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4 › IX. Hauptversammlung

IX. Hauptversammlung

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In Bezug auf die Satzungsregelungen zur Hauptversammlung kann in weiten Teilen auf die entsprechenden Regelungen einer deutschen AG verwiesen werden. Der die Hauptversammlung regelnde Abschnitt 4 des Titel III der SE-VO verweist gleich an mehreren Stellen (Art. 53 SE-VO, Art. 54 Abs. 2 SE-VO, Art. 56 SE-VO, Art. 57 SE-VO) auf nationales Aktienrecht. Dementsprechend richtet sich auch der Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers in weiten Teilen nach den nationalen Rechtsvorschriften.

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Die Aufgaben der Hauptversammlung werden in Art. 52 SE-VO festgelegt. Dementsprechend beschließt die Hauptversammlung nur über solche Angelegenheiten, für die ihr durch die SE-VO die alleinige Zuständigkeit übertragen wird, sowie in Angelegenheiten, für die bei nationalen AG die Hauptversammlung zuständig ist, und in Angelegenheiten, in denen die Satzung – im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften – die Zuständigkeit der Hauptversammlung begründet.

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Die Zuständigkeit der Hauptversammlung richtet sich nicht danach, ob die SE monistisch oder dualistisch strukturiert ist, sondern gilt für beide Organisationsverfassungen gleichermaßen.

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Der Satzungsgeber ist auch nicht, wie der Wortlaut von Art. 50 Abs. 1 SE-VO nahelegen könnte, dazu berechtigt, Regelungen zur Beschlussfähigkeit und Beschlussfassung festzulegen. Denn obwohl Art. 50 Abs. 1 SE-VO generell von Organen der SE spricht, betrifft diese Regelungsermächtigung – ausweislich der systematischen Verordnung im Abschnitt „Gemeinsame Vorschriften für das monistische und das dualistische System“ nicht die Hauptversammlung. Diese ist im darauffolgenden Abschnitt 4 gesondert geregelt.[1]

4IX › 1. Einberufung und Leitung der Hauptversammlung bei der dualistischen SE

1. Einberufung und Leitung der Hauptversammlung bei der dualistischen SE

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Art. 54 Abs. 2 SE-VO gewährt sowohl dem Leitungs- als auch dem Aufsichtsorgan das Recht, die Hauptversammlung jederzeit einzuberufen. Dementsprechend sind Satzungsregelungen, die sich an der Einberufungsregelung bei der deutschen AG orientieren, problematisch. Insbesondere die immer wieder vorzufindende Formulierung, dass die Hauptversammlung durch den Vorstand oder in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen durch den Aufsichtsrat einberufen wird, ist wegen Verstoßes gegen Art. 54 Abs. 2 SE-VO unwirksam und stellt ein Eintragungshindernis dar.[2] Die Frage, wer den Vorsitz in der Hauptversammlung übernimmt, richtet sich gem. Art. 53 SE-VO nach nationalem Recht, so dass typischerweise dem Vorsitzenden des Aufsichtsorgans die Leitung der Hauptversammlung übertragen wird.

4IX › 2. Einberufung und Leitung der Hauptversammlung bei der monistischen SE

2. Einberufung und Leitung der Hauptversammlung bei der monistischen SE

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Gemäß Art. 9 Abs. 1 c i SE-VO, § 22 Abs. 2 S. 1 SEAG hat das Verwaltungsorgan die Hauptversammlung einzuberufen, wenn es das Wohl der Gesellschaft erfordert. Auch wenn dies rechtlich nicht zwingend notwendig ist, wird vielfach die Einberufungskompetenz (deklaratorisch) in die Satzung der monistischen SE aufgenommen.

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Aus Gründen der Vorsicht sollte bei der monistischen SE aber davon Abstand genommen werden, die Einberufungsberechtigten in der Satzung enumerativ aufzuzählen, denn nach Art. 54 Abs. 2 SE-VO ist neben dem Verwaltungsorgan auch jedes andere Organ zur Einberufung berechtigt. Da nicht eindeutig geklärt ist, ob es sich bei den geschäftsführenden Direktoren um Organe der Gesellschaft handelt,[3] würde die (Nicht-)Nennung ggf. als Eintragungshindernis angesehen.[4] Zudem sollte davon Abstand genommen werden, die Hauptversammlung durch die geschäftsführenden Direktoren einberufen zu lassen, da die Einberufung durch eine unzuständige Person nach Art. 9 Abs. 1 c iVm. § 241 Nr. 1 AktG zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse führen würde.[5]

4IX › 3. Satzungsregelungen zum Quorum von Einberufungs- oder Ergänzungsverlangen

3. Satzungsregelungen zum Quorum von Einberufungs- oder Ergänzungsverlangen

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Wie auch in der deutschen AG haben Aktionäre, die über eine Mindestbeteiligungsquote verfügen, das Recht, die Einberufung der Hauptversammlung oder die Ergänzung der Tagesordnung zu verlangen. Hinsichtlich des erforderlichen Quorums gewährt Art. 55 Abs. 1 HS 2 SE-VO dem Satzungsgeber das Recht, das Quorum – in engen Grenzen – zu modifizieren. Da dieses Recht ebenfalls dem nationalen Gesetzgeber eingeräumt wurde, stellt sich insoweit die Frage nach dem Gestaltungsspielraum für den Satzungsgeber. Der deutsche Gesetzgeber hat von der Regelungsermächtigung in Art. 55 Abs. 1 HS 2 SE-VO durch § 50 SEAG Gebrauch gemacht. Nach dieser Vorschrift können Aktionäre, deren Anteil am Grundkapital mindestens 5 % beträgt, die Einberufung der Hauptversammlung verlangen (§ 50 Abs. 1 SEAG). Hinsichtlich der Ergänzung der Tagesordnung sieht § 50 Abs. 2 SEAG zusätzlich vor, dass auch ein anteiliger Betrag am Grundkapital in Höhe von 500 000 EUR ausreicht.

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Dementsprechend ist für den Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers zunächst klar, dass dieser auch niedrigere Quoren als die in § 50 SEAG vorgesehenen festlegen kann.[6] Umstritten ist hingegen, ob es dem Satzungsgeber ebenfalls gestattet ist, dass in § 50 SEAG vorgesehene Quorum auf die 10 % Schwelle des Art. 55 SE-VO anzuheben und damit den Minderheitenschutz der SE im Verhältnis zur deutschen AG zu reduzieren. Ausgangspunkt dieser Diskussion ist der Wortlaut von Art. 55 Abs. 1 HS 2 SE-VO bzw. Art. 56 S. 3 SE-VO. Hierbei geht es namentlich um die Frage, ob der Zusatz „unter denselben Voraussetzungen, wie sie für Aktiengesellschaften gelten“ sich nur auf die zweite Alternative oder auch auf die Satzungs-Alternative bezieht. Da kein Grund dafür ersichtlich ist, dass der Verordnungsgeber von der in Art. 9 SE-VO vorgesehenen Normenhierarchie[7] abweichen wollte, ist es dem Satzungsgeber gestattet, das Mindestquorum über der von § 50 SEAG vorgesehenen Mindestschwelle von 5 % festzulegen. Obergrenze ist aber in jedem Fall der Schwellenwert in Art. 55 Abs. 1 HS 2 SE-VO bzw. Art. 56 S. 3 SE-VO.[8] Hätte der Verordnungsgeber von der Normenhierarchie des Art. 9 SE-VO abweichen wollen, hätte er eine Formulierung wie in Art. 52 a. E. SE-VO gewählt.[9]

4IX › 4. Verfahren und Fristen für Ergänzungsverlangen

4. Verfahren und Fristen für Ergänzungsverlangen

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Art. 56 S. 2 SE-VO sieht vor, dass das Verfahren und die Fristen für den Ergänzungsantrag sich nach dem einzelstaatlichen Recht des Sitzstaats der SE oder, sofern solche Vorschriften nicht vorhanden sind, nach der Satzung der SE richtet. Da das SEAG weder in Bezug auf das Verfahren noch in Bezug auf die Fristen für das Ergänzungsverlangen Vorschriften vorsieht, kann der Satzungsgeber entsprechende Regelungen in der Satzung aufnehmen.

4.1 Zeitliche Vorgaben für die Antragsstellung

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Der Satzungsgeber kann und sollte zweckmäßigerweise von seinem Recht Gebrauch machen, den Ergänzungsantrag an zeitliche Vorgaben zu knüpfen. Insoweit bietet es sich an, dass der Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung erst dann gestellt werden kann, wenn die Tagesordnung überhaupt bekannt gemacht worden ist, denn anderenfalls wäre ein solcher – durchaus mit Aufwand für die Gesellschaft verbundener – Antrag auch schon vor Bekanntmachung der Tagesordnung statthaft.[10]

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Auch hinsichtlich des Zeitpunkts der spätestmöglichen Antragstellung bieten sich Satzungsregelungen an. Soweit solche nicht aufgenommen würden, würden über Art. 9 Abs. 1 c ii die für deutsche AG geltenden Regelungen eingreifen. Dementsprechend können Ergänzungsanträge so lange gestellt werden, wie es noch möglich ist, diese vor der Hauptversammlung ohne schuldhaftes Zögern bekannt zu machen (§ 124 Abs. 1 S. 1 AktG). Da auch diese Bekanntmachungen – gerade bei kurz vor der Hauptversammlung eingehendem Ergänzungsverlangen – mit erheblichem administrativen Aufwand verbunden sind, empfiehlt es sich, eine entsprechende Regelung in der Satzung aufzunehmen. Praktikabel erscheint insoweit die Antragsstellung bis zum Ablauf des zehnten Tages vor Beginn der Hauptversammlung.[11]

4.2 Form der Antragsstellung

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Soweit die Satzung keine Bestimmung über die Form der Antragsstellung enthält, greift über Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO das Schriftformgebot aus §§ 126, 126a Abs. 1 BGB, § 122 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AktG ein.[12] Insoweit sind sowohl Erleichterungen (bspw. Textform, § 126 BGB) als auch an Verschärfungen (z. B. öffentliche Beglaubigungen, § 129 BGB) denkbar.

4.3 Antragsinhalt

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Auch hinsichtlich des Antragsinhalts ist es dem Satzungsgeber gestattet, Anforderungen festzulegen. Insoweit ließe sich daran denken, die Zulässigkeit des Ergänzungsantrags davon abhängig zu machen, dass ein konkreter Beschlussvorschlag formuliert, der Nachweis der Aktionärseigenschaft formalisiert oder als Zulässigkeitsvoraussetzung ausdrücklich festgelegt wird, dass die Aktionärseigenschaft noch bis zum Beginn der Hauptversammlung vorliegen muss.

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Zudem empfiehlt es sich, den Adressaten des Ergänzungsverlangens in der Satzung aufzunehmen.

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Demgegenüber ist es nicht zulässig, in der Satzung als Antragsvoraussetzung eine Mindesthaltedauer festzuschreiben. Eine solche Satzungsregelung würde gegen Art. 56 S. 1 SE-VO verstoßen und wäre damit unbeachtlich (Art. 9 Abs. 1 a SE-VO).[13]

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