes einzelnen dadurch abzuhelfen. Die Gesellschaft verteilt es durch eure Hände. Der Hungernde, dem ihr Brot gebt, hätte Brot, wenn die gesellschaftliche Verbindung ihn nicht genötigt hätte, es hinzugeben; die Gesellschaft gibt durch euch ihm zurück, was sein war.«56

Nach der Machtübernahme Napoléons durch den Staatsstreich des 18. Brumaire VIII (9. November 1799) verlor Fichte seine inzwischen angetretene Professur in Jena. Die langen Fangarme des Usurpators der Revolution, der sich mal Konsul, mal Kaiser nennen ließ, reichten bis weit in die deutschen Lande hinein. Nachdem die preußische Armee im Oktober 1806 gegen die französischen Truppen in der Schlacht bei Jena und Auerstedt eine verheerende Niederlage erlitten hatten, floh Fichte ins östlich gelegene Königsberg. Seine dortige Dozentur machte aus ihm zugleich einen Zensor der »Hartungschen Zeitung« gegen das napoleonische Narrativ der Interpretation der kriegerischen Ereignisse, allerdings nur so lange, bis er von einem preußischen General entlassen wurde. Seine »Reden an die deutsche Nation«, vom Vorlesungspult der Berliner Universität gehalten, stießen vor allem bei der ängstlichen preußischen Zensur auf heftigen Widerspruch. Im von Napoléon besetzten Deutschland fürchtete man den unbeugsamen Fichte, der offen zum Widerstand gegen die Franzosen aufrief. Die Zensoren der preußischen Hauptstadt zwangen ihn schließlich zur Selbstzensur. Worte wie »Frankreich« oder »französisch« durften in seinen Vorlesungen und Schriften nicht vorkommen, weshalb Fichte immer dann, wenn er von den französischen Besatzern sprach und schrieb, die Termini »Ausland« bzw. »fremde Sprache« verwendete.

In den 200 Jahren, die seit damals vergangen sind, hat sich viel geändert, die herrschaftlich eingeforderte politische Korrektheit der Sprache dient allerdings damals wie heute der Einschüchterung von Rede- und Publikationsfreiheit und ist Ausdruck herrschender Machtverhältnisse.

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