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GANZ SCHÖN DEUTSCH

VOM ZECHEN UND BLECHEN

Nísyros, 12. September

Warm schmeckt das stifádo köstlich – von der Mikrowelle weiß Connie zum Glück nichts. Welch herrlicher Abend! Sanft schlagen die Wellen ans Ufer, vor ihnen das Meer, in das gerade die Sonne versunken ist und in dem sich nun die Lichter spiegeln. Zu ihrer Linken zeichnet sich das Kloster Panajía Spilianí vom samtenen, erst goldgelb, dann rötlich und bald violett glühenden Himmel ab. Der Glockenturm des Klosters ist beleuchtet und die weißen Mauern erscheinen zartlila. Langsam wird es dunkel und langsam wird es Zeit zu gehen. Sie müssen noch duschen und die Wanderroute für den nächsten Tag durchgehen. Morgen wollen sie früh aufbrechen, um vor den Touristenschwärmen am Vulkankrater zu sein.

Connie winkt dem Kellner und ruft: »To logariasmó, parakaló!« (Die Rechnung, bitte!)

Ganz schön hoch, denkt sie beim Blick auf die Summe. Vorspeise und Hauptgericht, dazu Salat mit Schafskäse und Oliven, den Wein … Ein Liter? Okay, zusammen mit Anna. Und da steht ja auch Annas Fischsuppe mit drauf. Er hat offenbar alles zusammen aufgeschrieben. Und was ist denn das da: kuvér? Sie fragt den Kellner, der als Antwort auf den Brotkorb deutet. Brot heißt doch psomí auf Griechisch, oder? Connie hat gedacht, dass das zum Essen gehört. Bestellt haben es jedenfalls weder Anna noch sie selbst. Sie hat auch nichts davon genommen. Anna natürlich schon – Fischsuppe kann man ja auch nicht ohne Brot essen! Egal, sind ja nur zwei Euro für sie beide. Sie beginnt damit, dem Kellner aufzuzählen, welche Posten auf ihre Rechnung gehen.

»Hmm, sta Jermaniká?«, fragt er genervt.

Jermaniká – deutsch?

Was hat denn der unfreundliche Bursche jetzt schon wieder. Deutsch soll sie mit ihm reden? Bis jetzt hat er doch nur Englisch und Griechisch gesprochen. Und ich mühe mich mit meinem Griechisch ab. Na ja, kann er haben, dann also auf Deutsch. Und sie zählt alles noch einmal in ihrer Muttersprache auf. Langsam ist auch sie immer mehr genervt. Ihr bereits von der Sonne gerötetes Gesicht wird immer röter, während sie spricht. Ihre Brauen schieben tiefe Furchen auf die Mitte ihrer Stirn und ihr Mund schiebt sich zu einer Schnute nach vorn. Jetzt schlägt Anna auch noch vor, dass sie zahlt und sie sich dann im Anschluss die Rechnung teilen. Was soll das jetzt?

»Kommt gar nicht in Frage! Ich habe mehr gegessen und getrunken als du«, ereifert sich Connie. »Den Wein übernehme ich. Du hast ja nur daran genippt und ich habe richtig zugelangt. Musste diesen salzigen, zähen Krakenfuß ordentlich runterspülen. Der Kellner soll das ruhig ausrechnen. Ist doch sein Job«, beharrt Connie.

Nach einer Ewigkeit, so scheint es ihr, teilt er ihr endlich mit, dass ihr Anteil 27,50 Euro beträgt.

»Dreißig«, erwidert sie, weil sie ihm trotz aller Unbill Trinkgeld geben will. Doch er gibt ihr das Wechselgeld auf den Cent genau zurück. Connie hat keine Lust mehr auf Diskussionen. Wer nicht will, der hat schon! Und trotzdem, nachdem auch Anna gezahlt hat, lassen beide das Trinkgeld auf dem Tisch liegen.

Fast hätte Connie in ihrem Grimm ihre Kamera vergessen. Als sie schon einige Schritte gegangen sind, merkt sie es und dreht noch einmal um. Da sieht sie, wie ein kleiner Junge das liegengebliebene Wechselgeld einstecken will. Connie sprintet zum Tisch.

»Du Lausbub, lass das liegen!«

Schon ist der Kellner da und drückt ihr die Münzen in die Hand. Als sie versucht, ihm zu erklären, die seien doch für ihn, geht er nicht darauf ein, sondern bedeutet ihr ärgerlich, sie einzustecken.

Was ist diesmal schiefgelaufen?

Sta Jermaniká, hatte der Kellner zu ihnen gesagt. Das heißt »auf Deutsch« – so hat es Connie auch verstanden. Doch hatte er damit nicht sagen wollen, Connie solle deutsch mit ihm sprechen, sondern er stellte lediglich fest, die zwei Touristinnen wollten offenbar »auf Deutsch« zahlen. Das bedeutet: jeder für sich, also je eine Einzelrechnung für Connie und eine für Anna. Unter Griechen ist das absolut unüblich. Die Kellner sehen darin eine deutsche Eigenheit und nennen diese Zahlweise, die bei ihnen gar nicht beliebt ist, deshalb »auf Deutsch«. (Mehr dazu im Infokasten »Allein bist du ein armes Schwein!«)

Das Trinkgeld, das Anna und Connie geben wollten, war durchaus angemessen. War man mit dem Service nicht vollends zufrieden, so kann man es kürzen, statt die üblichen fünf bis zehn Prozent zu geben. Aber schließlich ist der Kellner ja auf alle Wünsche – vom kühleren Wein bis zum wärmeren Essen – eingegangen und hat sich ein Trinkgeld verdient.

Griechische Gäste lassen in der Regel das Trinkgeld einfach auf dem Tisch zurück, statt die Rechnung aufzurunden. Da der Kellner das so gewohnt war und er kein Deutsch verstand, hat er Connie auch den Restbetrag zurückgegeben. Der kleine Junge, der sich das Geld holte, war sein Sohn. Der Vater hatte ihm erlaubt, die Münzen zu nehmen, denn er hatte ihm an dem Abend geholfen und sollte einen kleinen Lohn dafür bekommen. Die voll mit ihrem Essen, dem Sonnenuntergang und ihrer Kamera beschäftigte Connie hatte gar nicht gemerkt, dass er es war, der die schmutzigen Teller weggeräumt und frisches Wasser gebracht hatte. So war der Vater, bei dem sich Connie ohnehin schon unbeliebt gemacht hatte und der nicht wissen konnte, dass Connie seinen flinken kleinen Helfer gar nicht gesehen hatte, erbost darüber, dass sie dem Jungen seinen Lohn nicht gönnte, sondern auch noch mit ihm schimpfte. Überhaupt ist es in Griechenland nicht so verbreitet wie in Deutschland, fremder Leute Kinder zu tadeln. Sie zu loben und zu bewundern – ja. Doch Schelte für die Kleinen kommt nicht gut an. Der Kleine ist schließlich Vaters ganzer Stolz, und er hat auch bereits seinen eigenen Stolz.

Was können Sie besser machen?

Anna lag mit ihrem Vorschlag richtig, die Gemeinschaftsrechnung zu akzeptieren und zusammen zu zahlen. Wenn man will, kann man anschließend unter sich ausmachen, was jeder davon auf seine Kappe nimmt.

Zweitbeste Lösung: Gleich bei der Bestellung darauf hinweisen, dass man getrennt zahlen will. Wird zwar gar nicht gern gesehen, aber Touristen haben nun mal ihre Gewohnheiten und Marotten. Sollen sie damit selig werden! Bloß sollen sie es dann auch gleich zu Anfang sagen. Am Ende alles auseinanderzuklamüsern macht der Bedienung Probleme.

Hat der Kellner einen Helfer, so gebührt auch diesem ein kleines Trinkgeld, vor allem wenn es ein Kind ist, das sonst keinerlei Entlohnung für seine Arbeit bekommt (mehr dazu im Infokasten unten). Generell sollte man sich zurückhalten, anderer Leute Kinder zu schimpfen.

PFIFFIGE KLEINE HELFER – KINDER- UND JUGENDARBEIT

Mikró (Kleiner) ruft man die oft sehr jungen Servierhilfen, die in griechischen Tavernen Tische decken und abräumen und den Kellnern zur Hand gehen. Meist handelt es sich dabei um Kinder oder Verwandte des Wirts oder seiner Freunde. Sie freuen sich über ein kleines Trinkgeld. Denn oft ist das ihr einziger Lohn für ihre Arbeit im Lokal. Obwohl unter 16-Jährige dem Gesetz nach keiner Arbeit nachgehen dürfen, ist Mithilfe im elterlichen Betrieb in Griechenland weit verbreitet. Das gilt vor allem auch für die Landwirtschaft. Wenig verbreitet hingegen ist der Brauch, die eigenen Kinder für ihre Mitarbeit zu entlohnen. Solche Hilfe wird meist als selbstverständlich angesehen.

Wesentlich seltener als bei uns suchen sich Schüler und Studenten Teilzeit- oder Ferienjobs. Es bleibt ihnen kaum Zeit dazu. Die meisten Schüler besuchen außer der Schule Nachhilfestudios und sind zudem stark in den Familien- und Freundeskreis eingebunden, was eine Menge Verpflichtungen und gemeinsame Unternehmungen mit sich bringt. Außerdem werden sie von Familie, Paten und Verwandten oft so gut umsorgt und versorgt, dass sie nicht so stark die Notwendigkeit zum Geldverdienen spüren.

Fettnäpfchenführer Griechenland

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