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4.5.5 Ausschluss des Stimmrechts – Wiederaufleben

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Vorzugsaktien ohne Stimmrecht gewähren dem Aktionär generell kein Stimmrecht auf der Hauptversammlung der AG. Der Ausschluss des Stimmrechts kann nicht derart eingeschränkt werden, dass Vorzugsaktionäre bei bestimmten, bspw. besonders wichtigen Beschlussgegenständen stimmberechtigt sind,[159] denn das Stimmrecht kann entweder ganz oder gar nicht ausgeschlossen werden. Ebenso wenig ist es möglich, den Vorzugsaktien nur ein geringwertigeres Stimmrecht einzuräumen, da dies der Sache nach die Stammaktien zu Mehrstimmaktien qualifizieren würde.[160]

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Das eigentlich ausgeschlossene Stimmrecht lebt allerdings wieder auf, wenn die den Stimmrechtsausschluss rechtfertigende Vorabdividende nicht ausbezahlt wird. § 140 Abs. 2 S. 1 AktG sieht ein Aufleben des Stimmrechts für einen nachzuzahlenden Vorzug dann vor, wenn der Vorzugsbetrag im Vorjahr nicht (vollständig) und im Folgejahr der nachzuzahlende oder der aktuelle Vorzug nicht (vollständig) gezahlt werden. Diese Regelung entspricht dem gesetzgeberischen Konzept der Vorzugsaktien ohne Stimmrecht: Allein der finanzielle Vorzug rechtfertigt den Ausschluss des Stimmrechts – wird dieser nicht bezahlt, sind die Vorzugsaktien voll stimmberechtigt. Für einen nicht nachzuzahlenden Vorzug lebt das Stimmrecht nach § 140 Abs. 2 S. 2 AktG bereits in demselben Jahr wieder auf, in dem der Vorzug nicht (vollständig) gezahlt wird. Werden ein nachzuzahlender und ein nicht nachzuzahlender Vorzug kombiniert, lebt das Stimmrecht bereits mit dem nicht (vollständig) gezahlten nicht nachzahlbaren Teil auf; es erlischt indes auch bereits wieder in dem Jahr, in dem der nicht nachzahlbare Vorzugsteil ohne Rücksicht auf noch ausstehende Beträge erstmals wieder gezahlt wird.[161]

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Aus dem Gesetzeswortlaut lässt sich allerdings nicht ohne weiteres entnehmen, in welchem Zeitpunkt das Stimmrecht wieder auflebt. Für einen nachzuzahlenden Vorzug ist nach § 140 Abs. 2 S. 1 AktG zunächst klar, dass ein bloß einmaliges Nicht-Bedienen des Vorzugs folgenlos bleibt. Das Wiederaufleben des Stimmrechts kommt daher frühestens im Hinblick auf die (zweite) ordentliche HV des Folgejahrs in Betracht.

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Der Gesetzeswortlaut legt darüber hinaus nahe, dass auch in der darauf folgenden (zweiten) ordentlichen Hauptversammlung noch kein Stimmrecht besteht. Denn bis zur Wirksamkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses steht noch nicht fest, ob der aktuelle und der nachzuzahlende Vorzug bedient werden. Da der Gewinnverwendungsbeschluss wiederum nach § 130 Abs. 1 bzw. Abs. 3 AktG erst mit der Beurkundung bzw. Unterzeichnung der Niederschrift wirksam wird, nimmt die ehemals vorherrschende Ansicht an, dass das Stimmrecht grundsätzlich erst in der auf die zweite ordentliche HV folgenden HV besteht.[162] Da indessen HV-Beschlüsse im Verhältnis der Aktionäre zueinander bereits mit der Beschlussfassung Bindungswirkung entfalten,[163] hat sich mittlerweile die zutreffende Ansicht im Schrifttum durchgesetzt, den Vorzugsaktionären schon mit der Feststellung des Abstimmungsergebnisses zum Gewinnverwendungsbeschluss durch den Vorsitzenden das Stimmrecht einzuräumen.[164] Die Vorzugsaktionäre können daher bereits an Abstimmungen derselben Hauptversammlung teilnehmen, die nach dieser Feststellung stattfinden.[165]

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Unter bestimmten Voraussetzungen sind Vorzugsaktionäre allerdings schon in der gesamten zweiten ordentlichen HV stimmberechtigt. Ist nämlich der Aufsichtsrat – wie im gesetzlichen Regelfall (§ 172 AktG) – zur Feststellung des Jahresabschlusses berufen und reicht der Bilanzgewinn nicht aus, um den nachzuzahlenden und aktuellen Vorzug vollständig zu bedienen, sind die Vorzugsaktien bereits in der zweiten HV stimmberechtigt; denn es steht – allein aufgrund des fehlenden Gewinns – schon im Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat vor der HV fest, dass der nachzuzahlende und aktuelle Vorzug nicht bedient werden kann.[166] Diese Ausnahme greift allerdings nicht schon dann ein, wenn lediglich die Verwaltung vorschlägt, den nachzuzahlenden und aktuellen Vorzug nicht zu bedienen, der Gewinn aber hierfür ausreichen würde. Denn die Hauptversammlung ist an diesen Vorschlag nicht gebunden und könnte theoretisch anders entscheiden.

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Für einen nicht nachzuzahlenden Vorzug reicht nach § 140 Abs. 2 S. 2 AktG bereits eine einmalige Nicht-Zahlung für das Wiederaufleben des Stimmrechts aus. Die vorgenannten Ausführungen gelten insoweit entsprechend: Das Stimmrecht lebt wieder auf im Zeitpunkt der Feststellung des Abstimmungsergebnisses zum Gewinnverwendungsbeschluss in der (ersten) ordentlichen HV des Jahres, in dem erstmals keine Zahlung erfolgt bzw. im Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses vor dieser HV. Das Stimmrecht erlischt nach § 140 Abs. 2 S. 2 AktG, wenn der Vorzug in einem Jahr vollständig gezahlt ist.

2. Kapitel GrundlagenIII. Grundkapital und Aktie › 5. Form und Inhalt der Aktie

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