Читать книгу GmbH-Recht - Harald Bartl - Страница 72
I. Allgemeines
Оглавление1
Durch das MoMiG wurde § 4a geändert (Abs 2 wurde gestrichen; in der verbleibenden Fassung wurde das Wort „Inland“ eingefügt – zur GmbH im internationalen Rechtsverkehr (neuere Entscheidung: BGH 14.11.2017 – VI ZR 73/17 – § 4a GmbHG – Sitz – Der Begriff des satzungsmäßigen Sitzes iSd Art 63 Abs 1 lit a EuGVVO nF/Art 60 Abs 1 lit a EuGVVO aF setzt keine Verwaltungs- oder Geschäftstätigkeit am Ort des Satzungssitzes voraus. Es bedarf keines über den Registertatbestand hinausgehenden realwirtschaftlichen Bezugs (Fortführung BGHZ 190, 242 Rn 19 ff); vgl ferner die Entscheidung des EuGH v 12.7.2012 sowie Böttcher/Kraft NJW 2012, 2701 und Bayer/Schmidt ZIP 2012, 1481 – EuGH 12.7.2012 – C-378/10 – ZIP 2012, 1394 = NJW 2012, 2715; ferner schon Wachter GmbHR, Sonderheft 10/2008, S 80 ff; auch Gehrlein/Witt/Volmer 1. Kap Rn 19; Hellgardt/Illmers Wiederauferstehung der Sitztheorie?, NZG 2009, 94). Nach dem Willen des Gesetzgebers (RegE Begr: Zu Nr 4 (Änderung von § 4a) soll durch die Streichung des § 4a Abs 2 und der älteren Parallelnorm des § 5 Abs 2 AktG (s Art 5 Nr 1) es deutschen Gesellschaften ermöglicht werden, einen Verwaltungssitz zu wählen, der nicht notwendig mit dem Satzungssitz übereinstimmt. Damit soll der Spielraum deutscher Gesellschaften erhöht werden, ihre Geschäftstätigkeit auch ausschließlich im Rahmen einer (Zweig-)Niederlassung, die alle Geschäftsaktivitäten erfasst, außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets zu entfalten. Der Hintergrund ist in Entscheidungen des EuGH zu sehen. Danach ist es EU-Auslandsgesellschaften, deren Gründungsstaat eine derartige Verlagerung des Verwaltungssitzes erlaubt, bereits heute rechtlich gestattet, ihren effektiven Verwaltungssitz in einem anderen Staat – also auch in Deutschland – zu wählen (EuGH 5.11.2002 (C-208/00) – Überseering; Urt v 30.9.2002 (C-167/01) – Inspire). Das erfordert, dass Auslandsgesellschaften in Deutschland als solche anzuerkennen sind. Dem standen für deutsche Gesellschaften § 4a Abs 2 bzw in § 5 Abs 2 AktG entgegen. Gesellschaften, die nach deutschem Recht gegründet worden sind, waren dadurch in ihrer Mobilität unterlegen. Nach der Begründung des RegE zum MoMiG soll in Zukunft für die deutsche Rechtsform der Aktiengesellschaft und der GmbH durch die Möglichkeit, sich mit der Hauptverwaltung an einem Ort unabhängig von dem in der Satzung oder im Gesellschaftsvertrag gewählten Sitz niederzulassen, ein level playing field, also gleiche Ausgangsbedingungen ggü vergleichbaren Auslandsgesellschaften geschaffen werden. Allerdings bleibt es dabei, dass die Gesellschaften eine Geschäftsanschrift im Inland im Register eintragen und aufrechterhalten müssen. Die Neuregelungen zur Zustellung in Deutschland erhalten durch die Mobilitätserleichterungen zusätzliches Gewicht (vgl hierzu etwa Scholz/Emmerich § 4a Rn 7). Zum bisherigen Recht: faktische gegen § 4a verstoßende Verlagerung des Sitzes der Gesellschaft – Auseinanderfallen von satzungsmäßigem und tatsächlichem Sitz – nachträglicher Satzungsmangel – Ablehnung der Eintragung der Sitzverlegung – Eintragung nach § 9c abzulehnen – Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses – faktische Sitzverlegung ohne wirksame Satzungsänderung – Satzungssitz und tatsächlicher Sitz müssen kongruent sein – früher entspr Anwendung des § 144a Abs 4 FGG – jetzt § 399 FamFG wegen Satzungsmangels – rechtskonformes Beanstandungs- und Auflösungsverfahren – BGH ZIP 2008, 1627 = NJW 2008, 2914.
2
Damit ändert sich die Rechtlage vorteilhaft auch für deutsche Unternehmen. Lediglich der Satzungssitz muss im Inland liegen, ohne dass Betrieb, Geschäftsführung oder Verwaltung damit zusammenhängt (Baumbach/Hueck/Fastrich § 3 Rn 4; Lutter/Hommelhoff § 3 Rn 5). Der Verwaltungssitz kann zB im Ausland sein. Früher enthielt das GmbH-Recht anders als das AktG (§ 5 Abs 2) insofern keine besondere Vorschrift. Es hatten jedoch auch hier die Grundsätze des § 5 Abs 2 AktG zu gelten (vgl Scholz/Emmerich § 3 Rn 5). Entscheidend war, dass grds Wahlfreiheit bestand, allerdings eine willkürliche Festlegung ausschied (BayObLG 88, 23; OLG Schleswig DB 94, 626; auch Lutter/Hommelhoff § 3 Rn 3; Scholz/Emmerich § 2 Rn 5).
3
§ 4a wurde mit Wirkung zum 1.1.1999 ohne Übergangsregelung eingefügt (vgl Art 10 HRefG). Die neue Bestimmung schränkte die Wahlfreiheit ein, um unseriöse Sitzverlegungen zu verhindern (Gläubigerschutzvorschrift – vgl Lutter/Hommelhoff § 4a Rn 3; Baumbach/Hueck § 4a Rn 1; Scholz/Emmerich § 4a Rn 1). Dadurch dass nach § 8 Abs 4 Nr 1 in der Anmeldung eine inländische Geschäftsanschrift angegeben werden muss und nach § 10 Abs 1 S 1 bei der Eintragung angegeben werden muss, sollen die Zustellungsprobleme zumindest gemindert werden – vgl auch zur inländischen Anschrift bei empfangsberechtigten Personen § 10 Abs 2 S 2).
Zur neueren Entwicklung: KG Berlin 24.4.2018 – 22 W 63/17 – Anmeldung der Sitzverlegung einer aufgelösten GmbH; KG Berlin 4.5.2016 – 22 W 128/15 – Prokura für die Anmeldung der Änderung der inländischen Geschäftsanschrift nicht ausreichend; Wachter GmbHR, Sonderheft 10/2008, S 80 f; Gehrlein/Witt/Volmer 1. Kap Rn 19; Wicke § 4a Rn 2 f; Lederig ZRP 2008, 73; zum bisherigen Recht mit seinen Problemen OLG Hamm BB 2001, 744 = GmbHR 2001, 440 = NZG 2001, 562 = ZIP 2001, 791 = NJW 2001, 2183 – keine Eintragung der Sitzverlegung nach England – Auflösung der GmbH; EuGH NZG 2000, 877 – Einkommensteuerbefreiung von Dividenden natürlicher Personen in Abhängigkeit vom Gesellschaftssitz; EuGH NZG 2000, 731 – Beschränkung der VST-Befreiung bei wesentlicher Beteiligung an ausländischer Gesellschaft und Art 52 EGV; zu Sitz – Verwaltungssitz – und Rechtsfähigkeit Henze GmbHR 2000, 1069, 1971; EuGH BB 2000, 1106 = GmbHR 2000, 715 – „Centrums“; LG Salzburg NZG 2001, 459 – Vorlage an den EuGH zur Reichweite von „Centrums“ – Gründung einer österreichischen Zweigniederlassung einer englischen Gesellschaft mit lediglich Satzungssitz in England ohne Geschäftstätigkeit; Bechtel NZG 2001, Komm zu BGH NGZ 2000, 1025 und Frankfurt RIW 1999, 783; LG Potsdam GmbHR 2000, 92 (Ls) = ZIP 1999, 2021 – keine Parteifähigkeit einer irischen Limited ohne effektiven Verwaltungssitz in Irland – Fortgeltung der Sitztheorie ungeachtet der Centrums-Entscheidung des EuGH (GmbHR 1999, 474); OLG Düsseldorf GmbHR 2001, 438 = NZG 2001, 506 = ZIP 2001, 790 = NJW 2001, 2184 – keine Eintragung der Sitzverlegung einer deutschen GmbH in die Niederlande; Hoffmann ZHR 2000, 43; Freitag Komm zu Frankfurt NZG 1999, 1097 – „Centrums“; LG Mannheim GmbHR 2000, 874 – Sitzverlegung und tatsächlicher Sitz nach dem Recht vor Inkrafttreten des MoMiG: Auseinanderfallen von tatsächlichem und satzungsmäßigem Sitz führt nicht zur Einleitung des Amtsauflösungsverfahren nach § 399 FamFG – früher § 144a FGG. § 4a bewirkt keine nachträgliche Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages. OLG Braunschweig ZIP 2000, 1118 – eingetragener Sitz für Insolvenzverfahren der GmbH maßgeblich für Zuständigkeit; Freitag Komm zu OLG Frankfurt NZG 1999, 1097 = GmbHR 1999, 1254 mit Komm Borges NZG 2000, 357; Altmeppen DStR 2000, 1064 = GmbHR 2000, 715; Behrens EuZW 2000, 385; Puszkajler IPRax 2000, 79; Roth EuZW 1999, 216 = GmbHR 1999, 474 = ZGR 2000, 311; Zimmer ZHR 2000, 23; Meilicke GmbHR 2000, 715; BayObLG GmbHR 2000, 39 (Ls) = ZIP 1999, 1714 – örtliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach dem satzungsmäßigen Sitz; OGH NZG 2000, 36 m Anm Kieninger – einschränkende Anwendung der Sitztheorie; BGH GmbHR 2000, 715 = NZG 2000, 926 m Anm Bous NZG 2000, 1026; AG Heidelberg NZG 2000, 927 – Sitzverlegung einer deutschen GmbH mit alleinigem spanischen Gesellschafter nach Spanien; BayObLG NZG 2000, 1142 – Zulässigkeit eines Mehrfachsitzes bei Sparkassen (öffentlich-rechtliche Anstalt – anders bei AG BayObLGZ 1985, 111, 115). Zu den Beschränkungen für schweizerische AG mit Sitz in Deutschland BGH 27.10.2008 – II ZR 158/06 (Sitztheorie, nicht Gründungstheorie – Verwaltungssitz in Deutschland und Auflösung – vgl allerdings u Rn 6).
4
Der Sitz der GmbH ist in die Satzung aufzunehmen – notwendiger Satzungsinhalt (Ablehnung der Eintragung wegen Eintragungshindernisses); unzulässige Eintragung führt zu Satzungsmangel: Amtsauflösungsverfahren nach den § 99 Abs 4 FamFG – früher § 144a FGG, § 60 Nr 6 GmbHG. Eine unzulässige Satzungsänderung (Satzungssitz im Ausland) ist nichtig, die gleichwohl erfolgende Eintragung führt zur Auflösung nach § 399 Abs 4 FamFG – früher § 144a Abs 4 FGG – Baumbach/Hueck § 4a Rn 7; Lutter/Hommelhoff § 4a Rn 19; Scholz/Emmerich § 4a Rn 19 f). Der Sitz hat daneben Bedeutung für die Zuständigkeit des Registergerichts, die Gesellschafterversammlung, den Erfüllungsort, für die Anknüpfung im IPR (str – vgl Baumbach/Hueck § 4a Rn 2; Lutter/Hommelhoff § 4a Rn 4; Scholz/Emmerich § 4a Rn 5 ff). Die Wahl des Sitzes kann steuerliche oder Subventionsvorteile bringen, ist daher sicherlich auch unter diesem Aspekt beachtlich (vgl o EuGH ZIP 2012, 1394).
5
Als Sitz kann nur ein Ort innerhalb Deutschlands gewählt werden. Ein Sitz im Ausland ist nicht möglich. Bei einem Sitz im Ausland ist eine Anmeldung bei einem deutschen Registergericht nicht zulässig (Baumbach/Hueck § 4a Rn 3; Lutter/Hommelhoff § 4a Rn 5; auch Scholz/Emmerich § 4a Rn 6 m Hinw auf die europäische Rechtsentwicklung – Gründungstheorie statt Sitztheorie? – vgl auch o Rn 3). Daran ändert auch der Wegfall des § 4a Abs 2 nichts.
6
Das Gesetz nannte drei Punkte für die Wahl des Sitzes:
– | Betrieb der Gesellschaft, |
– | Geschäftsleitung, |
– | Verwaltungsführung. |
Die Gründer hatten danach die Wahl zwischen diesen Möglichkeiten. Allerdings ergeben sich einige Einschränkungen in Sonderfällen. Unter Betrieb wird man die Stätte zu verstehen haben, an der produziert oder bei Vertriebsfirmen verkauft wird. Bei mehreren Betrieben wird insofern ebenfalls ein Wahlrecht angenommen, sofern nicht eine völlig untergeordnete Einrichtung betroffen ist (hierzu etwa Baumbach/Hueck § 4a Rn 4).
7
Nach der Neufassung des § 4a können Satzungssitz und Verwaltungssitz unterschiedlich sein. In der Begründung des RegE heißt es hierzu: „In Zukunft soll für die deutsche Rechtsform der Aktiengesellschaft und der GmbH durch die Möglichkeit, sich mit der Hauptverwaltung an einem Ort unabhängig von dem in der Satzung oder im Gesellschaftsvertrag gewählten Sitz niederzulassen, ein level playing field, also gleiche Ausgangsbedingungen ggü vergleichbaren Auslandsgesellschaften geschaffen werden. Freilich bleibt es nach dem Entwurf dabei, dass die Gesellschaften eine Geschäftsanschrift im Inland im Register eintragen und aufrechterhalten müssen. Die Neuregelungen zur Zustellung in Deutschland erhalten durch die Mobilitätserleichterungen zusätzliches Gewicht.“ (hierzu Baumbach/Hueck/Fastrich § 4a Rn 5; Gehrlein/Witt/Volmer 1. Kap Rn 19; Wicke § 4a Rn 1; auch Kindler NJW 2008, 3251 mwN; auch Wachter GmbHR, Sonderheft 10/2008, S 80 f).
8
IÜ können die früheren beispielhaft genannten Möglichkeiten für den Sitz nach wie vor maßgeblich sein (Betrieb der Gesellschaft, Geschäftsleitung). Die Sicherstellung der postalischen Erreichbarkeit erfolgt durch die Anmeldung der inländischen Geschäftsanschrift sowie Einschreiten des Registergerichts nach § 387 Abs 2 FamFG – früher § 125 Abs 3 S 2 FGG iVm § 14 HGB, § 25 HRV – vgl auch Begründung des RegE.
9
Geschäftsleitung (Schwerpunkt der Geschäftsführertätigkeit) und Verwaltung (Haupt- oder Zentralverwaltung) können daneben die Wahl des Sitzes bestimmen. Die frühere Unzulässigkeit bei Holdingsitz ohne entspr gleichzeitigen Betriebsstätten bzw Geschäftsleitungs- oder Verwaltungssitz der GmbH ist damit entfallen (zum früheren Recht Baumbach/Hueck § 4a Rn 5; vgl auch die nach altem Recht maßgebliche Entscheidung OLG Stuttgart NJW 2001, 755 – „Kontec Engineering Stuttgart-GmbH“ – Sitz in Korntal-Münchingen im Landkreis Ludwigsburg – Beziehung zwischen Firma und Sitz.
10
Die Sitzbestimmung ist danach in die Satzung nach wie vor zwingend aufzunehmen. Früher diskutierte Ausnahmen bei besonderer Interessenlage etc spielen keine Rolle mehr (vgl insofern zum bisherigen Scholz/Emmerich § 4a Rn 15; auch Lutter/Hommelhoff § 4a Rn 10; Baumbach/Hueck § 4a Rn 6 – sämtlich auf die geringe praktische Bedeutung hinweisend).
11
In Betracht kommt nach wie vor nur ein (Satzungs-)Sitz, selbst wenn die GmbH mehrere Betriebsstätten oder Verwaltungsstellen aufweist; mehrere (Satzungs-)Sitze sowie auch ein Doppelsitz sind nach wie vor nur in besonders gestalteten Fällen für AG zulässig, aber wird für die GmbH nicht für gerechtfertigt gehalten (hierzu Baumbach/Hueck/Fastrich § 4a Rn 6; für AG zB nach Fusionen: LG Hamburg DB 1973, 2237 (AG); aA BayObLG DB 1985, 1280 (AG). Hinsichtlich des Doppelsitzes ist zwischen AG und GmbH unterschieden worden. Bei der GmbH kommt nur ein (Satzungs-)Sitz in Betracht. Zweigniederlassungen sind nach §§ 13 ff HGB zu behandeln und haben für den (Satzungs-)Sitz der GmbH keine Bedeutung. Vgl den Sonderfall BayObLG NZG 2000, 1142 – Zulässigkeit eines Mehrfachsitzes bei Sparkassen (öffentlich-rechtliche Anstalt, anders bei AG (BayObLGZ 1985, 111, 115). Infolge der Zulässigkeit von Verwaltungssitz(en) neben dem „Satzungssitz“ dürften die bisherigen str Fragen wohl keine Bedeutung mehr haben. Inwiefern Satzungssitz, Verwaltungssitz und inländische Geschäftsanschrift differieren können, ist in der Begründung des RegE nicht angesprochen. Solange erkenntlich kein Missbrauch ersichtlich ist, wird wohl auch bei Verschiedenheit der Angaben kein Bedenken bestehen. Insofern ist auch zu fragen, ob eine solche Gestaltung für die Gesellschaft einen Vorteil bringt, eher verwaltungstechnische erhebliche Nachteile in der Praxis.
12
Bei der Feststellung darüber, ob der (Satzungs-)Sitz berechtigterweise angemeldet wird, bedient sich das Registergericht der Hilfe der IHK sowie der HWK. Es muss im Zweifelsfall bei Vorliegen einschlägiger Anhaltspunkte nach § 26 FamFG früher § 12 FGG – die erforderlichen Ermittlungen durchführen und eine Anmeldung eines fingierten, willkürlich gewählten Sitzes zurückweisen. Der satzungsmäßige Sitz muss mit dem tatsächlichen Sitz nicht mehr übereinstimmen (Betriebsstätte, Geschäftsleitung oder Verwaltung oder insofern nachzuweisender Ausnahmefall sind mE nicht mehr erheblich). Für den Rechtsverkehr ist die inländische Geschäftsanschrift entscheidend.
13
Unbedenklich sind damit nach wie vor für die Festlegung des (Satzungs-)Sitzes grds Betriebstätten, Geschäftsführung bzw Verwaltung (vgl Lutter/Hommelhoff § 3 Rn 3). Die Anmietung von Geschäftsräumen und Schildern wird regelmäßig ein ausreichendes Indiz für das Vorliegen des (Satzungs-)Sitzes sein (OLG Köln BB 1987, 711 = NJW-RR 1987, 1059 = ZIP 1987, 712 – in diesen Fällen kein Missbrauch). Die früher insofern behandelten Missbrauchsfälle bei fehlendem tatsächlichem Sitz entspr der Satzung sind daher regelmäßig obsolet. Das bedeutet in Konsequenz, dass der Satzungssitz insb für die Zuständigkeit des Registergerichts entscheidend ist. Das Registergericht ist auf den Geschäftsbriefen anzugeben. IÜ sind die erforderlichen Daten durch das Unternehmensregister jederzeit greifbar (vgl §§ 8 ff HGB).
14
Früheres Recht: Missbrauch war und wird wohl regelmäßig nur in extremen Ausnahmefällen anzunehmen sein. Das ist nach allg Ansicht dann der Fall, wenn die Wahl des Sitzes willkürlich ist und jede tatsächliche Beziehung der Gesellschaft zu der betr Gemeinde fehlt (OLG Zweibrücken NJW-RR 1991, 1509; OLG Stuttgart NJW-RR 1991, 1510; auch OLG Schleswig BB 1994, 810) sowie nach § 4a nF in den Fällen, in denen keine schutzwürdigen Interessen für eine von dem „Regelfall“ des § 4a abw Gestaltung angetroffen wird. Danach soll es ausreichen, wenn am betr Sitz die Möglichkeit einer wirksamen förmlichen Zustellung von Schriftstücken gegeben ist (OLG Schleswig aaO; auch Scholz/Emmerich § 3 Rn 5). Eine erreichbare Verwaltung wird folglich regelmäßig ausreichen, auch wenn sich andere Betriebsstätten oder Verwaltungsteile in anderen Gemeinden befinden. Was für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs bleibt, sind folglich ua Fälle der Wahl eines „fiktiven Sitzes“, an dem eine rechtliche Erreichbarkeit nicht gegeben ist (so zutr OLG Stuttgart NJW-RR 1991, 1510) und für dessen Wahl die Gesellschaft keinerlei nachvollziehbare Gründe darlegen kann (vgl hierzu KG Berlin 25.7.2011 – 25 W 33/11 – ZIP 2011, 1566: Sitzverlegung nur mit dem Zweck einer missbräuchlichen Zuständigkeitsbegründung für ein mögliches Insolvenzverfahren im Rahmen einer gewerbsmäßigen Firmenbestattung; vgl auch BayObLG 8.9.2003 – IZ AR 86/03). Enthält die Satzung keinen konkreten oder einen unzulässigen Sitz, so ist die maßgebliche Bestimmung nichtig. Die Eintragung ist zurückzuweisen. Wird die GmbH gleichwohl eingetragen, so greift nicht § 75 (Nichtigkeitsklage) ein, da der hier betroffene Fall dort nicht angeführt ist. Ebensowenig kommt eine Amtslöschung nach § 395 FamFG – früher § 144 FGG – in Betracht. Nach erfolgter Eintragung kann nach § 399 Abs 4 FamFG –früher § 144a Abs 4 FGG – Sitz bis dahin maßgeblich – verfahren werden, wenn der geforderte Bezug entfällt und ein fiktiver Sitz, an dem die Gesellschaft rechtlich nicht erreichbar ist, festgelegt wird (Wessel BB 1984, 1059; OLG Zweibrücken NJW-RR 1991, 1509 – im Entscheidungsfall abgelehnt) – vgl hierzu Scholz/Emmerich § 4a Rn 18; Baumbach/Hueck/Fastrich § 4a Rn 8; Lutter/Hommelhoff § 4a Rn 15). KG Berlin 24.4.2018 – 22 W 63/17 – Anmeldung der Sitzverlegung einer aufgelösten GmbH.
15
Das nachträgliche Auseinanderfallen von satzungsmäßigem und tatsächlichem Sitz bewirkte bereits nach früherem Recht grds keine Nichtigkeit der entspr Satzungsbestimmung (BayObLG DB 1981, 1128; BB 1987, 1970). Es bleibt aber der Weg nach § 399 Abs 4 FamFG – früher § 144a Abs 4 FGG, wozu freilich nach früherem Recht nicht die bloße Verlegung der Büroräume ausreichen sollte (Scholz/Emmerich § 4a Rn 18 unter Hinw auf ältere Rechtsprechung BayObLGZ 1982, 140; BayObLG BB 1981, 870 = WM 1981, 1396; OLG Frankfurt OLGZ 1979, 309; OLG Köln BB 1984, 1065). Gegen den erwähnten Rechtsmissbrauch zB bei einem fingierten Sitz ohne entspr Nachweis der rechtlichen Erreichbarkeit (postalisch, Zustellmöglichkeiten, Räume etc), kann das Registergericht nach § 399 Abs 4 FamFG – früher § 144a Abs 4 FGG – vorgehen. Theoretisch ist dies auch bei einer unzulässigen Sitzverlegung der Fall (vgl OLG Schleswig BB 1994, 810). Bedauerlicherweise ließ sich die unzulässige Festlegung des Sitzes in der Praxis nur dann annehmen, wenn die Gesellschaft zu der gewählten Gemeinde keinerlei Beziehungen hat, mithin dort weder Räume noch sonstige Erreichbarkeit (postalisch, telefonisch etc) anzutreffen waren. Das ist aber durch erforderliche Angabe einer inländischen Geschäftsanschrift jedenfalls theoretisch nicht mehr erheblich. Regelmäßig waren früher Indizien für die unzulässige Sitzwahl dann anzunehmen, wenn Briefsendungen zurückkommen oder nicht zustellbar waren. Dann konnte der Registerrichter entspr Ermittlungen einleiten. Wenn eine Gesellschaft allerdings die Betriebsstätte einstellte, die Geschäftsleitung oder die Verwaltung verlegte, fielen Satzung und Wirklichkeit auseinander – dies sollte früher anders als heute zur Nichtigkeit der Satzungsbestimmung führen (vgl Baumbach/Hueck Voraufl § 4a Rn 9; Lutter/Hommelhoff Voraufl § 4a Rn 16 Nichtigkeit, für Vorgehen nach § 397 FamFG – früher § 144 FGG plädierend; ähnlich auch Scholz/Emmerich Voraufl § 4a Rn 20 – vgl hierzu BayObLG ZIP 1999, 1744 – Zuständigkeit der Insolvenzgerichte).
16
Wählen Gesellschafter einen (unter Beachtung der in § 4a vorgesehenen Möglichkeiten) Sitz, um vor einem unerfahrenen Registergericht eine schnellere und „komplikationslose“ Eintragung zu erreichen, so begründete dies bereits früher für sich gesehen noch keine unzulässige Vorgehensweise (vgl insofern Scholz/Emmerich § 4a Rn 14).
17
Der Satzungssitz muss zwingend im Inland liegen (örtliche Zuständigkeit des Registergerichts nach § 7 Abs 1, allg Gerichtsstand nach § 17 ZPO, Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach § 3 Abs 1 S 1 InsO, Erfüllungsort – vgl Wicke § 4a Rn 2, 3; Gehrlein/Witt/Volmer 1. Kap Rn 19). Die Verlegung des Sitzes der GmbH ins Ausland ist derzeit noch nicht möglich und (auch nicht innerhalb EU und des EWR) und beseitigt die Rechtsfähigkeit, stellt einen Auflösungsbeschluss dar und führt zur Liquidation (Baumbach/Hueck/Fastrich § 4a Rn 9; Scholz/Emmerich § 4a Rn 26; Lutter/Hommelhoff § 4a Rn 17; hierzu bereits Wicke § 4a Rn 10; nichtiger Satzungsänderungsbeschluss Kindler AG 2007, 723; auch Kindler NJW 2008, 3251; vgl ferner BGH NJW 2008, 2914; für schweizerische AG BGH 27.10.2008 – II ZR 158/06; BGHZ 85, 144.
18
Ebenso krit ist die Sitzverlegung einer ausländischen Gesellschaft in das Inland zu betrachten. Hier führt die Sitzverlegung selbst bei Übereinstimmung der Rechtsordnungen zu einer Neugründung (Baumbach/Hueck/Fastrich § 4a Rn 14; OLG Nürnberg 13.2.2012 – 12 W 2361/11 – ZIP 2012, 572; Belgorodski/Friske Über das Ziel hinausgeschossen – die neuen Handelsregisteranforderungen an ausländische Kapitalgesellschaften im Lichte des europäischen Gemeinschaftsrechts, WM 2011, 251; iÜ noch hM BGHZ 97, 269; OLG Frankfurt NJW 1990, 2204; OLG Zweibrücken DB 1990, 1660; krit auch hier Lutter/Hommelhoff Voraufl § 4a Rn 14; ferner Baumbach/Hueck Voraufl § 4a Rn 11 jeweils mwN). Insofern ist die zukünftige Rechtsentwicklung ua in Europa zu beachten (ausführlich Scholz/Westermann Anh § 4a mit umfänglicher Darstellung auch der zu erwartenden Reformen – ferner Holzborn/Mayston Grenzüberschreitender „Downstream Merger“ bei Streubesitz und Börsenhandel, ZIP 2012, 2380 – vgl §§ 122a–122l UmwG).