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Ein Hänfling, das Knöllchen

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Die Belegschaft änderte sich, meine Position verbesserte sich, die Verantwortung wuchs, und eines Tages hatten wir einen neuen Lehrling, das Knöllchen. Ein kleiner schmächtiger, aber drahtiger Kerl.

Als die Meute mal wieder über mich herfiel und mir androhte, mich vom Dach zu „schuggen“, outete sich Knöllchen als Sympathisant der Grünen. Ey, plötzlich waren wir zu zweit, und bevorzugt nahm ich fortan Knöllchen mit auf meine Baustellen, als ich nach und nach mehr Befugnisse und Auswahlmöglichkeiten bekam und Baustellen als Vorarbeiter führen konnte.

Den anderen war Knöllchen ohnehin zu schmächtig, nicht geschickt genug, aber bei mir war er gut aufgehoben. Nicht immer war das Leichtgewicht und die fehlende Körperkraft eine große Hilfe. Und so erlebten wir einige lustige Momente: Beim Aufrichten eines Dachstuhls inmitten der Altstadt von Pfullendorf.

Man muss sich vorstellen: Zu eng an der Stadtkirche und zu hoch oben von der Unterstadt ragt dieses Gebäude so wenig zugänglich, dass man keinen Kran hätte bestellen können. Aber mit Kreativität waren diese Probleme zu lösen. Über eine Umlenkrolle und einem gebauten Galgen zogen wir mit einem langen Seil und dem rückwärtsfahrenden LKW das Bauholz hoch. Dann wurde es abgebunden und schließlich über diese Umlenkrolle von Hand hochgezogen und eingebaut.

Ein besonders langes Holz, ein Sparren mit 10 Metern Länge, war aufwendig zu rangieren. Wir waren nur zu zweit, Knöllchen und ich.

Man stelle sich vor: Den Galgen in 5 Meter Höhe über der Balkenlage, ein 80 Zentimeter breites Gerüst und danach 5 Meter tiefer ein Dach eines mehrgeschossigen Hauses, Gesamttiefe bis unten in die Altstadt etwa 18 Meter. Ich musste den Balken ein Stück über den Abgrund schieben und bat das Knöllchen, mal kurz das Seil zu halten. Der hält brav das Seil. Doch als ich den Sparren loslasse, zieht es Knöllchen, da leichter als der Sparren, zu der Umlenkrolle hoch und der Sparren bewegt sich rasch Richtung Abgrund.

„Hartmut, schnell! Hol mich runter!“, schrie Knöllchen entsetzt. Blitzschnell hatte ich das Seil wieder im Griff und zog Knöllchen wieder runter, bevor er die Finger in die Umlenkrolle bekam. „Uff.“

Ich male jetzt mal das Horror-Szenario aus, das hätte eintreten können, wenn mein Manöver schief gelaufen wäre: Knöllchen hätte sich an der Umlenkrolle die Finger eingeklemmt, hätte vielleicht vor Schmerz losgelassen, wäre wie der Sparren abgestürzt, der dann senkrecht das untere Dach sowie vermutlich auch noch die eine oder andere Zwischendecke durchgeschlagen hätte, da auch dieser Bau gerade entkernt wurde. Böser Schaden und verletztes Knöllchen.

Als ich mich selbstständig machte, blieb Knöllchen an meiner Seite, und wir waren nahezu unzertrennlich in der Zeit der Buntspechte in Pfullendorf.

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