Читать книгу Tatort Ostsee - Harald Jacobsen, Anke Clausen - Страница 25

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Sophie saß mit den anderen Kursteilnehmern und den Fortgeschrittenen auf dem Deich in der Sonne. Sie waren alle befragt worden, doch niemand hatte der Polizei helfen können. Die Stimmung war gekippt. Am Morgen hatten sie noch gelacht und jetzt klopften selbst die Berliner keine frechen Sprüche mehr. Zecke baute einen Joint und von seinen Leuten war nur ab und zu ein ›echt superkrass‹ zu hören. Bienchen jammerte Bärchen die Ohren voll. Sie hatte Angst und wollte nach Hause. Bärchen machte ein brummiges Gesicht. Sophie hatte fast Mitleid mit dem riesigen Kerl. Es war abzusehen, dass Bienchen sich durchsetzen würde und die Abreise kurz bevorstand. Indie machte Yoga und erklärte nebenbei die Bedeutung von Karma. Sophie war kurz davor, sie zu bitten, das Esoterikgequatsche für sich zu behalten.

»Da kommt Olli!«, rief Bärchen plötzlich und zeigte auf den kleinen Weg. Olli verschwand in der Hütte und kam ein paar Minuten später mit einer Handvoll Zetteln wieder heraus. Sophie nahm an, dass die Polizei die Teilnehmerlisten durchgehen wollte. Der Kitelehrer ging wieder zurück zum Bistro, ohne die Gruppe auf dem Deich überhaupt registriert zu haben. Merkwürdig, dachte Sophie, warum war Olli so abwesend? Sie hätte es normal gefunden, wenn er sich zumindest kurz nach seinen Schülern umgesehen hätte.

»Will jemand?«, fragte Zecke und reichte den Joint herum. Bis auf seine Kumpel, Indie und Wolf lehnten alle dankend ab. Plötzlich verließ Ben mit den zwei Kripobeamten das Bistro. Sie gingen in Richtung Parkplatz. Sophie verspürte ein unangenehmes Kribbeln. Ob sie Ben verhaftet hatten? Warum? Sie musste wissen, was da vor sich ging. »Leute, ich muss kurz zu meinem Wagen, Pelles Trockenfutter ist im Kofferraum. Ich habe den armen Kerl in der Aufregung ganz vergessen!« Sie pfiff nach Pelle und ging mit ihm den Deich entlang. Da waren die drei. Sie gingen nicht zu dem dunkelblauen Polizeidienstwagen, sondern zu den Bussen und Wohnmobilen. Ben erklärte den Beamten irgendwas, doch sie waren viel zu weit weg. Sophie konnte kein Wort verstehen. Dieser Hartwig machte sich Notizen. Sein Kollege nickte Ben zu. Anscheinend war er nun entlassen, denn ohne ein weiteres Wort machte er sich auf den Weg zu einem klapprigen Ford Transit. Hartwig klopfte an die erste Wohnmobiltür.

»Sie befragen alle. Jeden Camper. Und sie schreiben sich die Kennzeichen auf«, murmelte Sophie vor sich hin. Pelle sah sie irritiert an. »Hab nur mit mir selbst gesprochen. Komm, wir holen dir was zu essen.«

Sie fütterte Pelle neben ihrem Wagen und beobachtete das Geschehen auf der Campingwiese. Die Polizisten klapperten der Reihe nach jeden Bus und jedes Wohnmobil ab. Sie hatten nicht viel Erfolg. Natürlich nicht, dachte Sophie, bei diesem Wetter waren alle auf dem Wasser. Pelle leckte die letzten Krümel aus der Schüssel und sein Frauchen beschloss, aktiv zu werden. Vielleicht würde sie von Ben mehr erfahren. Sie holte Pelles Lieblingsball. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Kripobeamten sie nicht sehen konnten, warf sie ihn in Richtung Transit. Ihr Hund stürmte bellend hinterher. Sophie folgte ihm. »Pelle, hierher!«, brüllte sie übertrieben laut. Ihr Plan ging auf. Die Schiebetür flog zur Seite und Ben kam raus. »Ist er abgehauen?«

Sophie seufzte genervt. »Ja, er hat seine verrückten fünf Minuten. Hatte wohl Angst, dass ich ihm seinen Ball wegnehme, weil er ihn hier sowieso verbummelt.« Pelle kam angerannt und legte das Spielzeug vor ihre Füße. »Ja, ja, jetzt hast du ein schlechtes Gewissen, was?«, lachte sie.« Sie warf noch einmal. »Ist das nicht schrecklich?«, fragte sie dann ernst. Ben nickte. Sophie dachte schon, er würde nichts dazu sagen, als er doch noch antwortete.

»Es ist unfassbar. Die Bullen scheinen zu glauben, dass hier einer herumrennt und nachts hübsche Frauen ertränkt.«

»Aber genauso scheint es doch zu sein!«

Ben schüttelte den Kopf. »Hier ist fast jeden Abend noch Party am Strand. Manchmal sitzen da noch Leute mit einer Kiste Bier. Selbst ein Irrer würde doch nicht so leichtsinnig sein und ein paar Meter weiter einen Mord begehen. Das Risiko, dass jemand noch einen Spaziergang macht, ist viel zu hoch.«

»Wer sagt denn, dass er es hier in der Bucht getan haben muss?«

Ben sah sie fragend an. »Und wie hat er sie dann wieder an den Strand gebracht? Mitten in der Nacht? Dazu hätte er einen Wagen gebraucht. Wenn hier nachts jemand mit dem Auto an den Strand fährt, fällt das doch auf. Außerdem gibt es keine Reifenspuren. Das ist doch ne fixe Idee!«

»Ich glaub nicht, dass die Polizei wegen einer fixen Idee, wie du das nennst, hier so einen Aufwand betreiben würde!« Sie beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. »Hast du Sarah in der Nacht noch gesehen?«

Ben sah sie erschrocken an. Sein Mund öffnete sich, doch er sagte nichts.

Olli saß in seinem Wohnmobil und trank einen Cognac. Er musste sich beruhigen und der Cognac tat ihm gut, auch wenn er sich ärgerte, dass er schon wieder zur Flasche griff. Aber das war wirklich ein Notfall. Jemand hatte Sarah ermordet. Und er hatte den Bullen nicht die Wahrheit gesagt. Was, wenn sie herausbekämen, dass er mit ihr ein Verhältnis gehabt hatte. Vielleicht hatte Sarah verbreitet, dass sie Schluss machen wollte. Dann war er wirklich verdächtig und er hatte kein Alibi. Und er konnte sich nicht erinnern. Was sollte er zu seiner Verteidigung vorbringen? Dass er eigentlich ein netter Kerl war? Dass er Sarah an dem Abend zwar gehasst hatte und sich an nichts erinnern konnte, aber im Grunde halbwegs sicher war, dass er sie nicht unter Wasser gedrückt hatte? Zumindest hatte er nichts mit Sandra gehabt. Sie war nur eine nervige Schülerin. Er durfte jetzt nicht durchdrehen. Als Erstes sollte er Ben fragen, was er den Bullen erzählt hatte. Von seinen Schülern konnte niemand etwas über ihn und Sarah wissen. Sie waren alle erst angereist. Und die Fortgeschrittenen? Scheiße! Die hingen hier schon länger rum. Aber hatten sie was mitbekommen? Nein, Sarah und er hatten nie am Strand geknutscht. Olli verließ das Wohnmobil und hoffte, dass er keinem Schüler über den Weg laufen würde. Er wollte erst mit Ben sprechen, bevor er neugierige Fragen beantworten musste. Falls die Bullen fragen sollten, was er vorhätte, würde er wahrheitsgemäß antworten, dass er den Fortgang des Kurses besprechen musste. Zum Glück nahm niemand Notiz von ihm. Olli blieb erstaunt stehen. Ben plauderte mit dieser Sophie. Was hatten die beiden denn so dringend zu besprechen? Er ging weiter.

»Das war total bescheuert!«, sagte Sophie. Ben sah sie merkwürdig an.

»Was denn?«, fragte Olli neugierig. Beide drehten sich erschrocken um.

Sophie fing sich zuerst. »Ach, gar nichts! Ich war ein bisschen nachlässig. Mein, ähm, mein Kite war nicht genügend gesichert und jetzt hat Ben mir noch mal den Marsch geblasen. Und ich gelobe hiermit feierlich Besserung!«

»Sehr brav!«, lachte Olli. Der Cognac tat seine Wirkung. Er fühlte sich lockerer. »Ben, die Schüler warten sicher irgendwo auf uns und das Equipment muss auch noch abgebaut und verstaut werden. Vielleicht sollten wir eine Kiste Bier ausgeben und die Leute auf morgen vertrösten.«

Ben nickte. »Gute Idee! Lass uns für heute Schluss machen.«

Sophie rief ihren Hund zu sich. »Die anderen warten auf dem Deich. Soll ich ihnen verraten, dass ihr einen ausgeben wollt?«

Olli nickte. »Ja, tu das! Und fangt doch schon mal an, die Luft aus den Kites zu lassen und die Knoten zu lösen.«

»Zu Befehl!« Sophie machte kehrt und joggte mit Pelle davon.

»Seit wann hältst du Standpauken? Sie ist Anfängerin und hat das heute klasse gemacht!«

Ben nickte. »Das mit den Bullen hat mich wahrscheinlich irgendwie aus der Bahn geworfen. Ich werde mich gleich bei ihr entschuldigen.«

»Ja, tu das. Sie ist wirklich richtig nett. Apropos Bullen … Hast du was von mir und Sarah erzählt?«

»Was meinst du?« Ben sah ihn entsetzt an.

»Du weißt schon. Dass wir mehr oder weniger zusammen waren.«

»Versteh ich dich gerade richtig? Du hast nichts davon erzählt? Sag mal Olli, bist du eigentlich bescheuert? Spätestens Clara wird ihnen das mit Genuss aufs Brot schmieren. Warum hast du das verschwiegen? Mann! Du bringst dich selbst in Schwierigkeiten!«

Clara! Die hatte er total vergessen. Olli bemühte sich, die aufkommende Panik zu unterdrücken. »Ich bin ein Idiot!«, antwortete er so gelassen wie möglich. »Ich war so durcheinander und rede noch mal mit den Bullen. Und nun lass uns die Kiste holen und zum Strand gehen. Unsere Truppe hat sich ein Bier verdient und wir können auch eins vertragen.«

Olli fühlte sich grauenhaft. Zumindest hatte Ben der Polizei nichts gesagt. Und das Problem mit Clara würde er auch irgendwie lösen.

Sophie lief zurück zu den anderen. Bevor sie zu Wort kam, maulte Bienchen los. »Frisst dein Hund immer so langsam?«

»Wir haben noch ein bisschen Ball gespielt!«

Bienchen sah sie verständnislos an und drehte sich zu Bärchen. »Hast du das gehört? Hier läuft ein Killer frei herum und sie spielt Ball!«

Bärchen grunzte. Sophie setzte ihr Modelgesicht auf. »Bärchen scheint sich für deine Paranoia nicht besonders zu interessieren, oder? Na egal. Leute! Was passiert ist, ist schrecklich! Aber Olli und Ben können schließlich nichts dafür. Die beiden werden in fünf Minuten mit einer Kiste kaltem Bier hier sein.« Die Berliner johlten und Bärchen klatschte begeistert. »Vielleicht fällt uns gemeinsam ja noch was ein«, gab sie zu bedenken. »Wir sollen schon mal damit anfangen, die Ausrüstung abzubauen.«

Alle sprangen auf, klopften sich den Sand ab und machten sich ans Werk. Als Ben und Olli auftauchten, waren sie fast fertig. Gemeinsam brachten sie das Equipment zu den Schuppen. Eine halbe Stunde später hielt jeder ein kaltes Bier in der Hand.

»Tut mit leid, dass der Nachmittag anders gelaufen ist als geplant«, entschuldigte sich Ben. »Wir können euch nur anbieten, den Kurs morgen früh fortzusetzen. Wenn jemand aufgrund der Umstände nicht weitermachen möchte, kriegt er natürlich die Kohle für heute zurück.«

Sophie hatte einen Kloß im Magen. Warum hatte sie Ben nach Sarah gefragt? Sie hatte sich aufgeführt wie eine schlechte Privatdetektivin. Vielleicht hatte er Sarah in der Nacht noch gesehen, aber was hieß das schon? Sie hatte es gründlich vermasselt. Ihr war schleierhaft, wie sie Ben gegenübertreten sollte, falls er überhaupt noch mit ihr reden würde. Deprimiert zündete sie sich eine Zigarette an und schloss die Augen. Die Sonne schien ihr tröstend auf das Gesicht. Sie war eine dumme, neugierige Gans. Warum genoss sie nicht einfach ihre Ferien? Es würde sie von Felix ablenken. Niemand wollte, dass sie hier rumschnüffelte. Nicht mal die Polizei! Erst, als Pelle seine kalte Nase an ihre Wange stupste, öffnete sie ihre Augen wieder. »Zisch ab!«

»Wie du meinst.«

Sophie blinzelte gegen die Sonne. Ben grinste sie an.

»Ich habe Pelle gemeint.«

»Na, da bin ich aber froh!« Er ließ sich in den Sand fallen.

»Ich hatte schon Angst, dass du wegen meines dummen Spruches sauer bist«, sagte Sophie.

Ben nickte ernst. »Ehrlich gesagt verstehe ich wirklich nicht, was das sollte. Aber dass du dumme Witze machst, nehme ich dir nicht ab!«

Sophie fühlte sich ertappt.

»Was sollte das? Glaubst du, ich könnte möglicherweise ab und zu mal eine Frau ertränken? Wie ist deine Theorie? Ist es dem Spinner Ben vielleicht ein bisschen zu langweilig auf Fehmarn? Nach seinem aufregenden Leben auf Phuket?«

»Ben, ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe. Es tut mir ehrlich leid und ich würde alles tun, es ungeschehen zu machen.«

»Alles? Gut zu wissen! Jetzt aber mal im Ernst. Die Bullen glauben, dass Sarah nicht nachts bei einem Unfall in der Ostsee ertrunken ist. Aber was dann? Warum sollte jemand Sarah ermorden?«

Sophie schüttelte seufzend den Kopf. Das war die entscheidende Frage. Warum Sarah?

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