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3.1 Eingeschränkte Wahlfreiheit zwischen Inhaber- und Namensaktien

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Nach § 10 Abs. 1 S. 1 AktG lauten Aktien (grundsätzlich) auf den Namen des Berechtigten. Sie können (nur dann) auf den Inhaber lauten, wenn die Gesellschaft börsennotiert ist oder der Anspruch auf Einzelverbriefung ausgeschlossen ist und die Sammelurkunde bei einer der in § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG genannten Stellen (Wertpapiersammelbank nach § 1 Abs. 3 S. 1 DepotG[20], Zentralverwahrer nach der Zentralverwahrer-VO[21] oder sonstiger ausländischer Verwahrer, der die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 S. 1 DepotG erfüllt) hinterlegt wird (§ 10 Abs. 1 S. 2 AktG).[22] Die Unterteilung in Namens- und Inhaberaktien begründet lediglich verschiedene Aktienarten und nicht, wie die Unterscheidung zwischen Stück- und Nennbetragsaktien, verschiedene Aktienformen.[23] Da es sich um die gleiche Aktienform handelt, können Namens- und Inhaberaktien (letztere nur, sofern die vorgenannten Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 2 AktG vorliegen, wobei etwa eine Börsennotierung nur für eine Aktienart bereits ausreichend ist[24]) von einer AG ausgegeben werden,[25] selbst wenn dies im Normalfall nicht zweckmäßig sein dürfte.[26] Gem. § 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG muss die Satzung bestimmen, welche Aktienart die AG ausgibt. Entscheidet sich die AG für die Ausgabe beider Aktienarten, reicht diese abstrakte Angabe aus. Es muss in der Satzung nicht spezifiziert werden, wie viele Inhaber- und wie viele Namensaktien ausgegeben wurden.

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In der Praxis stellt die Inhaberaktie mittlerweile wohl nicht mehr den Regelfall dar,[27] da namentlich eine Vielzahl der börsennotierten AG in den letzten Jahren ihre Aktien auf Namensaktien umgestellt haben. Im Zeitraum von 1999 bis 2001 wandelten ein Drittel der DAX-30 Unternehmen ihre Inhaberaktien in Namensaktien um.[28] In den Jahren 2008 bis 2011 waren es weitere fünf Unternehmen.[29] Mittlerweile geben 16 der DAX-30 Unternehmen Namensaktien aus (Stand November 2015).

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Die Gründe für eine solche Umstellung bzw. die Wahl von Namensaktien sind vielfältiger Natur. Nachdem die Handelbarkeit der Namensaktien durch den technischen Fortschritt und die Änderungen durch das NaStraG[30] derjenigen der Inhaberaktie rein tatsächlich weitgehend entspricht,[31] ist der Nachteil, der viele AG in der Vergangenheit von der Namensaktie abhielt, entfallen. Da mithin die Namensaktie zur echten Alternative zur Inhaberaktie wurde, motiviert vor allem der Umstand viele Unternehmen zur Umstellung der Aktien, dass bei der Namensaktie die Aktionäre der AG namentlich bekannt sind. Hierdurch kann die AG die sog. Investor Relations verbessern und – so jedenfalls die entsprechenden Überlegungen – die Aktionäre besser an sich binden. Zudem kann die Gesellschaft durch Beobachtung der Zusammensetzung ihres Aktionärskreises feindliche Übernahmen besser antizipieren[32] und die Aktionäre schneller erreichen, wenn es darum geht, diese über die Nachteile eines feindlichen Übernahmeangebots zu informieren. Schließlich ist vielfach eine angestrebte Notierung an der New York Stock Exchange Anlass für die Umstellung von Inhaber- auf Namensaktien, da dort keine Inhaberaktien gelistet werden können. Damit entfällt das umständliche und kostspielige American Depositary Receipts-Programm, welches auch Unternehmen mit Inhaberaktien den Zugang zum U.S.-Aktienmarkt ermöglicht.[33] Ein weiterer Grund für die Umstellung auf Namensaktien liegt in der Möglichkeit der Vinkulierung.[34] Der Gesetzgeber selbst etablierte mit der Aktienrechtsnovelle 2016 die Ausgabe von Namensaktien als Grundsatz, indem er die Wahl von Inhaberaktien einschränkte (§ 10 Abs. 1 AktG n.F., s.o.). Hierdurch versuchte er, transparentere Beteiligungsverhältnisse und eine effektivere Geldwäschebekämpfung zu erreichen; zuvor hatte die Financial Action Task Force mangelnde Beteiligungstransparenz und unzureichende Informationsmöglichkeiten für Behörden bei deutschen nicht börsennotierten Gesellschaften mit Inhaberaktien gerügt.[35]

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Wenn den Gründern ein Wahlrecht zwischen Namens- und Inhaberaktien zusteht – Voraussetzung ist, dass die neu zu gründende AG die Anforderungen des § 10 Abs. 1 S. 2 AktG erfüllt (siehe oben) – werden sie sich bei der Neugründung häufig dann für Namensaktien entscheiden, wenn die Einlagepflicht (noch) nicht direkt vollständig erfüllt werden soll (§ 10 Abs. 2 S. 1 AktG).[36] Aber diese Konstellation zwingt nicht unbedingt zum Einsatz von Namensaktien, denn auch hier können in der Satzung Inhaberaktien vorgesehen und bis zur vollständigen Einlageleistung Zwischenscheine ausgegeben werden.[37] Zum anderen bieten sich Namensaktien dann an, wenn der Aktionärskreis überschaubar ist und bleiben soll. In diesem Fall, wie beispielsweise bei Familien-AG,[38] werden die Namensaktien zudem häufig mit einer Vinkulierung nach § 68 Abs. 2 S. 1 AktG versehen, können also nur übertragen werden, wenn die AG zustimmt. Auch wenn Entsenderechte in den Aufsichtsrat nach § 101 Abs. 2 S. 2 AktG gewährt werden sollen, kommt nur die Ausgabe von Namensaktien in Betracht.

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Streitig ist in diesem Zusammenhang, ob – gerade im Fall der nicht vollständigen Einlageleistung – die Satzung nach § 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG auch ausschließlich Inhaberaktien vorsehen kann, obwohl – bis zur Einlageleistung – Namensaktien ausgegeben werden.[39] Bereits aus Vorsichtsgründen, aber auch weil die Gegenansicht jedenfalls zeitweilig zu einer unrichtigen Satzung führen würde, sollte die Satzung in diesem Fall auch die Ausgabe von Namensaktien vorsehen.

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Fehlen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 2 AktG für die Ausgabe von Inhaberaktien oder fallen diese nachträglich weg, gilt Folgendes:[40] Sieht die Satzung einer nicht börsennotierten Gesellschaft vor, Inhaberaktien auszugeben, ohne dass die Einzelverbriefung ausgeschlossen wird (§ 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG), ist die Satzungsbestimmung nichtig.[41] Eine neu zu gründende Gesellschaft kann infolge dieses Eintragungshindernisses nicht eingetragen werden (§§ 38 Abs. 4 Nr. 1, 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG) und damit nicht zur Entstehung gelangen.[42] Würde die Gesellschaft dennoch eingetragen werden, wäre sie in einem Verfahren nach § 399 FamFG zwangsweise aufzulösen.[43] Beschließt die Hauptversammlung einer bereits bestehenden AG nachträglich, anstelle von Namensaktien nunmehr Inhaberaktien auszugeben, ohne die Einzelverbriefung auszuschließen (§ 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG), ist dieser Beschluss nichtig (§ 241 Nr. 3 AktG).[44] Wurde die Einzelverbriefung zwar ausgeschlossen, die Sammelurkunde aber noch nicht bei den in § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. a bis c AktG genannten Stellen hinterlegt oder aber die Sammelverwahrung nachträglich aufgehoben, treten die vorgenannten Folgen nicht ein; über die Inhaberaktien muss dann aber ein Aktienregister entsprechend § 67 AktG geführt werden (§ 10 Abs. 1 S. 3 AktG).[45] Wenn eine Inhaberaktien ausgebende börsennotierte Gesellschaft (durch ein Delisting oder Downlisting in den Freiverkehr) nachträglich ihre Börsenzulassung verliert (§ 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG) und es auch an dem nach § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG erforderlichen Ausschluss des Anspruchs auf Einzelverbriefung fehlt, werden ihre Inhaberaktien unrichtig i.S.d. § 73 AktG; sie müssen daher umgetauscht, berichtigt oder mit Zustimmung des Gerichts für kraftlos erklärt werden.[46] Denn die Gesellschaft darf nach § 10 Abs. 1 S. 1, 2 AktG fortan nur noch Namensaktien ausgeben, wofür die Satzung entsprechend zu ändern ist.[47]

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