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Das Interview

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„Dann fangen wir mal an, Herr Kastor“, sagte Leon. „Sie haben also schon einmal eine Zeit lang für den Koblenzer Tageskurier gearbeitet. Wann war das denn in etwa?“

„Also, ich glaube, das müsste 1972-74 gewesen sein. Ich erinnere mich noch an die Berichterstattung über Olympia 1972. Mann, waren wir stolz – die Olympiade in Deutschland. Wir Kinder tauschten Olympiabildchen für ein Sammelalbum aus. Mark Spitz war der Renner. Dafür konnte man drei bis vier andere Bildchen tauschen. In München war dieses gigantische Olympiastadion gebaut worden. Und dann so etwas …“ Peter Kastor schaute betroffen in eine Ecke.

„Was meinen Sie?“, fragte Leon.

„Na, überschattet wurden die Spiele doch durch die Geiselnahme und Ermordung israelischer Athleten. Ich weiß noch, es gab einen Trauertag. Dann wurden die Spiele trotzdem fortgesetzt. Ich war damals gerade sieben Jahre alt. Habe gar nicht so richtig verstanden, was da ablief. Aber alle waren geschockt und das hat mir Angst gemacht. Tod, Gewalt und Terror. Und dieses Thema bestimmte in den folgenden Wochen die Berichterstattung. Ich habe immer nur die Bilder beim Austragen der Zeitung gesehen. Lesen konnte ich ja gerade nur so in den Anfängen. Im Fernsehen sah ich, was los war, und meine Eltern erklärten mir vieles.“

„Was war der Hintergrund? Wissen Sie es noch?“, fragte Leon.

„Ja, die Geiselnehmer forderten die Freilassung von Baader, Meinhof und von über 200 Palästinensern. Bei einem Befreiungsversuch starben zwar fünf Terroristen, aber auch alle Geiseln und einige Polizisten. Verhandelt wurde nicht. Dann kam die Trauerfeier im Olympiastadion und weiter ging es. Ich habe das damals nicht verstehen wollen und …“

„Ja, das klingt alles sehr spannend. Heute weiß das kaum noch jemand. Wie ging es für Sie weiter?“

„Nun, diese erlebte Ungerechtigkeit führte für mich dazu, dass ich später den Beruf des Soldaten ergriff. Da war bestimmt ein Zusammenhang.“ Peter wurde leiser.

„War es die richtige Entscheidung?“

„Lange Zeit konnte ich problemlos dahinterstehen. Es war ja der kalte Krieg und die Bedrohung aus dem Osten schien real zu existieren. Alle rüsteten auf und rüsteten und rüsteten. Und die Terroristen waren gegen diese ganzen staatlichen Instanzen. Sie überfielen Kameraden bei der Wache, nahmen ihnen die Waffen ab und damit wurden dann schlimme Verbrechen verübt.“

„Also hat Ihr Dienst doch einen Sinn gemacht, auch wenn er gefährlich war?“

„Schon, im Laufe der Jahre hat sich das Aufgabenspektrum jedoch grundlegend geändert. Die Mauer fiel, der Osten öffnete sich zusehends und die Armee musste sich völlig neuen Aufgaben widmen. Selbst die von damals, die gegen alles Staatliche waren, wurden Politiker. Die Sicherheit Deutschlands wurde plötzlich am Hindukusch verteidigt.“

„Ist das ein Problem für Sie?“, fragte der Reporter.

„Seien Sie mir nicht böse, denn aus Rücksicht auf meine Kameraden, die noch aktiv sind, möchte ich diese Frage nicht beantworten.“

„Wie Sie wollen, Herr Feldwebel. Welchen Dienstgrad hatten Sie eigentlich?“

„Nun, ich war zwölf Jahre bei der Truppe im Kraftfahrzeuginstandsetzungsbereich. Später machte ich mich dann selbstständig, bekam eine gute Ausbildung. Abgegangen bin ich als Oberfeldwebel.“

„Haben Sie noch Erinnerungsstücke an Ihre Armeezeit?“

„Na, was denken Sie denn?“ Peter musste bei dieser Frage schmunzeln. „Kommen Sie mal mit auf den Dachboden.“ Er holte seine alte Uniform heraus und aus einer Kommode kramte er ein Album hervor.

Sie blätterten gemeinsam die alten Fotos durch und Peter erzählte die eine und andere Geschichte. Er blühte bei seinen Erzählungen auf, wenn er manche Erinnerungsstücke zeigte. Offensichtlich hatte er auch sehr schöne Zeiten bei der Bundeswehr gehabt. Immer wieder wurden an verschiedenen Plätzen im Haus und im Garten Fotos gemacht.

„Ich ging mit einem lachenden und einem weinenden Auge. So ist es doch wohl meistens, oder? Jedenfalls, wenn es halbwegs in Ordnung war, was man gemacht hat.“

„So, Herr Kastor, und jetzt stellen Sie sich noch einmal kurz vor Ihre Vitrine mit den Sammeltassen Ihrer Frau. Ein wenig mehr nach links. Und … lächeln. Perfekt. Danke. Das war’s.“ Kevin Richter packte seine Kamera in den Zubehörkoffer und schaffte alles in den Kleinwagen des Koblenzer Tageskuriers.

„Prima, das waren also nun wirklich die letzten Bilder von mir in meinen eigenen vier Wänden“, dachte Peter Kastor.

„Dürfen wir Sie an Ihrem ersten Tag in Moselblick noch einmal interviewen und vielleicht auch noch ein paar Tage oder Wochen danach? Wir möchten gerne sehen, wie zufrieden Sie mit der Einrichtung sind und wie es Ihnen in den nächsten Wochen ergeht.“

„Es war heute ein nettes Gespräch, Herr Walters, ich bin einverstanden.“

„Schön, dann bis bald, bis zum 14. Mai.“

Achter Stock - Endstation

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