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2.4.1 Vorsitzender und Stellvertreter

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Das Verwaltungsorgan hat aus seiner Mitte einen Vorsitzenden zu wählen (Art. 45 S. 1 SE-VO). § 34 SEAG bestimmt dazu ergänzend, dass neben dem Vorsitzenden nach näheren Bestimmungen der Satzung auch mindestens ein Stellvertreter zu wählen ist. Die Vorschrift lehnt sich insofern an § 107 Abs. 1 AktG, d.h. die Regelung zur inneren Ordnung des Aufsichtsrats, an. Ebenso wie der Stellvertreter des Vorsitzenden des Aufsichtsorgans muss bei einer paritätisch mitbestimmten SE der Stellvertreter des Vorsitzenden des Verwaltungsorgans ein von den Aktionären der Hauptversammlung bestelltes Mitglied sein.[48] In § 34 Abs. 2 SEAG ist vorgesehen, dass der Verwaltungsrat sich eine Geschäftsordnung geben kann. Diese Regelung ist in enger Anlehnung an § 77 Abs. 2 AktG konzipiert.

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Generell ist festzustellen, dass sich die Vorschriften über die innere Ordnung, die Einberufung und auch die Beschlussfassung des Verwaltungsorgans an die entsprechenden Regeln des AktG für den Aufsichtsrat, teilweise auch für den Vorstand anlehnen. Teilweise wird dies als Überregulierung angesehen und für eine kürzere und flexiblere Abfassung des SEAG plädiert.[49] Angesichts der weitgehenden Normierung der Unternehmensleitung im dualistischen Modell scheint es aus Gründen der Rechtssicherheit allerdings vernünftig, die entsprechende Anwendung für das monistische Modell jeweils im SEAG durch einen Verweis oder durch weitgehend inhaltsgleiche Übernahme der Vorschriften zu regeln. Anderenfalls bestünde die unnötige Rechtsunsicherheit, wann welche Normen des dualistischen Modells zur Schließung von Lücken im monistischen Modell herangezogen werden können und müssen.[50]

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Die Kompetenzen des Verwaltungsratsvorsitzenden werden in der SE-VO nicht geregelt. Art. 50 Abs. 2 SE-VO räumt den Vorsitzenden aller Organe und damit auch dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats einen Stichentscheid bei Abstimmungen ein. Hiervon kann durch die Satzung abgewichen werden. Bei der mitbestimmten SE kann dieser Stichentscheid jedoch nicht abbedungen werden. Hieran zeigt sich, dass dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats eine relativ starke Stellung eingeräumt werden soll. Bei ausländischen Board-Systemen ist häufig der Vorsitzende des Verwaltungsrats gleichzeitig Vorsitzender der geschäftsführenden Direktoren oder Generaldirektor des Exekutivausschusses. Dies ist z.B. in Frankreich beim PDG (President-Directeur-General) der Fall.[51] Zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens ist ein neuer § 35 Abs. 3 SEAG in das Gesetz eingefügt worden, wonach in den Fällen, in denen ein geschäftsführender Direktor zugleich Mitglied des Verwaltungsrats ist, und dieser aus rechtlichen Gründen gehindert ist, an der Beschlussfassung im Verwaltungsrat teilzunehmen, der Vorsitzende des Verwaltungsrats eine zusätzliche Stimme erhält. Diese Ergänzungsstimme des Verwaltungsratsvorsitzenden ist eingefügt worden, um Stimmungleichgewichte im monistischen System auszugleichen.[52]

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Eine Einschränkung, dass der Vorsitzende des Verwaltungsrats nicht gleichzeitig Vorsitzender der geschäftsführenden Direktoren sein kann, enthält weder die SE-VO noch das SEAG. § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG lässt ausdrücklich zu, dass Mitglieder des Verwaltungsrats zu geschäftsführenden Direktoren bestellt werden können, und macht nur die Einschränkung, dass die Mehrheit des Verwaltungsrats weiterhin aus nicht geschäftsführenden Mitgliedern zu bestehen hat. Grundsätzlich ist es daher möglich, dass der Vorsitzende des Verwaltungsrats gleichzeitig geschäftsführender Direktor oder sogar Vorsitzender der geschäftsführenden Direktoren ist. In der Gesetzesbegründung wird dies aufgrund der dadurch entstehenden besonderen Machtfülle zwar nicht für sinnvoll gehalten. Ein gesetzliches Verbot der Wahrnehmung beider Funktionen enthält das SEAG jedoch nicht.[53] Aufgrund dieser flexiblen Gestaltungsmöglichkeit, bei der der Vorsitzende des Verwaltungsrats zugleich geschäftsführender Direktor bzw. Vorsitzender der geschäftsführenden Direktoren ist, kann die monistische Leitungsstruktur dem aus dem US-amerikanischen Recht bekannten CEO-Modell angenähert werden und ist damit interessant für inhabergeführte Familienunternehmen. Dem Gesellschafter gelingt es auf diese Weise, seinen beherrschenden Einfluss sowohl faktisch als auch rechtlich abzusichern.[54]

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Es ist nicht zu verkennen, dass die teilweise Personenidentität von Verwaltungsratsmitgliedern und geschäftsführenden Direktoren zu einer Optimierung des Informationsflusses und damit zu einer Beschleunigung der Entscheidungsprozesse führt.[55] Dem Ziel einer flexiblen Unternehmensführung dient auch die Empfehlung des DCGK zur Hierarchisierung des Vorstands, wonach der Aufsichtsrat gem. Ziff. 5.2 mit dem Sprecher des Vorstands über die Strategie, die Geschäftsentwicklung und das Risikomanagement des Unternehmens beraten und sich abstimmen soll.[56]

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Gegen eine personenidentische Besetzung des Vorsitzes im Verwaltungsrat und des Vorsitzes der geschäftsführenden Direktoren spricht, dass die auch im monistischen System erforderliche Trennung zwischen Überwachung und Geschäftsführung gefährdet wird. Auch der Kapitalmarkt steht einer derartigen Machtfülle eher skeptisch gegenüber. Im Rahmen der anglo-amerikanischen Corporate Governance-Diskussion wird daher auch eine Trennung des Chairman of the Board und des CEO befürwortet.[57] Eine solche Trennung entspricht auch dem 14. Erwägungsgrund der SE-VO, der auch im monistischen System eine Trennung von Überwachung und Geschäftsführung fordert. Dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats kommt wie dem Aufsichtsratsvorsitzenden im dualistischen System die Aufgabe zu, die Überwachungsaufgaben des Verwaltungsrats zu koordinieren und die Vertretung des Verwaltungsrats gegenüber den geschäftsführenden Direktoren auf der Grundlage des Plenumsbeschlusses wahrzunehmen. Um die gebotene Neutralität für die Überwachung zu wahren, sollte der Vorsitzende des Verwaltungsrats daher nicht geschäftsführender Direktor sein.[58]

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Das Problem der entstehenden Machtfülle des Vorsitzenden des Verwaltungsrats bei gleichzeitiger Zuweisung der Geschäftsführung hat der Gesetzgeber erkannt. Er hat daraus aber nur den Schluss gezogen, dass eine gesetzliche Zuweisung der Geschäftsführung an den Vorsitzenden des Verwaltungsrats wegen der dadurch entstehenden Machtfülle nicht sinnvoll erscheint.[59] De lege lata ist die Personenidentität daher unerwünscht aber zulässig.

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Der Gesetzgeber hätte dem 14. Erwägungsgrund zur SE-VO sowie den dargestellten Corporate Governance-Grundsätzen folgend in § 40 SEAG anordnen sollen, dass der Vorsitzende des Verwaltungsrats nicht zugleich geschäftsführender Direktor sein darf. Um die Effektivität der Geschäftsführung und den Informationsfluss zu optimieren, hätte der Vorsitzende der geschäftsführenden Direktoren einfaches Mitglied des Verwaltungsrats sein können.[60]

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