Читать книгу Tatort Ostsee - Harald Jacobsen, Anke Clausen - Страница 39

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Stefan hatte sich in sein Büro zurückgezogen. Die Pressekonferenz war ein Albtraum gewesen. Diese Horde von sensationsgeilen Karrieremenschen kotzte ihn an. In seinen Augen hatte ihre Arbeit wenig mit Journalismus zu tun. Sie wollten doch alle nur möglichst viel erfahren, um eine grauenhafte und Angst einflößende Story daraus zu machen. Für diese Meute waren Pressekonferenzen doch nichts anders als ein Brainstorming. Stefan löste seine Krawatte und starrte das Telefon an. Wieso klingelte es nicht? Warum konnten die Kollegen diesen Oliver Konrad nicht finden? Stefan stand auf und trat ans Fenster. Dieser Bursche schien tatsächlich niemanden in seine Pläne eingeweiht zu haben. Und wenn sie doch den Falschen jagten? Endlich klingelte sein Handy. Stefan riss es hektisch aus der Brusttasche. »Habt ihr ihn?«, rief er aufgeregt.

»Was? Wen? Ich bins, Sophie.«

»Was willst du? Die Pressekonferenz ist vorbei!«

»Pressekonferenz?«, fragte sie unschuldig. »Jetzt komm mal wieder runter. Ich wollte nur wissen, ob du heute Mittag zu Hause bist? Ich besorge Sushi und wenn du auch kommst, bringe ich natürlich entsprechend mehr mit.«

»Was soll der Scheiß?«

»Bitte?«

Sophies naives Getue ging ihm gehörig auf die Nerven. Für wie blöd hielt sie ihn eigentlich? »Was willst du wirklich? Du kannst dir doch denken, dass ich nicht die Zeit habe, für ein paar zickige Häppchen rohen Fisch meine Arbeit zu unterbrechen.« Stefan hörte Sophie schlucken.

»Ihr sucht Olli. Warum?«, fragte sie plötzlich ganz sachlich.

»Warum? Wie kommst du eigentlich auf die Idee?«, fragte Stefan überrascht. Dann fiel es ihm wieder ein. »Ach ja! Hatte schon ganz vergessen, dass du mit seinem Kollegen zum Essen warst. Du gehst ganz schön weit, um deine Neugier zu befriedigen. Oder wolltest du nicht nur die befriedigen?«

»Du bist geschmacklos.«

Das war er tatsächlich. Stefan schloss die Augen und schaltete einen Gang zurück. »Tut mir leid, aber du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dir was über laufende Ermittlungen verrate? Du spinnst doch!«

»Kannst du mir nicht wenigstens sagen, ob Olli ein wichtiger Zeuge ist oder ob ihr ihn tatsächlich verdächtigt?«

»Ich leg jetzt auf!«

»Stefan! Warte! Ben und ich, wir verstehen uns ganz gut. Ich bin mir sicher, dass er sich mehr Mühe gibt, sich an Ollis Bekanntenkreis oder Ähnliches zu erinnern, wenn ich ihn drum bitte statt der Polizei.«

Stefan fragte sich, ob er sie richtig verstanden hatte. Schlug Sophie ihm ein Geschäft vor? Sie würde diesen Ben aushorchen, wenn er ihr verriet, was Ollis Problem war?

»Wenn du was weißt und es mir nicht sagst, steck ich dich in den Knast.«

»Bis jetzt weiß ich ja gar nichts. Aber ich könnte mich natürlich bemühen, etwas herauszufinden.«

Stefan zündete sich eine Zigarette an. »Ich kann dir nichts sagen! Und das weißt du auch.« Ach, zum Teufel! Stefan klopfte die Asche ab. »Gut! Stell dir einfach vor, jemand hatte ein Verhältnis mit einem Mordopfer und erwähnt das in seiner Aussage mit keinem Wort.«

»Sondern taucht ab.« Sophie schnalzte mit der Zunge. »Ich verstehe. So rein theoretisch wäre das nicht sehr clever, wenn derjenige nichts mit dem Tod seiner Freundin zu tun hätte. Aber es beweist auch nichts.«

»So, und nun ist die Plauderstunde beendet.«

Stefan ließ den Hörer auf die Gabel krachen und fluchte. Hatte er zu viel gesagt? Wahrscheinlich hatte Sophie sich die Zusammenhänge schon gedacht. Herumschnüffeln würde sie sowieso. Er konnte nur hoffen, dass sie wirklich zuerst mit ihm reden würde, falls sie von diesem Ben etwas erfahren sollte, und nicht auf die Idee kam, selbst nach Olli zu suchen.

Ben stand in der Bucht und gab einem Touristen aus Bremen Einzelunterricht. Der Typ machte sich wirklich gut. In kürzester Zeit hatte er den Bogen raus und den Kite vollkommen unter Kontrolle.

»Nicht schlecht!«, lobte Ben.

»Ich war vor zwei Jahren schon mal ziemlich weit, aber dann musste ich pausieren«, erklärte sein Schüler. »Bandscheibenvorfall.«

Ben verzog das Gesicht. »Aua! Was ist? Soll ich ein Board holen?«

»Wenn du meinst! Ich würde es schon gerne versuchen.«

Ben stiefelte an Land. Seine Gedanken drehten sich schon den ganzen Morgen nur um Sophie. Nicht mal den Namen seines Schülers hatte er sich merken können. Er musste Sophie unbedingt heute noch sehen. Er wollte wissen, woran er bei ihr war. Ob sie die Nacht bereute? Statt zum Schuppen zu gehen und das Brett zu holen, steuerte er die Hütte an und wühlte sein Handy aus der Tasche. Gut, dass sie am Morgen noch daran gedacht hatten ihre Nummern auszutauschen. Es klingelte gerade einmal. Dann hörte er ihre Stimme.

»Willst du mir plötzlich doch noch was sagen?«

Sie klang schrecklich sachlich. Ben lief es kalt den Rücken runter. »Was?«

»Ben? Sorry, ich dachte, es wäre jemand anderes«, erklärte Sophie freundlicher.

»Was ist denn los?«

»Hör mal, nur weil wir die Nacht zusammen verbracht haben, musst du nicht alles wissen.«

Ben schnappte nach Luft.

»Entschuldige! Du bist gerade der Dumme, der meinen ganzen Frust zu spüren kriegt.«

Ben wurde ruhiger. Es war alles in Ordnung. »Ist schon gut«, erklärte er erleichtert. »Ich wollte dich auch nicht stören, sondern eigentlich nur zum Abendessen einladen.«

»Sehr gern. Wann und wo dinieren wir?«

»Um halb acht auf der Terrasse vor meinem Anwesen.« Ihr wunderbares Lachen schallte durch den Hörer direkt in sein Ohr.

»Ich komme sehr gern! Sag mal, hast du überlegt, wo Olli stecken könnte?«

»Jein. Ich bin noch nicht so richtig dazu gekommen. Ich habe hier gerade Unterricht und außerdem war ich zu lange weg, um alle Freunde von Olli zu kennen. Um ehrlich zu sein, schweifen meine Gedanken auch immer wieder ab. Kann mich kaum auf den Kurs konzentrieren, wenn du verstehst.« Sophie schwieg einen Moment und er hatte Angst, dass er zu weit vorgeprescht war.

»Na, vielleicht fällt dir ja noch was ein. Ich freu mich jedenfalls auf heute Abend. Sehr sogar. Bis dann.«

Sie hatte aufgelegt. Ben seufzte und ging endlich zum Schuppen, um das Board zu holen. Er musste jetzt erst mal den Unterricht zu Ende bringen und am Nachmittag den Verleih von Surfbrettern und Kiteequipment organisieren. Dann konnte er sich auf den Abend freuen. Er konnte es kaum noch erwarten, sie wieder bei sich zu haben. Er würde sich für sie etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Er würde sie überraschen. Ben lächelte. Damit würde sie nie und nimmer rechnen.

Felix stand in seinem begehbaren Kleiderschrank und wählte schlecht gelaunt die Klamotten aus, die er auf dieser elenden Vietnamreise brauchte. Bei dem Gedanken an den stundenlangen Flug wurde er so wütend, dass er die Kleiderstange aus den Angeln riss und sie auf den Boden schleuderte. Designeranzüge im Wert eines Sportwagens lagen auf der Erde. Sollte sich doch die Haushälterin um den Scheiß kümmern! Sein Handy klingelte. Fluchend lief er ins Wohnzimmer. Er griff nach dem Telefon und sah auf das Display. Eddy! Felix nahm das Handy mit an die Hausbar. Noch eine schlechte Nachricht würde er ohne doppelten Scotch nicht ertragen. »Was ist jetzt schon wieder los?«, schnauzte er in den Hörer. Nebenbei schenkte er sich das Glas voll.

»Felix, beruhige dich.«

»Ich soll mich beruhigen? Du tickst doch nicht ganz richtig! Jedes Mal, wenn du anrufst, berichtest du von neuen Katastrophen. Und morgen muss ich in dieses Scheißkaff in diesem Scheißland.« Felix trank einen tiefen Schluck und nahm eine Zigarette aus dem Silberetui.

»Felix, komm runter! Diesmal habe ich gute Nachrichten.«

»Ach ja? Kommt das Balg hierher? Das wäre mal eine gute Nachricht.«

»Um das Balg geht es nicht.«

Felix wurde ungeduldig. »Jetzt mach es nicht so spannend! Ich bin hier der Quizmaster! Verstanden?«

»Ich war heute Morgen auf dem Golfplatz und stell dir vor, mit wem ich in einem Flight war?«

Felix war kurz davor, das Telefon wegzuschmeißen. Wollte Eddy ihn provozieren?

»Professor Huniklich vom UKE!«, fuhr Eddy fort.

»Es freut mich, dass du dich in so feinen Kreisen bewegst. Kann dir nicht schaden, wenn du einen neuen Job suchen musst.«

»Jetzt warte doch mal. Huniklich ist ein unsympathisches Arschloch und eine dumme Plaudertasche. Na ja, wir kamen jedenfalls nebenbei so auf die Prominenz zu sprechen«, erklärte Eddy.

»Ach, hast du mal wieder damit angegeben, dass du der Manager von Felix van Hagen bist?«

Eddy ignorierte seine Bemerkung. »Er fand die Enthüllungsstory über dich jedenfalls auch schrecklich. Er ist der Meinung, dass Privates doch auch privat bleiben sollte. Na, und dann wunderte er sich, dass seine Patientin Sophie Sturm, die er doch eigentlich so sympathisch gefunden hatte, hinter dieser Sache steckt.«

Felix lauschte gespannt.

»Und er wunderte sich, dass sie schon wieder so viel Energie hat nach der Fehlgeburt!«

Fehlgeburt? Hatte er gerade richtig gehört?

»Felix? Ich dachte, du würdest jetzt Jubelschreie von dir geben. Diese Sorge bist du los! Sophie wird nie ein Kind von dir bekommen und sie wird dich nie damit erpressen können!«

Felix nickte langsam. »Das sind wirklich fantastische Nachrichten. Eddy, dass hast du sehr gut gemacht. Sehr gut! Liebäugelst du noch immer mit dieser Rolex? Kauf die verdammte Uhr und schick mir die Rechnung!« Felix legte auf, bevor Eddy ›Danke‹ sagen konnte. Er hatte jetzt für so was keine Zeit. Sophie hatte das Kind verloren. Natürlich hatte sie es nicht für nötig gehalten, ihm die Neuigkeit mitzuteilen. Aber so einfach würde er das nicht hinnehmen. Plötzlich huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Für sie war die Situation bestimmt schlimm. Ein Kind, auf das man sich so gefreut hatte, einfach zu verlieren. Nein, das war bestimmt nicht schön. Wahrscheinlich war sie in Therapie, um den Verlust zu verarbeiten. Vielleicht sollte er sie lieber dran erinnern. Blumen für die Dame! Hämisch grinsend griff er zum Telefon.

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