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Hanjo stand in der Gaststube am Tresen und wählte die Nummer des Hotel Ostseeblick.

»Ostseeblick. Tees Hansen am Apparat.«

»Moin, Tees. Ich bins, Hanjo.«

»Mensch, Hanjo! Schön, dass du dich mal meldest.«

»Tees, ich brauch dringend eine Aushilfe. Ich pack das hier sonst nicht. Hast du nicht noch jemanden?«

»Du, hab ich tatsächlich! Eine junge Frau aus Burg. Sie sucht einen Ferienjob und hat bei uns angefragt. Wir haben aber genug Leute. Soll ich der mal deine Nummer geben?«

»Unbedingt! Ich weiß nicht mehr ein noch aus.«

»Schon gut. Warum kommst du nicht mal wieder auf ein Glas vorbei?«

»Im Moment ist alles ein bisschen viel. Erst Freyas Tod und jetzt diese Sache mit den toten Mädchen.«

»Ja, schlimm!«, gab Tees zu. »Ich sag dir, meine Frau traut sich abends kaum noch vor die Tür. Dabei …«

»Du, ich glaub, da brennt was an! Bis denn.« Hanjo warf den Hörer auf die Gabel. Tees war ein feiner Mensch, aber Hanjo konnte jetzt keine Geschichte über Tees’ Frau ertragen. Sein Blick fiel wieder auf die Schlagzeile. Er war noch gar nicht dazu gekommen, den Artikel zu lesen. Hanjo griff gerade nach der Zeitung, als die Tür aufging und Sophie zur Tür reinkam. Er freute sich, die beiden zu sehen. »Na, ihr seid aber früh zurück.« Sophie sah irgendwie aufgewühlt aus, stellte er verwundert fest. »Wie war der Kurs?«

Sophie setzte sich auf einen Barhocker und rollte genervt mit den Augen. »Ich bin durch die Luft geflogen und Olli hat gemeckert. Das ist heut nicht mein Tag. Ich sollte nach Hause fahren und mich in den Garten legen!«

»Ach was! Nach dem Essen sieht alles schon wieder ganz anders aus! Kaffee?«

Sie lächelte ihn an. »Du würdest mein Leben retten!«

Hanjo schlurfte in die Küche und schenkte dann zwei Tassen ein. Als er zurückkam, war Sophie in die Zeitung vertieft. Hanjo deutete auf die Schlagzeile. »›Mord auf Fehmarn‹. Ich will das einfach nicht glauben!«

»Das ist doch noch gar nicht offiziell. Bis jetzt ermittelt die Polizei noch. Weißt du, ich bin selbst bei der Presse und ich versichere dir, dass da immer alles etwas aufgebauscht wird.« Sophie zwinkerte ihm zu. »Schließlich will man Zeitungen verkaufen, oder?«

Hanjo nickte nachdenklich. »Glaubst du, dass jemand Sarah umgebracht hat?«

»Die Polizei schließt das wohl nicht aus. Und Fakt ist, dass zwei junge Frauen ertrunken sind. Ach, sag mal, hier ist doch vor vielen Jahren schon mal ein Mädchen ertrunken, oder?«

Hanjo sah sie verwirrt an. »Hier ertrinkt immer mal jemand. Ein Fischer. Surfer. Es gab auch ein paar Kiteunfälle.«

»Nein, ich rede von einem Mädchen. Fenja hieß sie, glaube ich.«

»Das ist so lange her.« Hanjo schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können. »Die Kleine ist rausgesurft, allein. Sie war sehr gut und niemand hat sich Sorgen gemacht. Und dann ist sie nicht zurückgekommen.« Er öffnete die Augen wieder. »Sie ist einfach verschwunden.«

»Sie war eine Freundin von Olli, nicht?«

Er nickte langsam. »Sie waren noch halbe Kinder!«

»Schrecklich! Er muss doch total fertig gewesen sein?«

Hanjo starrte ins Leere, als er antwortete. »Das hab ich mich oft gefragt. Kommt man jemals über so was weg? Der Tod ist so endgültig.« Er lächelte sie traurig an. »Mir hilft es, dass meine Frau in meinen Armen gestorben ist. Sie wirkte zufrieden, fast glücklich. Aber diese Ungewissheit? Ich glaube, es gibt nichts Schlimmeres.«

Olli fühlte sich furchtbar. Sophie war wirklich wütend und zwar mit Recht. Er hätte sie nicht so anfahren dürfen. Er war regelrecht ausgerastet. »Mittagspause!«, brüllte er durch die Bucht. »Landet mal die Schirme!« Ungeduldig half er seinen Schülern an Land. Er musste Sophie sehen. Hoffentlich war sie noch zu Hanjo gegangen. Er musste sich unbedingt bei ihr entschuldigen. Sie musste einen riesigen Schrecken bekommen haben. Was war nur mit ihm los? Es würde ihn nicht wundern, wenn Sophie vom Kiten auf Fehmarn die Nase voll hatte. Sie brauchten gar keinen Mörder auf der Insel, um Touristen zu vergraulen, dachte er zynisch. Er schaffte das auch ganz leicht mit Worten. Olli zog seinen Anzug aus und sprang in seine Klamotten. »Ihr kommt klar?«, rief er fragend über den Strand. Alle nickten und schaufelten weiter Sand auf die Kites. »Wir sehen uns gleich! Ich geh vor und helfe Hanjo!«

Olli stieß die Tür auf und betrat das Bistro. Sophie saß mit Hanjo am Tresen und trank Kaffee. Der braune Labrador kam angelaufen und leckte seine Hand.

»Hallo, Olli!«, grüßte Hanjo. »Wir …«

»Wir plaudern gerade ein bisschen«, brachte Sophie den Satz zu Ende. Sie sah ihn so kühl an, dass er schlucken musste. Hanjo verkrümelte sich zum Glück in die Küche.

»Sophie, es tut mir leid!« Sie zog skeptisch die linke Augenbraue hoch. Er würde sich ins Zeug legen müssen. »Ich habe wirklich total übertrieben und ich hätte dich nicht so bescheuert anschnauzen dürfen. Aber …«

»Ja?«

»Du bist durch die Luft geflogen. Ich dachte, du brichst dir alle Knochen.«

»Willst du mir gerade erzählen, dass du in tiefster Sorge überreagiert hast?«

»Ja!«

»Du solltest mal versuchen, dein Temperament zu zügeln!«

Jetzt kam er sich vor wie ein kleiner Junge.

»Nicht, dass du vor lauter Sorge noch irgendwann handgreiflich wirst«, fuhr sie unerbittlich fort.

In diesem Moment hätte er sie wirklich gerne geschlagen. Nicht wirklich natürlich, aber verbal. Er war ihr nicht gewachsen, gestand er sich ein. »Was soll ich jetzt machen? Dir die Füße küssen, dir das Geld für den Kurs zurückzahlen? Mich in die Ecke stellen und mich für den Rest des Tages schämen?«

Sie lachte plötzlich. »Das mit der Ecke find ich nicht schlecht!«

»Frieden?«

Die Küchentür flog auf. Hanjo trug ein Tablett mit Tellern und Besteck. »Heute gibt es für alle Spaghetti Bolognese!«

Sophie nahm ihm das Tablett ab. »Ich verteil das!« Bevor sie zu den Tischen ging, sah sie noch mal über ihre Schulter. »Ach, Olli! Ja, Frieden!«

Hanjo sah ihn fragend an. »Hast du dich bei ihr entschuldigt?«

Olli sah seinen väterlichen Freund an und nickte schuldbewusst. »Hab ich! Mach dir keine Sorgen. Wir haben uns jetzt wieder lieb.« Die Bistrotür öffnete sich und die Kursteilnehmer stürmten hungrig an die Tische.

Hanjo fummelte nervös an der Tageszeitung herum. »Was ist?«, fragte Olli verwundert.

»Sie weiß das mit dir und Fenja.« Ohne ihn noch mal anzusehen, verschwand Hanjo in der Küche. Olli rührte sich nicht. Er starrte auf die Schlagzeile. Die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen. Fenja. Wieso konnte er sie einfach nicht vergessen? Sie war so bildschön gewesen. Sarah war auch hübsch und blond gewesen. Er hatte sich oft gefragt, wie Fenja wohl als erwachsene Frau ausgesehen hätte.

Sophie räumte die leeren Teller zusammen und brachte sie zu Hanjo in die Küche. »Hanjo? Wo soll ich mit dem dreckigen Geschirr hin?«

Hanjo drehte sich irritiert um. »Ach, du bist das. Ich hatte schon die Hoffnung, die neue Aushilfskraft wäre da. Stell es doch auf die Spülmaschine, Mädchen. Ist mit Olli denn alles wieder gut?«

Sophie grinste. »Alles ist wieder bestens! Wir haben uns vertragen und ich mache weiter mit dem gnadenlosen Training.«

»So schlimm? Ich dachte, die Jungs wären harmlos.«

Harmlos? Waren sie das wirklich?

»Deine Jungs sind schwer in Ordnung«, bestätigte sie. »Die Ostsee und der Wind sind meine Feinde. Aber ich bin ehrgeizig! Ich werde jetzt brav weiterüben und mir den Muskelkater von gestern wegdenken.«

Hanjo öffnete einen Schrank und nahm eine Blechdose heraus.

»Hier! Das sind die besten Kekse der Welt. Sie haben schon immer kleine Wehwehs geheilt und neue Kraft gegeben. Greif zu!«

Sophie nahm sich einen Keks und sah Hanjo ehrfürchtig an. »Vielen Dank für das magische Zauberplätzchen!«, sagte sie dann ironisch. Sie biss ab und verdrehte die Augen. »Wow! Superlecker!«

Lächelnd schloss Hanjo die Dose wieder, streichelte sie liebevoll und stellte sie zurück in den Schrank. »Es waren ihre Lieblingskekse«, flüsterte er gedankenverloren.

»Die von deiner Frau?«

»Was?« Hanjo sah sie verwirrt an.

»Hast du die Kekse selbst gebacken?«, fragte Sophie schnell im Plauderton.

Er schüttelte den Kopf und schluckte. »Nein, ich kann gerade mal ein bisschen kochen.« Seine Stimme war rau. Er räusperte sich. »Und nun beeil dich. Die anderen werden schon warten.«

Sophie stopfte sich den Rest in den Mund und stürmte aus der Küche. Sie hätte sich selbst ohrfeigen können. Hanjo verteilte diese besonderen Plätzchen bestimmt nicht im großen Stil. Sie war sich sicher, dass seine Frau sie gebacken hatte. Dass Hanjo ihr einen angeboten hatte, zeigte doch, dass er sie mochte. Was war sie doch für eine unsensible Kuh! Freya Peters war gerade mal vier Wochen tot. Kein Wunder, dass Hanjo traurig war und zwischendurch in Erinnerung versank. Und jetzt waren da auch noch die toten Mädchen. Wie sollte der arme Mann je zur Ruhe kommen? Es drehte sich doch alles nur noch um den Tod.

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