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2.5.2.1 Konzernrecht

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Die SE ist gründungsbedingt Teil eines Konzerns oder anders ausgedrückt ein genuiner Konzernbaustein.[75] Die SE-VO enthält keine konzernrechtlichen Vorschriften. Dies beruht sicher auch darauf, dass ein einheitliches Konzernrecht in Europa nicht existiert.[76]

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Der nationale Gesetzgeber geht in § 49 SEAG jedoch davon aus, dass die SE ein abhängiges Unternehmen in einem Konzernverbund oder in einem eingegliederten Unternehmen sein kann, indem er bestimmt, dass die besonderen konzernrechtlichen Pflichten des Vorstands einer abhängigen oder eingegliederten Gesellschaft von den geschäftsführenden Direktoren wahrzunehmen sind.[77] Mit dieser Maßgabe unterliegt die SE gem. Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO den deutschen konzernrechtlichen Bestimmungen.[78]

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Ob und inwieweit auf eine SE das deutsche Konzernrecht anwendbar ist, ist umstritten.[79] Teilweise wird vertreten, dass eine SE weder im faktischen noch im Vertragskonzern Konzerntochter sein könne und zwar sowohl im dualistischen als auch im monistischen System.[80] Da das Konzernrecht an anderer Stelle ausführlich behandelt wird,[81] soll an dieser Stelle nur die Auswirkung der Geschäftsführungsverteilung im monistischen System auf Konzernsachverhalte kurz skizziert werden.

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Bei einer SE im dualistischen System ergeben sich keine Unterschiede zur AG. Denn das System der §§ 291 ff. AktG ist auf eine Gesellschaft mit einem zur Geschäftsführung und Leitung der Gesellschaft verpflichteten Vorstand und einem zur Überwachung berufenen Aufsichtsrat zugeschnitten.[82]

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Bei einer SE mit monistischem System im Vertragskonzern stellt sich die Frage, wer Adressat der Weisung der Obergesellschaft ist. Gem. § 308 Abs. 1 S. 1 AktG ist der Vorstand Adressat der Weisung. Bei der SE sind dies gem. § 46 S. 1 SEAG der oder die geschäftsführenden Direktoren.

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Problematisch kann hier sein, ob sich das Weisungsrecht der Obergesellschaft auch auf Angelegenheiten erstrecken darf, die in die Zuständigkeit des Verwaltungsrats fallen. Der Abschluss eines Beherrschungsvertrages bedeutet gem. § 291 Abs. 1 AktG, dass die abhängige Gesellschaft sich der Leitung der herrschenden Gesellschaft unterstellt. Die herrschende Gesellschaft ist demnach berechtigt, nachteilige Rechtsgeschäfte durchzusetzen. Doch die durch die Beherrschung vermittelte Unterstellung betrifft sowohl die Geschäftsführung als auch die Leitung der SE. Durch den Beherrschungsvertrag wird somit auch die Leitungszuständigkeit des Verwaltungsrats beschnitten. Die interne Kompetenzverteilung zwischen dem Verwaltungsrat und den geschäftsführenden Direktoren wird durch die Weisung des herrschenden Unternehmens überlagert.[83] Auch das Verfahren der Ersetzung der Zustimmung gem. § 308 Abs. 3 AktG kann eingehalten werden. Anstelle des Aufsichtsrats entscheidet der Verwaltungsrat über die Zustimmung. Wenn er die Zustimmung verweigert, greift das Ersetzungsrecht des herrschenden Unternehmens ein.[84]

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Bei einer SE mit monistischem System als abhängiger Gesellschaft in einem faktischen Konzern fragt es sich, ob die Konzeption der §§ 311 ff. AktG, die dem herrschenden Unternehmen nachteiligen Einfluss auf die Tochtergesellschaft erlaubt, sofern es die nachteiligen Einflussnahmen bis zum Ende des Geschäftsjahres ausgleicht, umsetzbar ist. Wenn der Nachteilsausgleich nicht möglich ist, sind Unternehmen und seine Organe gem. § 317 AktG zum Ersatz des Schadens verpflichtet.[85] Um den durch die Nachteilszufügung entstandenen Schaden feststellen zu können, hat der Vorstand einen Abhängigkeitsbericht zu erstellen (§ 312 AktG), der durch den Abschlussprüfer (§ 313 AktG) und den Aufsichtsrat (§ 314 AktG) zu prüfen ist. Bei einer SE im monistischen System stellen die geschäftsführenden Direktoren gem. Art. 46 Abs. 1 SEAG den Abhängigkeitsbericht auf. Geprüft wird der Abhängigkeitsbericht aufgrund des Generalverweises in § 22 Abs. 6 SEAG durch den Verwaltungsrat.[86]

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Die Zuständigkeiten sind damit gesetzlich eindeutig geregelt. Die Bedenken, dass die geschäftsführenden Direktoren den Abhängigkeitsbericht nicht frei vom Einfluss des Verwaltungsrats aufstellen können, weil sie weisungsgebunden sind,[87] können nicht überzeugen, da ein Ermessen der geschäftsführenden Direktoren im Bereich der Erstellung des Abhängigkeitsberichtes nicht besteht. Sie haben ihrer gesetzlichen Pflicht zu entsprechen. Dabei bestehen weder Weisungsrechte des Verwaltungsrats noch der Hauptversammlung.[88]

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Grundsätzlich berechtigt sind die Bedenken, dass der von den geschäftsführenden Direktoren aufgestellte Abhängigkeitsbericht vom Verwaltungsrat zu prüfen ist und im Verwaltungsrat als nicht geschäftsführende Mitglieder in der Regel Vertreter des herrschenden Unternehmens sitzen. Abhilfe könnte insofern der Vorschlag der Einrichtung eines neutralen Prüfungsausschusses bringen.[89] Die Bedenken gegen die Neutralität der Verwaltungsratsmitglieder stellen jedoch keine Besonderheit der SE im monistischen System dar. Auch bei einer SE im dualistischen System und bei einer AG ist der Aufsichtsrat in der Regel mit Vertretern des herrschenden Unternehmens besetzt. Wenn dies nicht als akzeptabel angesehen wird, müsste die Regelung in § 314 AktG vom Gesetzgeber modifiziert werden. Eine Auslegung dahingehend, dass ein vom Gesetz nicht vorgesehenes Prüfungsverfahren angewandt werden soll, wäre contra legem,[90] zumal dem Gesetzgeber die in der Literatur erhobenen Bedenken und Änderungsvorschläge bekannt waren. Eine Lösung könnte sich über den DCGK anbieten, indem dort die Einrichtung eines Prüfungsausschusses, der den Abhängigkeitsbericht prüft, als Element guter Corporate Governance vorgesehen wird. Zur Objektivität und Unabhängigkeit der Prüfung würde es sicher auch beitragen, wenn im DCGK vorgesehen würde, dass im monistischen System der Konzernabschlussprüfer und der Abschlussprüfer der Tochtergesellschaft nicht identisch sein dürfen.[91]

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In jedem Fall wäre die Schaffung einer gesetzlichen Sonderregelung für die SE oder nur für die SE im monistischen System nicht empfehlenswert, sondern wenn überhaupt wäre eine rechtsformübergreifende Lösung zu wählen.[92] Dies empfiehlt sich insbesondere deshalb, weil der Gesetzgeber bemüht ist, einen möglichst weitgehenden Gleichlauf zwischen den für die AG, die SE im dualistischen System und die SE im monistischen System anwendbaren Regelungen herzustellen.[93]

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