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3.1.5 Stärkung der Rechtsstellung des Vorsitzenden eines Organs

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Fraglich ist, inwieweit die Stellung des Vorsitzenden des Aufsichts- oder Leitungsorgans durch die Satzung gestärkt werden kann. Denkbar wäre beispielsweise, dem Vorsitzenden ein Veto-Recht oder das Recht zuzubilligen, andere Mitglieder des Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu einem bestimmten Verhalten anzuweisen. Insoweit ist zwischen Aufsichts- und Leitungsorgan zu unterscheiden:

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Beim Leitungsorgan steht dem Vorsitzenden – mangels abweichender Regelung in der Satzung – nach Art. 50 Abs. 2 S. 1 SE-VO das Stichentscheidsrecht zu, so dass dem Vorsitzenden des Leitungsorgans schon nach dem Leitbild der SE-VO eine herausgehobene Stellung zukommt. Welchen Spielraum der Satzungsgeber darüber hinaus in Bezug auf den Vorsitzenden hat, ergibt sich nicht unmittelbar aus der SE-VO. Überwiegend wird es für zulässig gehalten, dem Vorsitzenden des Leitungsorgans ein Veto-Recht einzuräumen.[25] Auch die registergerichtliche Praxis lässt ein satzungsmäßig etabliertes Veto-Recht des Vorsitzenden zu.[26] Damit könnte dieser auch gegen den Willen sämtlicher anderer Mitglieder des Leitungsorgans die Ablehnung eines Beschlussantrags bewirken. Für die Zulässigkeit eines Vetorechts lässt sich tatsächlich anführen, dass es ebenfalls nach Art. 50 Abs. 1 SE-VO möglich wäre, Einstimmigkeit für Beschlüsse vorzusehen. Ein solches Einstimmigkeitserfordernis würde in der Sache jedem Mitglied des Leitungsorgans ein Veto-Recht einräumen, so dass es erst recht zulässig sein muss, nur dem Vorsitzenden ein solches Recht zuzubilligen, denn der SE-VO lässt sich nicht der Grundsatz entnehmen, dass sämtliche Mitglieder des Leitungsorgans gleich zu behandeln sind. Dementsprechend kann für den Vorsitzenden ein Veto-Recht satzungsmäßig festgelegt werden.

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Dies gilt – anders als für die deutsche AG[27] – ebenfalls für die mitbestimmte SE. Denn Art. 50 Abs. 1 SE-VO differenziert nicht zwischen der mitbestimmten und nicht mitbestimmten SE. Zudem ist die Stellung des Arbeitsdirektors, anders als in der AG, nicht als gleichberechtigtes Organmitglied ausgestaltet.[28] Dies ergibt eine systematische Auslegung des § 38 SEBG. Während § 38 Abs. 1 SEBG ausdrücklich für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan anordnet, dass diese die gleichen Rechte und Pflichten haben, wie die Vertreter der Anteilseigner, fehlt diese Bestimmung in § 38 Abs. 2 SEBG für den Arbeitsdirektor im Leitungsorgan.[29] Für die SE gibt es dementsprechend keine dem § 33 Abs. 1 MitbestG entsprechende Vorschrift. Ein Veto-Recht kann dementsprechend durch die Satzung im Leitungsorgan der SE unabhängig davon angeordnet werden, ob die SE mitbestimmt ist oder nicht.

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Fraglich ist aber, ob dem Vorsitzenden des Leitungsorgans auch ein Alleinentscheidungsrecht oder das Recht, andere Organmitglieder anzuweisen, durch die Satzung eingeräumt werden kann. Dafür würde auch der Umstand sprechen, dass es dem Satzungsgeber ebenfalls möglich ist, ein Einpersonenleitungsorgan zu implementieren (Art. 39 Abs. 4 SE-VO, § 16 S. 1 SEAG), so dass es mit der Natur der dualistischen SE durchaus zu vereinbaren wäre, einer Person alleine die Leitung der SE zuzuweisen. Auf der anderen Seite hat die SE-VO das Prinzip des Kollegialorgans verankert,[30] mit dem sich eine derart herausgehobene Stellung des Vorsitzenden nicht in Einklang bringen lässt. Dementsprechend hält es die h.M. zu Recht für unzulässig, ein solches Letztentscheidungsrecht des Vorsitzenden satzungsmäßig (oder anderweitig) zu verankern.[31]

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Für das Veto-Recht im Aufsichtsorgan ist diese Frage nicht so eindeutig zu beantworten und ist auch im Schrifttum umstritten.[32] Auch insoweit könnte man anführen, dass ein Veto-Recht der Struktur des Aufsichtsorgans als Kollegialorgan entgegenstehen würde.[33] Teilweise wird auch auf § 38 Abs. 1 SEBG verwiesen, nach dem die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat die gleichen Rechte und Pflichten haben sollen wie die Vertreter der Anteilseignerseite.[34] Beides überzeugt letztlich nicht: § 38 Abs. 1 SEBG ist hinsichtlich der Frage der Beschlussfassung gegenüber der Satzung der SE nachrangig (Art. 9 Abs. 1 b SE-VO), denn Art. 50 Abs. 1 SE-VO räumt dem Satzungsgeber insoweit ausdrücklich das Recht ein, diese Frage (vorrangig vor nationalem Recht) zu regeln. Auch die Struktur des Aufsichtsorgans als Kollegialorgan spricht nicht gegen ein Veto-Recht des Vorsitzenden, denn das Veto-Recht ist ein bloß beschlussverhinderndes Instrument, so dass – unabhängig davon, wie man das Prinzip der kollegialorganschaftlichen Ausgestaltung im Detail versteht – ein Veto-Recht diesem Prinzip nicht entgegensteht.

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Folglich kann in der Satzung der SE – anders als in der Satzung der deutschen AG – sowohl für das Leitungs- als auch für das Überwachungsorgan ein Veto-Recht für den Vorsitzenden eingeräumt werden. Dies gilt auch, soweit die SE paritätisch mitbestimmt sein sollte. Gleichwohl empfiehlt es sich, soweit Veto-Rechte vorgesehen werden sollen, dies vorab mit dem Registergericht abzustimmen. Alleinentscheidungsrechte des Vorsitzenden sind indessen weder im Aufsichts– noch im Leitungsorgan zulässig.

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