Читать книгу Achter Stock - Endstation - Hans-Jürgen Setzer - Страница 12
Gute Miene zum bösen Spiel
ОглавлениеLeon hatte seinen Artikel über die Führung durch die Seniorenresidenz geschrieben und alle schienen zufrieden zu sein. In all den Jahren hatte er gelernt, eigene Gefühle so lange zu verbergen, bis er an die ganz große Sensation herangekommen war. Und die war einfach noch nicht zu finden. Deshalb schrieb er auch einen kurzen Artikel über die tollen neuen Arbeitsmethoden unter der sehr guten Führung von Frau Liebenstein. Aus dem Interview mit weiteren Erkenntnissen sollte später ein anderer Artikel werden. Ein tiefes Bauchgefühl sagte ihm, dass er in Moselblick noch eine Sensationsstory kriegen würde, und dafür durfte er sich den Weg nicht verbauen.
Anna Liebenstein ließ ihm über den Chef herzlich danken und zu aller Überraschung erhielt Leon Walters sogar eine schriftliche Einladung zu einem Exklusivinterview über das Thema: Dringend nötige Änderungen im Seniorenversorgungsgesetz.
„Gut gemacht, Walters, danke für Ihren Einsatz“, sagte der alte Paffrath kurz und knapp im Vorbeigehen bei seinem Morgenrundgang.
Ein Lob hörte natürlich Leon gerne. Nur, irgendwie kam es ihm falsch vor, als Sprachrohr für Frau Liebenstein zu arbeiten. Er konnte es noch nicht so recht greifen. Daher nahm er sich vor, weiter an den Themen Altenpflege und Seniorenresidenz Moselblick unter der Leitung von Frau Liebenstein dran zu bleiben. Doch dafür bedurfte es nun einiger Vorkehrungen. Der erste Schritt war ja gut gelaufen. Und so sollte es bleiben.
Es gab nun zwei Möglichkeiten: Mit Anna Liebenstein ein Exklusivinterview durchzuführen oder erst einmal einfach einen Anruf von ihr abzuwarten. Er brauchte vorsichtshalber ihren Segen, um die Geschichte mit Peter Kastor offiziell zu machen. Schließlich saß ihm der Alte im Nacken. Er nahm den Hörer und wählte.
„Guten Morgen, liebe Frau Ullrich. Ich weiß nicht, ob wir uns schon kennen? Mein Name ist Leon Walters vom Koblenzer Tageskurier.“
„Aber sicher, Herr Walters. Sie waren doch kürzlich bei der Presseführung dabei. Frau Liebenstein scheint mir ganz angetan von Ihnen.“ Bei dem Aussprechen des Satzes musste Celine Ullrich schmunzeln.
„So, das ist ja interessant. Ich hätte gedacht, in so einer Menge von Journalisten geht der Einzelne unter. Umso besser, Frau Ullrich, ist Ihre Chefin frei? Sie hatte mir ein Exklusivinterview angeboten und ich würde gerne einen Termin ausmachen und hätte noch eine Frage an sie.“
Leon Walters reckte in seinem Großraumbüro die Faust mit gestrecktem Arm nach oben, wie nach einem Turniersieg beim Tennis.
„Es tut mir leid, Frau Liebenstein ist in einer wichtigen Besprechung. Wir können gerne einen Termin ausmachen und ich richte gerne Ihre Grüße und Mitteilungen aus.“ Frau Ullrich schaffte es tatsächlich, gleichzeitig mit Leon Walters zu telefonieren und nebenher ihre Fingernägel zu lackieren.
„Von Frau Liebenstein bräuchte ich das Einverständnis mit einem neu ankommenden Bewohner ein Interview zu führen. Wir würden gerne den Übergang vom Leben vor dem Seniorenheim in die Seniorenresidenz in einer Geschichte herausbringen. Wir könnten hinterher das Interview mit Frau Liebenstein einbinden oder eine separate Geschichte daraus machen. Wie wollen wir denn jetzt vorgehen, liebe Frau Ullrich?“
„Herr Walters, ich sehe da kein Problem. Ich werde nach der Besprechung Ihr Anliegen Frau Liebenstein vortragen und melde mich dann. Einverstanden?“
„Das wäre großartig. Dafür haben Sie einen Wunsch frei“, flirtete Leon.
„Gut, ich werde mir etwas Nettes überlegen, sparen Sie schon einmal kräftig“, antwortete sie im gleichen Ton, sichtlich erfreut.
„Einen schönen Sonnentag wünsche ich Ihnen.“ Leon rutschte dabei etwas unruhig auf seinem Bürostuhl hin und her und grinste.
„Das wünsche ich Ihnen ebenfalls, Herr Walters. Bis später.“ Celine Ullrich fand das Telefonat mit Leon Walters ganz amüsant. Es war mal eine nette Abwechslung im grauen Alltag als Vorzimmerdame in einem Seniorenstift.
„Sag mal Leon, dir muss man ja fast das Grinsen aus dem Gesicht schneiden“, witzelte der Sportredakteur am Nachbarschreibtisch.
„Nö, lass mal das Messer stecken, so ein Grinsen macht sich doch gut.“
Leon nippte zufrieden an seiner Kaffeetasse und stellte sich Celine Ullrich und Anna Liebenstein in ihren Büros vor. Der Gedanke schien ihm zu gefallen.