Читать книгу das Fahrrad der ewigen Stille - hedda fischer - Страница 20
Оглавление12 – Mutter Valentina
Schon wieder ein Jahr vorbei. Wie die Zeit verging. Gott sei dank hat sie ihren Job noch. Der war zwar anstrengend, rein körperlich, und dann noch der Schichtdienst. Aber was sollte sie als Ungelernte schon machen ? Viel Geld gab es nicht, gerade mal Mindestlohn. Reichte für die Wohnung und ein wenig drumherum. Aber große Sprünge konnte sie nicht machen. Und jetzt hat der Junge auch noch die Lehre geschmissen, der Dummkopf.
18 ist er jetzt, ohne fertige Lehre, ohne Job, einfach so. Kindergeld gab’s da nicht mehr. Sie wagte gar nicht, eine Beihilfe zu beantragen. Denn dann würde gesagt werden, dass er doch arbeiten könnte, sich bewerben müsste, und genau das würde er ganz sicher nicht tun. Da kannte sie ihn genau.
Irgendwie hat er immer Geld. Woher es kam, wollte sie lieber gar nicht wissen. Sollte sie interessieren, interessierte sie aber nicht wirklich. Sie war froh, dass er sie nicht um welches bat.
Immer nur sein Radfahren, seine Idee, Rennfahrer zu werden. Dafür trainierte er nun den halben Tag. Und was macht er sonst ? Sie wusste es nicht.
Neulich kam er nach Hause und nahm sie in die Arme. Das hatte er lange nicht getan. Sie merkte, dass er aufgeregt war. Er küsste sie sogar auf den Mund. Fuhr mit den Händen ihren Körper entlang, immer wieder. Das überraschte sie. Klar, früher als Kind hatte sie ihn berührt, wenn sie ihn gebadet hatte. Auch später noch ab und zu. Tat beiden gut, dachte sie. Aber diese Zeiten waren vorbei. Er drückte sie fest an sich. Doch sie schob ihn vorsichtig zurück, ganz sanft. Da stieß er sie von sich und ging in sein Zimmer. Sie ließ ihn in Ruhe.
Ihre Schicht, mal morgens, mal abends, je nachdem wie sie eingeteilt wurde. Inzwischen war sie eine der wenigen, die lange in der Firma arbeiteten und führte eine Gruppe, meistens Ausländerinnen. Das gab ein bisschen mehr Geld. Ansonsten stand sie sich ganz gut mit dem Chef. Um noch mehr zu erreichen, müsste sie so richtig nett zu ihm sein ( wie er sich ausdrückte ). Und genau das wollte sie nicht. Dazu war er zu eklig fett.
Klar, sie lernte schon Männer kennen. Aber sympathisch mussten sie sein, mollig konnten sie sein, so empfindlich war sie nun auch wieder nicht, aber nicht solche Fettsäcke wie der Chef. Sie wüsste gar nicht, wie sie mit dem im Bett klarkommen sollte. Unter ihm würde sie wahrscheinlich ersticken und über ihm ? Tja …
Neulich hat sie einen wirklich netten Mann kennengelernt. Er war nur auf ein Bier in die Kneipe gekommen, in die sie ab und zu auf einen Absacker ging, wenn sie ihre Arbeit beendet hatte. War schließlich anstrengend, ihr Job. Er blieb neben ihr an der Theke stehen. Sie saß auf einem Hocker und trank ihr zweites Bier – mit ’nem Kleinen dazu. Sie kamen ins Gespräch.
Meine Güte, man wechselte eben mit allen einige Worte. Ging locker zu.
Es stellte sich heraus, dass er Schreiner war und nur eine Zeitlang in Berlin arbeitete, bei einer Spezialfirma für Büromöbel. Die machten nur Möbel auf Bestellung, nach Maß. Und er war der Fachmann. Dann erzählte er ihr, dass er sich selbständig machen wolle … Nicht in Berlin, da wäre es zu teuer, Räume anzumieten. Die Werkzeuge und Maschinen hätte er, sagte er, so nach und nach gekauft, gebraucht und neu. Nein, in den Harz wollte er. Da käme er her, da könnte er auch Gehilfen finden, die er nicht so teuer bezahlen müsste. Für den Anfang. Später würde man dann ja sehen. Sagte er.
Sie hatte noch nie einen Mann getroffen, der so klare Vorstellungen hatte, der so genau wusste, was er machen und wie er das durchziehen wollte. Und er war der Typ, der das auch durchziehen konnte.
Hanno hieß er.