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Was ist diesmal schiefgelaufen?

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Tanzeslust, Sangesfreude und Feierlaune gehören zu dem Bild, das man sich im Ausland vom typischen Griechen macht, einem Griechen wie Alexis Sorbas, den der amerikanische Schauspieler Anthony Quinn einst in der Verfilmung eines Romans des großen griechischen Schriftstellers Níkos Kazantzákis spielte. Seit dieser Streifen 1964 auf die Leinwand kam und mit drei Oscars ausgezeichnet wurde, gilt seine Filmmusik mit ihrem eigens für den Film kreierten Tanz Sirtaki als Inbegriff griechischer Musik. Touristenhotels und -lokale spinnen weiter an diesem Klischee, um Urlaubslaune zu vermitteln. Auf »Griechischen Abenden« spielen sie den Sirtaki und animieren ihre Gäste zum Tanzen.

Das Fest, dessen Musikklänge Connie angelockt haben, war aber kein Touristenabend, sondern ein panijýri genanntes Kirchenfest. Die Kirche, auf deren Hof gefeiert wurde, ist Mariä Geburt geweiht. Deshalb begeht sie das Fest Mariä Geburt alljährlich am 8. September mit einem festlichen Gottesdienst, Musik und Tanz und Speis und Trank. Tags zuvor hatte bereits nach der Liturgie eine Prozession durch den Ort und zum Hafen stattgefunden.

Für das Gemeindeleben sind solche lokalen Feste oft wichtiger als die großen gesetzlichen Feiertage wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten. Sie sind Fixpunkte im Jahreszyklus und werden mit Leib und Seele gefeiert. Alt und Jung, Arm und Reich gesellt sich dabei. Fremde sind grundsätzlich willkommen, wie ja auch die beiden Frauen bei ihrem Gang durch die Reihen der Feiernden spürten, als sie gleich freundlich zum Platznehmen aufgefordert wurden. Denn ein panijyri versteht sich als Fest für alle. Vielleicht hätte sogar jemand die beiden im Laufe des Abends zum Mittanzen ermuntert. Wenn sich eine Fremde oder ein Fremder hingegen einfach selbst der Tänzerreihe anschließt, wird das in manchen Fällen als aufdringlich und störend empfunden. Am Kopfende der Reihe hat sie oder er gleich gar nichts verloren.

Bei aller Fröhlichkeit werden griechische Tänze mit Inbrunst getanzt. Oft dauert ein Fest sehr lange, und lang schon spielt die Musik, bis die ersten Festgäste die richtige Stimmung – das kéfi (siehe Infokasten »Kéfi – geballte Lebenslust«) überkommt, um zu tanzen. Die Menschen wissen um die stärkende und erhebende Kraft des gemeinsamen Reigens, der sie in Freude und in seelischem wie körperlichem Einklang verbindet. Alltag, Sorgen und so mancher Zwist innerhalb der Gemeinde sind vergessen. Während die Tänzer jeweils die gleichen Muskeln im gleichen Rhythmus bewegen, beginnen sie – so heißt es – ein und denselben Atem zu atmen und vom gleichen Geist beseelt zu sein, bis ein Gefühl des Glücks und der tiefen Harmonie erreicht ist.

Obwohl die Gemeinde ihr Kirchenfest als große Gemeinschaft begeht, bilden sich auf dem Festplatz auch Gruppen und es gibt Übereinkünfte, die für den Fremden zu schwer zu überblicken sind, um sich von selbst einmischen zu können. So geben oft Feiernde den Musikern großzügige Geldbeträge in Anerkennung ihrer Leistung oder dafür, dass sie ihnen ein für sie persönlich bedeutsames Stück spielen, auf das sie dann mit Freunden und Verwandten – und ausschließlich mit denen – tanzen. Das Privileg, einen Reigen anzuführen, kann ebenso wie das Recht zum Tragen der Ikone bei der Prozession mit einer Geld- oder Sachspende verbunden sein. Die Bräuche und Gepflogenheiten bei den Dorf- und Kirchenfesten sind mannigfaltig.

Mit dem Ruf »ópa!« ist übrigens nicht der Großvater gemeint, wie Anna sich verwundert fragte. Beim Tanzen wird er als Anfeuerung ausgestoßen, aber auch als Aufforderung aufzumerken, wenn beispielsweise Schrittfolge oder Tempo geändert werden sollen.

PATRONATSFESTE DER KIRCHEN UND KLÖSTER

Panijýri (geschrieben: Panigýri) ist die griechische Bezeichnung für das Patronatsfest, mit dem die Gemeinden die Heiligen oder Mysterien, denen ihre Kirche geweiht ist, feiern. Das Fest findet am jeweiligen Gedenktag und/oder am Vorabend statt; zuweilen kann es sich auch über mehrere Tage erstrecken. Ganz unterschiedlich von Ort zu Ort ist das Brauchtum, das sich meist über Jahrhunderte herausgebildet hat. Manche dieser Kirch(weih)feste werden mit eigens zubereiteten Speisen für ein gemeinsames Mahl der Gemeinde sowie mit Musik und Tanz gefeiert. Das kann sich bei vielen dieser Feiern fröhlich gestalten, bei anderen hingegen ernst und inbrünstig, wie beispielsweise bei den rituellen Waschungen und ekstatischen Tänzen über glühende Kohlen in Dörfern Thrakiens und Makedoniens, in denen sich ostthrakische Flüchtlinge niedergelassen haben. Einige Gemeinden veranstalten Rennen und Wettbewerbe, oft werden Jahrmarktbuden aufgestellt. Selten fehlt dabei ein Stand mit lukumádes, kleinen Teigbällchen, die in heißem Fett ausgebacken, in Honig oder Sirup getaucht und mit einer Zucker-Zimt-Mischung bestäubt werden. Immer gehören zu diesen Kirchenfesten Festgottesdienste in der mit Blumen geschmückten Kirche, häufig auch Prozessionen. Manche uralten Riten, wie das Schlachten von Opfertieren, das beispielsweise auf Lesbos und in Zentralmakedonien bis in die letzten Jahre praktiziert wurde, mussten unterbunden werden, da sie nicht mit aktuellen griechischen und EU-Gesetzen in Einklang gebracht werden können.

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