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Montag

Tina erwachte, als Finn leise wimmerte. Sie sah auf den Wecker. Halb acht! Der Kleine hatte fast sieben Stunden durchgeschlafen. Sie blickte zur Seite. Auf Stefans Kopfkissen lag ein Zettel. Mal wieder. Sie konnte sich denken was draufstehen würde. Leise trat sie an die Wiege und nahm Finn vorsichtig auf den Arm. »Ist ja gut, mein Liebling. Pst. Sonst wecken wir die anderen auf.« Tina setzte sich wieder ins Bett und griff sich die Notiz: ›Musste früh los. Liebe dich!‹

»Armer Papa,« flüsterte sie ihrem Baby zu. »Der ist auf Verbrecherjagd.« Was war denn jetzt schon wieder so wichtig, dass es nicht mal bis nach dem Frühstück warten konnte. »Weißt du, was wir zwei jetzt machen? Wir kochen Mama einen schönen Kaffee und gehen in den Garten. Na, was hältst du davon?«

10 Minuten später waren sie auf der Terrasse und wurden von Pelle stürmisch begrüßt. Tina beruhigte den aufgeregten Hund, wickelte Finn in eine Decke und legte ihn in die Babyschale. Der Kleine schaute mit großen Augen auf einen kleinen Hampelmann, der vor ihm baumelte. Tina nippte an ihrem Milchkaffee, als von oben lautes Geschrei zu hören war. Paul! Tina schnappte Finn und stürmte nach oben. Ihr Sohn saß heulend im Bett. »Mama! Ich bin ein Wauwau!«

Sie nahm ihn in den Arm. Antonia stürzte ebenfalls ins Zimmer. »Ist was Schlimmes passiert?«

Tina atmete tief durch und legte ihrer Tochter die Hand auf den Arm. »Paul hat nur schlecht geträumt. Aber du kannst mir einen großen Gefallen tun. Pelle ist im Garten. Lauf runter und sorg dafür, dass er nicht hochkommt. Er ist furchtbar dreckig.« Antonia klatschte begeistert in die Hände und stürmte los. »Paulchen, du hast nur schlecht geträumt. Du bist noch immer mein netter kleiner Junge. Wie kommst du denn auf so einen Unsinn?«

Paul schluchzte etwas ruhiger. »Weil, ich hab Hunnefutter geetten.«

Tina grinste. Wenn er müde war, fiel er immer in diese süße Babysprache zurück. »Jetzt guck doch mal auf deine Händchen. Sind das Hundepfoten oder Pauls Hände?«

Ihr Sohn betrachtete sie ein paar Sekunden. Dann strahlte er. »Pauls!«

Antonia stürmte mit Pelle ins Zimmer. Der Hund begann freudig zu bellen. »Ich konnte ihn nicht festhalten, Mama!«

»Pst. Aus! Wir gehen jetzt alle nach unten. Und zwar möglichst leise!« Das wars dann wohl mit dem ruhigen Morgen, stellte Tina lächelnd fest. Zusammen gingen sie nach unten, um das Frühstück vorzubereiten. Tina hatte den schreienden Finn auf dem Arm und versuchte, die Großen daran zu hindern sich die Köpfe einzuschlagen, als Sophie in die Küche kam. »Morgen! Gut geschlafen?«, fragte Tina nebenbei.

»Wie ein Baby! Muss an diesem Astrid-Lindgren-Gedächtniszimmer liegen. Ich fühl mich wie ein kleines Mädchen, das einen aufregenden Sommer in Schweden verbringt.«

Tina musste lachen. »Siehst du, so glücklich war meine Kindheit.«

»Allerdings hat mich heute Nacht wohl ein LKW überrollt. Mir tut alles weh. Ich schwöre, ich hatte noch nie so einen brutalen Muskelkater!«

»Nimmst du mal den Kleinen. Ich muss die Brötchen rausholen.«

Tina gab Sophie das Baby und öffnete den Ofen. »Fuck! Aua! Ich hab mir die Hand verbrannt.« Wütend schmiss sie das heiße Blech in die Spüle und hielt ihre Hand unter fließendes kaltes Wasser.

»Ist es schlimm?«, fragte Sophie.

»Nein, ich glaube nicht. V. S.!«

»V. S.?«

»Verfluchte Scheiße!«, flüsterte Tina. »Wir versuchen, vor den Kindern nicht zu fluchen.«

»Mama, was bedeutet Fuck?«, wollte Antonia wissen.

»Und das klappt auch immer ganz toll.«

Sophie fing an zu lachen. Tina schüttelte ernst den Kopf, dann konnte sie sich auch nicht mehr halten. Antonia und Paul waren schon wieder mit Pelle beschäftigt. Ein paar Minuten später saßen alle am Frühstückstisch. Das Telefon klingelte.

»Ich geh ran!«, flötete Antonia. Sie sprang auf und griff sich den Hörer. »Hallo, Papa! Gut, dass du anrufst. Du sag mal, Papa. Was bedeutet eigentlich Fuck?«

Tina ließ ihr Brötchen fallen und stürzte zum Telefon. Mit einer schnellen Bewegung nahm sie ihrer Tochter den Hörer aus der Hand. »Stefan?«

»Fuck? Was ist denn bei euch los?«

Tina sah zu Sophie und rollte mit den Augen. »Meine Schuld! Als ich am Backblech kleben blieb, ist es mir rausgerutscht.« Sie berichtete kurz von ihrem Unfall. »Und was ist bei dir so wichtig, dass du dich schon im Morgengrauen aus dem Haus schleichst?«

»Dienstgeheimnis!«

»Jetzt hör aber auf!«

»Aber kein Wort zu Miss Marple! Wir haben gerade auch diese erste Leiche obduzieren lassen.«

»Du bist in der Rechtsmedizin? Verstehe ich dich da richtig? Zwei?«

»Ich darf dir nicht mehr sagen.«

»Wenn hier ein Irrer herumrennt, hätte ich das schon ganz gerne gewusst. Denk mal an deine Kinder.«

»Ist Sophie in der Nähe?«

»Nein!«, log Tina. »Sie ist mit Pelle im Garten.«

»Es stehen noch etliche Tests aus, aber leider sind auf den ersten Blick tatsächlich Parallelen erkennbar. Schatz, ich muss Schluss machen. Feller ist da. In 10 Minuten haben wir eine Besprechung mit Franck. Ich liebe euch. Und kein Wort zu Sophie!«

Tina legte das Telefon auf den Tisch und setzte sich wieder.

»Zwei?«

Tina deutete auf die Kinder und schüttelte den Kopf. Antonia und Paul schlangen ihr Frühstück runter und sprangen auf, um mit Pelle zu spielen.

»Jetzt sag schon. Was, zwei? Zwei Leichen? Diese Sandra ist auch nicht freiwillig getaucht, stimmt doch?«

»Ich darf dir nichts sagen. Stefan würde mich umbringen.« Sophie schaute sie beleidigt an und stand auf. »Mensch, du musst das doch verstehen!«

Sophie war schon fast bei der Treppe. »Sicher.«

Tina rieb sich nervös die Schläfen. »Nur so viel. Sie haben tatsächlich die erste Leiche obduzieren lassen.«

»Dann haben wir zwei Opfer?«

»Das weiß Stefan noch nicht genau.«

Sophie nickte gedankenverloren und rannte die Treppe hoch. Tina deckte ab. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Hatte sie zu viel gesagt? Sophie würde jetzt erst recht schnüffeln. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn Stefan dahinterkam. Tina zuckte zusammen. Und der Mörder? Mein Gott, natürlich! Ihm würde Sophies Schnüffelei am wenigsten gefallen.

Ben schnappte sich frische Klamotten, Duschgel und Zahnbürste und lief zum Bistro. Das Küchenfenster war weit geöffnet. Hanjo werkelte sicher schon in der Küche. Ben nahm sich vor, ihm nach der Dusche Gesellschaft zu leisten und ihm zu helfen. Er schloss die Hintertür auf und ging ins Badezimmer. Auch wenn das Bad nicht viel mehr war als ein gekachelter Raum mit Badewanne und Waschbecken und sich die Leergutkisten bis unter die Decke stapelten, war er froh, dass er es nutzen durfte. Verglichen mit seinem Badezimmer auf Phuket war es Luxus pur. Er musste nichts mit Kakerlaken teilen. Ben fröstelte kurz unter der kalten Dusche. Trotzdem blieb er eisern. Die Verlockung war groß, den Heißwasserhahn aufzudrehen. Er sollte sich gar nicht erst an diesen Luxus gewöhnen. Vielleicht würde er bald wieder weg sein, irgendwo anders, in einer Welt, die andere primitiv finden würden und die ihn retten konnte. Ben trocknete sich schnell ab und schlüpfte in Shorts und ein Batikhemd. Er rubbelte sich noch schnell durch die nassen Locken und verließ das Bad. Ohne nachzudenken, öffnete er die Küchentür. »Moin, Hanjo!«

Hanjo zuckte zusammen und verschüttete seinen Tee. Ben hätte fast gelacht, doch ihm fiel rechtzeitig genug ein, dass der Mann nach dem Tod seiner Frau wahrscheinlich einfach noch sehr sensibel war. Du bist ein Idiot, schimpfte er still. Warum kannst du nicht anklopfen wie ein normaler Mensch?

»Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken!«

»Schon gut, mein Junge. War mit meinen Gedanken ganz woanders. Tee?«

»Kaffee wäre mir lieber. Ich setze mal welchen auf.«

»Du bist früh dran!«

»Stimmt! Bei dem herrlichen Wetter hält mich so gar nichts in meiner Rostlaube.«

»Hab nicht gut geschlafen«, erklärte Hanjo müde. »Mir will das nicht in den Kopf, dass hier so was passiert sein soll. Ich meine Mord. Auf unserer Insel. Nee, die müssen sich da irren.«

Ben nickte nachdenklich. Die Polizei war sich aber sicher und sie würde auch nicht aufgeben, bis sie den Täter gefasst hätten. »Lass uns das Frühstück vorbereiten«, schlug er gut gelaunt vor. »Mensch Hanjo, zumindest für die Gäste sollte alles so normal wie immer ablaufen.«

Hanjo öffnete den Kühlschrank und holte einen Karton Eier heraus. »Hast ja recht! Ich kann nur nicht aufhören zu grübeln. Die Polizei hat mir richtig Angst gemacht. Was, wenn es wieder passiert?« Hanjo schlug die Eier in eine Schüssel. »Olli hat Sarah doch sehr gemocht, nicht?«

Ben drehte sich schnell zur Kaffeemaschine, damit Hanjo sein Gesicht nicht sehen konnte. »Ah, er ist durch. Wird auch Zeit!« Er nahm sich eine Tasse von der Spüle und goss ein. »Olli und Sarah hatten irgendwie so ein halbes Verhältnis.«

»Ein was?«, fragte Hanjo irritiert.

Ben lächelte entschuldigend. »Na ja, sie haben zusammen trainiert und waren wohl nicht sicher, ob eine intensivere Beziehung für beide gut sein würde. Deshalb haben sie die Sache auch geheim gehalten.«

Hanjo schnaubte und schlug mit einem Schneebesen auf die Eier ein. »Ich hoffe nur, der Junge war nicht ernsthaft verliebt in sie.« Hanjo hörte auf zu rühren.

»Er hat ihr doch nichts angetan?«

»Um Gottes willen, Hanjo, natürlich nicht! Olli hat nur dran geglaubt, dass sich die Situation nach den Deutschen Meisterschaften wieder entspannen und Sarah dann einsehen würde, dass sie in allen Lebenslagen ein wunderbares Team wären. Es war sein großer Traum!«

Hanjo nickte beruhigt. »Ja, sicher! Mein Gott, ich muss verrückt geworden sein. Bitte sag ihm nichts.«

»Natürlich nicht. Ich deck jetzt mal die Tische.«

Ben nahm sich ein Tablett mit Tassen und Tellern und ging in die Gaststube. Er war froh, allein zu sein. Wenn jemand Schuld hatte, dass Ollis Traum zerplatzt war, dann war er das!

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