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Peter Kastors Interview in Moselblick
Оглавление„Guten Tag, Herr Kastor, schön Sie wieder zu sehen“, sagte Leon. „Dürfen wir in Ihr neues Reich eintreten?“
„Natürlich, ich grüße Sie, Herr Walters. Kommen Sie rein in das kleine, neue, bescheidene Zuhause“, entgegnete Peter. „Ob wir hier alle Platz zum Sitzen finden, wage ich zu bezweifeln, Herr Walters.“
„Ach was, der soll was schaffen“, sagte Leon und deutete zum Fotografen hinüber.
Prompt blitzte es und er machte ein Foto von Peter bei der Begrüßung.
„Wollen wir uns auf den Balkon setzen?“, fragte Peter.
„Gerne, frische Luft tut immer gut“, entgegnete Leon.
Klick, ein weiteres Foto von der Balkonszene.
„Na, wie fühlen Sie sich, an Ihrem ersten Tag hier?“, fragte Leon.
„Was denken Sie? Bescheiden wäre geprahlt. Das dauert sicher einige Tage, bis ich mich damit abfinden kann, in so einem Betonklotz zu leben. Schwester Mia, die ist nett und erinnert mich an Susanne in jungen Jahren, mein Tischnachbar beim Essen scheint auch in Ordnung. Aber …“ Peter fing an zu weinen.
Der Fotograf hielt gnadenlos drauf und machte ein Foto. Peter schaute auf und Leon deutete mit der Hand in Richtung Fotograf, dass er aufhören sollte.
„Kevin, besorg uns mal etwas zum Kaffee“, sagte Leon.
„Ist gut, Chef, mache ich. Was möchten Sie?“
„Egal, geh einfach los und besorg uns dreien etwas, okay“, sagte Leon unwirsch und schaute mit einem bestimmenden Blick.
„Ich weiß, Herr Kastor, es ist schwer.“
„Ja, aber dass es so schwer ist, hätte ich nicht gedacht“, antwortete Peter.
Peter erzählte vom Leben seiner Eltern. Ihr Altwerden war so anders als das hier im Seniorenstift. Sein Vater starb bei einem Unfall auf dem Hof mit 55. Er war gerade beim Ackern in einem vor vielen Jahren der Natur abgetrotzten Gelände eines Weinberges. Es war dort extrem abschüssig, so kam er unter den umkippenden Traktor und wurde zerquetscht wie eine Nuss von einem Nussknacker. Der Arzt stellte den Tod fest und hielt mühevoll die Familie davon ab, den Vater noch einmal sehen zu wollen. „Behalten Sie ihn so in Erinnerung, wie Sie ihn kannten“, sagte er.
„Mutter half Martin bis zu ihrem Tod auf dem Hof. Wissen Sie, Mutter wurde immer verbitterter, schlief wenig und kam mit dem Tod von Papa kaum zurecht. Dafür arbeitete sie wie ein Tier. Martin heiratete nie. Für so etwas war erstens gar keine Zeit und wer wollte einen Bauern als Ehemann, womöglich Tag und Nacht und rund ums Jahr auf dem Hof mitarbeiten“, erzählte Peter.
„Klingt fast, als wären die beiden wie ein ungleiches Ehepaar. Mutter und Sohn“, antwortete Leon.
Peter schaute ein wenig betroffen, nickte dann zustimmend.
„Eines Morgens, mit 68, wurde Mutter dann einfach nicht mehr wach. Ich habe mich oft gefragt, ob sie überhaupt je ein Leben vor dem Tod gehabt hatte. Und ich hoffe, sie hat jetzt ein schönes Leben nach dem Tod, mit Vater, so wie sie es sich immer gewünscht hat“, bemerkte Peter. „So ein bisschen wie bei den Hindus: Wenn du im jetzigen Leben viel gelitten hast, dann wirst du im nächsten dafür belohnt – hoffentlich. Martin jedenfalls glaubte fest an eine überirdische Macht, wobei er nie verstand, warum Gott unseren Vater so früh zu sich geholt hatte. Er war ein guter Mensch. Der Pfarrer konnte ihm da keine befriedigende Antwort geben. Für Martin begann nach dem Tod von Mutter jedenfalls eine neue, ernste Zeit.“
Es klopfte. Schwester Mia Neumann stand im Raum.
„Ah, Sie haben Besuch, Herr Kastor. Dann komme ich später wieder. Es wäre sonst Zeit gewesen, Ihnen unseren AWA 3000 vorzustellen“, sagte sie.
„Nein, nein, wenn Herr Kastor einverstanden ist, würde ich ihn gerne begleiten. Wir machen eine Geschichte für unsere Leser. Die wären vom AWA sicher begeistert. Ist das für Sie in Ordnung, Herr Kastor? Ohne Fotos versteht sich. Kevin ist ohnehin unterwegs.“
Schwester Mia schaute misstrauisch. „Na, ich weiß nicht, ob Herr Kastor dabei wirklich Begleitung haben möchte?“
„Doch, ist in Ordnung, Schwester Mia“, antwortete Peter.
„Fein, dann los“, sagte Leon und Mia nickte.