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Ein Aprilscherz und seine Folgen
ОглавлениеBei der Fortführung der Reihe Das gute Buch ergab es sich, dass der Sendetermin für die 11. Folge auf den 1. April fiel. Redakteur Wolfgang Stemmler kam auf die Idee, zu diesem Datum kein gutes Buch vorzustellen, sondern ein schlechtes.
Es war wie so oft: Wer eine besondere Idee hatte, wurde mit ihrer Umsetzung beauftragt. Wolfgang Stemmler notierte aus der Erinnerung: "Ich nahm mir den Kitschroman und den Krimi-Schmöker vor. Schmöker gab es an jedem Zeitungskiosk, und als Beispiel für Kitsch nahm ich den Roman »Bianca Maria« von Reinhold Conrad Muschler. Die Dialoge sollten gespielt, die Zwischentexte in die Kamera gelesen werden." (4)
Die Sendung hieß Bianca Maria und der triefende Dolch und war das erste Fernsehkabarett. Über den Spaß an der Arbeit und die räumlichen Bedingungen im Ansagestudio berichtete Maria Kühne, besetzt mit der Titelrolle: "Werner Peters, in gutedelbürgerlichem Zwanzigerjahreschlafrock, las mit Monokel, Betonung und Empfindung und leitete die folgenden Spielszenen ein.
Gottfried Herrmann mit gepflegten Locken, im Frack mit weißem Seidenschal - wie sonst kleidet man sich denn in jenen Kreisen? - konversierte tiefsinnig mit der hinreißend reizvollen dunklen Schönheit Irmgard Düren, die, in schillernde Seide gehüllt, am Rosenstaket lehnte, die Schlange!
Doch der edle, suchende, ach so einsame jugendliche Held wandelt durch den schwarzen Samt der Nacht... - Achtung beim Umdrehen, daß man sich das Knie nicht am Sprechertisch stößt! Die Kamera schwenkt weiter und folgt dem Gedankenverlorenen vielleicht zwanzig Zentimeter, höchstens fünfundzwanzig Zentimeter, mehr waren es bestimmt nicht; es mußte schon damals Präzisionsarbeit geleistet werden...
Also, die Kamera schwenkt weiter und findet nun in der sanften Landschaft des frühsommerlichen Parks - der in einer Größe von 120 cm mal 200 cm schön perspektivisch auf die Pappe gemalt war, die sonst der Wetterkarte als Hintergrund diente - die seelenvoll wandelnde blonde Bianca Maria Kühne. Traumvoll versonnen ahnt die edle Dame noch nicht, daß ihr der heimlich Geliebte gefolgt ist, sie wird es gleich bemerken.
Gottfried Herrmann wendet sich um, und der Raum zwischen Sprechertisch und Rückwand, der so weit wie ein Stuhl breit ist, wird zur neuen Szene, in der weitere weltseelenbewegende Sentenzen ausgetauscht werden. Ihr selig-verklärtes Lächeln, den Herrmannschen Lockenkopf am Busen - das war der Höhe- und Schlußpunkt unserer Szenen, die wir schön von links nach rechts hinüber gespielt hatten, weil ja der Grundriß des Studios zu beachten war." (1)
Der durchschlagende Erfolg dieser Sendung machte ihren Autoren Wolfgang Stemmler vom nächsten Tag an zum Leiter und zunächst einzigen Mitarbeiter der neuen Redaktion Unterhaltung. An diese Situation erinnerte er sich später so:
"Nun also die große Frage: Was für Unterhaltungssendungen kann man machen in dem immer noch einzigen kleinen Studio? Da kam wie der Deus ex Machina am selben Tag Herr Ludwig Trautmann aus Westberlin, um diese Zeit um die 60 Jahre alt. Er war Schauspieler beim Stummfilm und wollte Filme aus jenen Stummfilmjahren verkaufen, die bei ihm im Keller lagerten. Ich griff sofort zu. Wir zahlten den geforderten Preis in DDR-Mark. Ein Aufnahmeleiter holte im Rucksack die Filme, und am 6.4.1953 kam die erste Sendung Mensch, so'n Kintopp - da saß der Berliner Schauspieler Gerhard Wollner in Kostüm und Maske eines damaligen Kinoerzählers im winzigen Studio und lud die Zuschauer ein ins »Admirals-Kinematographentheater«. (Das gab es einst wirklich.) Dann kommentierte er den Film, den er auf dem Monitor sah. Dazu spielte Hans-Hendrik Wehding ...die entsprechende Musik auf dem Klavier. Der war nicht im Bild. Diese Sendung kam dann in regelmäßigen Abständen." (4)
Wolfgang Stemmler blieb nicht lange Ein-Mann-Abteilung. Überhaupt: In jener Zeit hatte wohl niemand das Gefühl, auf sich allein gestellt zu sein. Jeder empfand, über die eigene Arbeit hinaus, eine Mitverantwortung für das Ganze. Neid und Missgunst gab es – meiner Erinnerung nach – noch nicht. Man wusste voneinander, verfolgte anteilnehmend die Sendungen der Kolleginnen und Kollegen, bildete im besten Sinne eine Gemeinschaft. Und das schloss jede Berufsgruppe mit ein. Man kannte alle, die damals noch wenigen Kameraleute, Beleuchter und Bühnenhandwerker, die Tonmeister, ihre Assistenten, die Kolleginnen vom elektronischen Bildschnitt und natürlich die oft terminrettenden Kraftfahrer – vom Küchenpersonal ganz zu schweigen. Es gab noch keine Trennung zwischen Künstlern und Journalisten oder zwischen den Programmleuten auf der einen und den Technikern auf der anderen Seite. Das gesamte Personal des Senders in Adlershof mitsamt allen Technikern und Bürokräften zählte im Frühjahr 1953 wenig über zweihundert Personen.