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III. Die Entwicklung 1970 bis 1975
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Der Verordnungsvorschlag wurde nach den damaligen Verfahrensregeln dem Rat am 30.6.1970 übermittelt. Dieser konsultierte den Wirtschafts- und Sozialausschuss und das Europäische Parlament.
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Der Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßte in seiner Stellungnahme vom 25.10.1972 den Kommissionsvorschlag und befürwortete den Entwurf, konnte sich allerdings zur Mitbestimmung nicht auf eine einheitliche Stellungnahme einigen. Immerhin unterstützte er das Grundprinzip.[1]
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Im Europäischen Parlament währten die Erörterungen des Rechtsausschusses von 1971 bis 1974. Nach Wechsel des Berichterstatters und langwierigen Sitzungen während des Jahrs 1973 einigte man sich auf den Entwurf einer Entschließung, die am 11.7.1974 durch das Plenum verabschiedet wurde.[2] In dieser Entschließung begrüßte das Parlament die Initiative der Kommission, die die internationale Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen der Gemeinschaft erleichtern werde. Die Konzentration und die Stärkung der Industrie der Gemeinschaft werde nicht nur deren Gewicht auf dem Weltmarkt vergrößern, sondern dieser auch eine wichtige politische Rolle übertragen. Die SE werde ein geeignetes Instrument für die Unternehmen sein, sich den Dimensionen des vergrößerten Wirtschaftsraums der Gemeinschaft anzupassen. Art. 235 EGV (jetzt Art. 352 AEUV) sei die geeignete Rechtsgrundlage, da gerade durch die Anwendung dieses Artikels eine maßgebliche Beteiligung des Parlaments verwirklicht werde.
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Eine wesentliche Änderung des Kommissionsvorschlags allerdings verlangte das Parlament: Es zeigte sich zwar davon überzeugt, dass „die wirtschaftliche und politische Solidarität Europas ohne eine zufriedenstellende Beteiligung der Arbeitnehmer am Leben der Unternehmen undenkbar“ sei, begrüßte auch ein „Mitspracherecht (der Arbeitnehmer) in Fragen der Sicherheit des Arbeitsplatzes und der Arbeitsbedingungen, was durch Schaffung eines Europäischen Betriebsrats als institutionelle Grundlage hierfür zu sichern“ sei, war aber nicht bereit, dem weitgefächerten Kommissionsvorschlag zur Mitbestimmung zu folgen. Es schlug als alleinige Lösung die seinerzeit auch in Deutschland diskutierte Lösung der Mitbestimmung in Form einer gedrittelten Vertretung der beteiligten Interessen vor: ein Drittel der Aufsichtsratssitze für die Kapitaleigner, ein Drittel für die Arbeitnehmer (unter Beibehaltung einer beschränkten außerbetrieblichen Vertretung), ein Drittel für Personen, die von beiden Gruppen hinzugewählt werden sollten.
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Diese Drittelparität war das Ergebnis eines monatelangen Ringens, ohne dass es gelang, das Parlament von dem sachfremden Charakter dieser Lösung zu überzeugen. Offensichtlich glaubte jede der politischen Gruppen, das „neutrale“ Drittel mit Vertretern des eigenen Interesses besetzen zu können, ohne zu sehen, dass in der Praxis ein solches Verfahren auf ein einziges „unabhängiges“ Aufsichtsratsmitglied, sprich den Vorsitzenden, hinausläuft, dem – aus neutralem Milieu gewählt – damit eine Schlüsselrolle zufallen musste, die den wirtschaftlichen Erfordernissen und Bedürfnissen des Unternehmens kaum gerecht werden konnte.
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In einem Punkt unterstrich das Parlament eine wesentliche Verpflichtung der Kommission, nämlich „aufmerksam darüber zu wachen, dass die Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft von den Gesellschaften und Konzernen, die von der Verordnung Gebrauch machen, beachtet werden“. In der Tat setzte das ganze Vorhaben der wirtschaftlichen Konzentration der europäischen Industrie durch grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse hohe Wachsamkeit gegenüber wettbewerbsschädigendem Verhalten voraus. Es ging ja darum, die Brücke über die Gräben zwischen den Mitgliedstaaten zu bauen, dabei aber nicht zu vergessen, eine wettbewerbspolitische Brückenwache vorzusehen. Diese Befürchtung führte dann später auch ohne SE zu einer scharfen Fusionskontrolle.
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Bei der Beurteilung dieser Periode darf nicht übersehen werden, dass die Entwicklung des Projekts der „Europäischen AG“ in die Zeit der ersten Erweiterung der Gemeinschaft um Großbritannien, Irland und Dänemark fiel und dadurch etwas in den Hintergrund gedrängt wurde: Am selben Tag, an dem die Kommission den Vorschlag machte, begannen die Beitrittsverhandlungen, die am 22.1.1972 mit der Unterzeichnung der Beitrittsverträge endeten. Am 1.1.1973 trat der Beitritt dieser neuen Mitgliedstaaten in Kraft. Es liegt auf der Hand, dass das Interesse der Gemeinschaft auf dieses Ereignis gerichtet war und dass weniger an große, neue und überaus anspruchsvolle Projekte gedacht wurde.
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Nach der Abstimmung im Parlament überarbeitete die Kommission, wie üblich, ihren Vorschlag.[3] Sie folgte dabei weitgehend den Wünschen des Parlaments. Verpflichtet hierzu war sie nach der damaligen Rechtslage nicht. Aus politischen Gründen stellte sie sich jedoch, wie oft, an die Seite des Parlaments, was der Stärkung der Positionen beider Institutionen gegenüber dem Rat diente. Vor allen Dingen folgte die Kommission dem nicht sehr glücklichen Wunsch, die Drittelparität als Mitbestimmungssystem einzuführen, Art. 74a des geänderten Verordnungsvorschlags. Hinsichtlich des Anwendungsbereichs halbierte sie das für die Gründung einer SE durch Verschmelzung oder Errichtung einer Holdinggesellschaft erforderliche Kapital auf 250 000 RE und auf jeweils 100 000 RE für die Errichtung einer gemeinsamen oder einfachen Tochtergesellschaft. Den Titel „Konzernrecht“ behielt sie bei. Sie hoffte auf eine Signalwirkung für die Initiative einer Richtlinie zur Angleichung des Konzernrechts als Teil der gesellschaftsrechtlichen Harmonisierungsarbeiten.
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Es wäre dies nun der Zeitpunkt gewesen, das Vorhaben im Rat energisch zum Abschluss zu bringen. Die Kommission konnte sich angesichts ihres neuen Vorschlages der Unterstützung des Parlaments sicher sein. Auch und gerade in der Mitbestimmungsfrage war es zu einer wenn auch nicht glücklichen, so doch realisierbaren Einigung gekommen. Die Arbeiten im Rat scheiterten jedoch, scheiterten im wörtlichen Sinn des Wortes: Sie wurden nicht fortgeführt. Die Gründe hierfür waren vielfältig. Zum einen widersetzte sich die Mehrzahl der nunmehr neun Mitgliedstaaten jedweder Mitbestimmungsregelung und dies in erster Linie aus Unkenntnis des Problems. Zum anderen zeigte sich der neue große Mitgliedstaat Großbritannien jedweder Harmonisierung und neuer europäischer Gesetzgebung gegenüber außerordentlich reserviert. Vielleicht fehlte der Kommission auch der Elan, diesen Widerständen zum Trotz auf dem Fortgang der Arbeiten zu bestehen.
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Um die Mitgliedstaaten besser zu unterrichten, veranlasste das zuständige dänische Kommissionsmitglied Gundelach die Ausarbeitung eines „Grünbuchs“ mit dem Titel „Mitbestimmung der Arbeitnehmer und Struktur der Gesellschaften“.[4] Dieses Grünbuch war in seinem ersten Teil eine vorzügliche Darstellung der Problematik einmal der Mitbestimmung, zum anderen ihres Zusammenhangs mit der Struktur der Gesellschaften. Der zweite Teil bot eine sehr gute systematische Zusammenstellung der seinerzeit (1974/1975) in den neun Mitgliedstaaten geltenden Regeln zur Mitbestimmung in ihren verschiedenen Formen. Es war die erklärte Absicht der Kommission, durch dieses Grünbuch eine weitreichende Erörterung der gesamten Problematik in den Mitgliedstaaten anzustoßen und die Harmonisierungsarbeiten am stockenden Entwurf der 5. Richtlinie zur Struktur der AG und die Fortführung der Bemühungen um die „Europäische AG“ zu ermöglichen.
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Diese Bemühungen wie auch die relativ zügig fortschreitenden Arbeiten an der Gesellschaftsrechtsharmonisierung nach Art. 54 Abs. 3 g EGV (jetzt Art. 50 Abs. 2 g AEUV) – 2. Richtlinie: Gründung von AG, Erhaltung und Änderung ihres Kapitals; 3. Richtlinie: Fusion von AG zur Vorbereitung der internationalen Fusion; vor allen Dingen die 4. Richtlinie: Bilanzvorschriften und Vorschlag der 5. Richtlinie: Struktur der AG – hatten jedoch keine positiven Auswirkungen auf den Fortgang der Arbeiten zur „Europäischen AG“. Diese verliefen im Sande. 1982 wurden die Beratungen im Rat, wie es diplomatisch hieß, „ausgesetzt“.