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JA ODER NEIN?

VON VERBALER UND NONVERBALER KOMMUNIKATION

Kos, 10. September

Das Hotel in der Hauptstadt ist ruhiger und hat die beiden Frauen heute Morgen mit einem reichhaltigen Frühstücksbuffet und einem schönen Blick über den Mandráki-Hafen verwöhnt. Hier ankern Jachten, Fischer- und jede Menge Ausflugsboote. Gestern haben sie noch die antiken Ausgrabungsstätten der Stadt und das archäologische Museum besucht und sind durch die engen, von Souvenirläden gesäumten Gassen der Altstadt gebummelt. Heute Vormittag stand das antike Asklepíon auf ihrem Programm, etwa drei Kilometer außerhalb der Stadt. Der Ausflug zu den Wurzeln der Medizin und ihrer durch den um 460 v. Chr. auf Kos geborenen Hippokrates begründeten Ethik war natürlich ein Muss für die beiden Krankenschwestern und bisheriges Highlight ihrer Reise, wie Anna fand: ein magischer Ort, diese mehr als 2.000 Jahre alte, gigantische Heilund Kultstätte in faszinierender Hanglage, umgeben von dunkelgrünen Zypressen!

Nun schlendern Anna und Connie durch die alten Mauern des Johanniter-Kastells, lauschen den Geschichten, die sie ihnen zuflüstern, studieren Wappen und Säulenschäfte und lassen den Blick zur Küste hinab und aufs Meer hinaus gleiten. Die Fähren, deren Schornsteine sie durch die Burgzinnen und -mauern erspähen, locken. Sie wollen von Insel zu Insel hüpfen und ihre Füße auf Boden setzen, auf den noch nicht so viele Touristenfüße wie hier getreten sind. Zuerst soll eine richtige Vulkaninsel dran sein: Nísyros. Da Nísyros viel kleiner als Kos ist, wird es dort sicher nicht so viele Einkaufsmöglichkeiten geben, überlegen die Frauen. Sie sollten lieber hier auf Kos noch einige Besorgungen machen.

Sie spazieren hinab zum belebten Mandráki-Hafen. Dort trennen sich ihre Wege für eineinhalb Stunden, um vier wollen sie sich am Elefthería-Platz vor der städtischen Markthalle wiedertreffen. Connie braucht einige Kosmetika und würde sich gern noch einen Bikini kaufen. Anna will nur etwas zum Lesen und einen kleinen Sprachführer besorgen, was flotter geht. Darum wird sie sich auch um die Fährtickets kümmern.

Kurz nach halb drei betritt Anna das Fährbüro, in dem sie ein junger, dunkelblond gelockter Angestellter erwartet. Mit seiner markanten Nase, der fliehenden Stirn, den starken Brauenbogen und den sanft geschwungenen Lippen über einem kräftigen Kinn erinnert er Anna an das Profil des antiken Feldherrn Alexander des Großen auf alten Münzen. Im Geiste tauft sie ihn Alexander. Er sieht sie freundlich an, erwidert ihr »Kaliméra« mit einem »méra«, das wie ein vom Sturm verwehtes Echo klingt, zumal gerade irgendwo ein Ventilator anspringt, und hört sich ihr Anliegen an. Da in Touristenzentren wie Kos die Angestellten der Reiseunternehmen bestimmt Fremdsprachen sprechen und die Insel vor allem ein Domizil der Engländer ist, trägt Anna ihre Wünsche auf Englisch vor. Keine Antwort. Stattdessen senken sich die alexandrinische Stirn und Nase. Die Tastatur auf dem hinter dem Schalter verborgenen Schreibtisch beginnt zu klappern. Stirnrunzeln – wieder Tastenklappern – schließlich das Kratzen eines Bleistifts auf Papier.

Endlich wendet sich der junge Mann der Auskunftsuchenden zu. Er zeigt ihr seine Notizen und erklärt, dass heute und auch übermorgen, am Mittwoch, jeweils um 15.50 Uhr ein Katamaran der Gesellschaft Dodekanisos Seaways gen Nísyros ablege. Hach, das kann nicht klappen heute. Sie trifft Connie ja erst wieder um vier! Und selbst wenn man sich früher träfe, bis sie ihr Gepäck eingesammelt und die Hotelrechnung bezahlt hätten – das ist utopisch. Und in eine Hetze soll der Urlaub ja auch nicht ausarten.

Also fragt Anna: »And tomorrow?« (Und morgen?)

Wieder keine Antwort, zumindest keine in Worten. Stattdessen wirft Alexander den Kopf in den Nacken, zieht seine kräftigen Augenbrauen hoch und dreht die braunen Augen himmelwärts.

»Tomorrow, Tuesday?« (Morgen, Dienstag?), wiederholt Anna, während sie in dem gerade erstandenen Sprachführer blättert. »Ávrio, tin Tríti?« (Morgen, am Dienstag?), liest sie schließlich die gleiche Frage auf Griechisch ab.

Noch einmal dieselbe Geste ihres Gegenübers, diesmal sogar zweimal kurz hintereinander und von einem Zungenschnalzen begleitet. Das sieht nach einem Nicken aus. Also geht es doch morgen, oder? Was denn nun?

Doch es folgen die Worte: »Tríti óchi« (Dienstag nicht). »Only Monday, Wednesday, Thursday, Saturday and Sunday«.

Na gut. Dann müssen sie wohl noch einen Tag länger bleiben, zwei Nächte sogar. Da wird Connie sicherlich nicht sehr erbaut drüber sein. Aber was soll man machen.

Verunsichert, wie viel Englisch der wortkarge Alexander tatsächlich spricht, und bemüht, ihren neuen Sprachführer zu erproben, liest Anna mühsam die Frage ab, ob er ihr die Fahrkarten ausstellen könne. Darauf senken sich Alexanders Augenlider und sein Kopf neigt sich zur Seite, während er »ne« sagt.

Na toll, denkt Anna, und wofür gibt es dann dieses Büro hier? Also, wo gibt es denn dann die Tickets?

»Where?«, fragt sie.

»At the port.« Alexander markiert mit seinem Bleistift auf einem kleinen Stadtplan die Anlegestelle am Hafen.

Da ihr der schöne Hellene schon so der Sache überdrüssig erscheint, lässt sie es damit bewenden und verabschiedet sich. Dann wird sie eben später mit Connie zum Fährhafen gehen, um dort die Tickets zu besorgen. Wozu der bloß da sitzt? Gut sieht er ja aus. Aber auszukennen scheint er sich nicht und höflich ist er auch nicht gerade.

Was ist diesmal schiefgelaufen?

Ja oder nein – das war hier die Frage. Leider entstehen gerade in diesem grundlegenden Punkt die meisten Missverständnisse. Denn die gebräuchlichsten griechischen Bejahungs- und Verneinungsworte und -gesten bedeuten genau das Gegenteil dessen, was die meisten Ausländer dahinter vermuten. Erstmals mit griechischer Sprache und Gestik konfrontiert neigt man leicht dazu, eine Bejahung für eine Verneinung zu halten und umgekehrt. Denn das griechische Wort für »ja« heißt ne, also fast so, wie viele Deutschsprachige umgangssprachlich Nein sagen. »Nein« oder »nicht« heißt hingegen óchi.

Das größte Missverständnis lauerte also am Ende des Gesprächs. Als der Fährbüromitarbeiter ihre auf Griechisch gestellte Frage, ob er ihr Fahrkarten verkaufen könne, mit ne und der entsprechenden Geste bejahte, verstand Anna fälschlicherweise »nein« und wollte deshalb wissen, wo sie denn dann das Ticket herbekäme. Da der Angestellte ja nicht ahnen konnte, dass sie seine Antwort missverstanden hatte, bezog er die knappe Frage »Wo?« auf die Abfahrtstelle der Fähre und gab ihr die entsprechende Auskunft.

Gern drückt man Zustimmung und vor allem Verneinung oder Ablehnung auch wortlos aus. Und bei der entsprechenden Körpersprache lauerte das nächste Missverständnis. So hat Anna das körpersprachliche Nein auf ihre Frage, ob am nächsten Tag eine Fähre gehe, nicht verstanden (mehr zu den Ja-Nein-Gesten im Infokasten unten). Die erste verneinende Geste schien ihr einfach nur rätselhaft, die zweimalige Wiederholung derselben dann wie ein Nicken, also eine Bejahung.

Zusätzlich hat es Anna gleich zu Anfang befremdet, dass der junge Mann auf ihre eingangs gestellte Frage nach den Fährverbindungen nicht mit einer höflichen Wendung wie »Einen Moment« oder »Ich sehe gleich nach« geantwortet hat, sondern sie einfach stehen ließ, während er sich stumm seinem Computer zuwandte, der ihm die Verbindungen und Fahrpläne anzeigte. Schließlich hielt Anna den Angestellten für unhöflich. Und tatsächlich sind in Griechenland weniger Höflichkeitsfloskeln im Gebrauch.

JA UND NEIN

Verbal

Ja ne (kurz)
Nein óchi (mit einem hellen »ch« wie in »nicht«)

Nonverbal

Zustimmung / Bejahung: wird nicht wie bei uns durch ausgeprägtes Nicken, sondern vorwiegend durch kurzes Schließen der Augenlider ausgedrückt. Oft wird es begleitet von einer Neigung des Kopfes, meist nach vorn, manchmal aber auch seitlich. Vor allem Männer klopfen ihrem Gegenüber als Ausdruck der Zustimmung auch gern auf die Schulter.

Ablehnung / Verneinung: wird durch Anheben des Kinns ausgedrückt. Da sich das Kinn früher oder später wieder senkt und die Geste zuweilen wiederholt wird, wird sie leicht als Nicken interpretiert, was für die meisten Nichthellenen Zustimmung bedeutet. Auch hochgezogene Augenbrauen, weit aufgerissene Augen und ein Schnalzen mit der Zunge oder ein »ts«-Laut bedeuten óchi – »nein«. Je nach Temperament und hineingelegtem Nachdruck werden diese Gesten oft miteinander kombiniert, das Kinn nicht nur leicht angehoben, sondern der Kopf weit zurück in den Nacken geworfen.

Tipp zur Unterscheidung der beiden Gesten: Geht der Kopf zuerst nach unten (oder zur Seite), heißt es »Ja«. Geht der Kopf zuerst nach oben, heißt es »Nein«.

Was können Sie besser machen?

Die zur Bejahung und Verneinung gebrauchten Wörter und Gesten sollte man sich unbedingt aneignen, auch wenn man sich nicht ausführlicher mit der Sprache beschäftigen will. So umgeht man schon einmal diverse Fettnäpfe. Nützlich und interessant ist es allemal, ein wenig die griechische Körpersprache zu beobachten, um sie allmählich zu verstehen. Man sollte stets damit rechnen, dass sie eine gänzlich andere als die vermutete Bedeutung hat. (Eine Übersicht über die Gesten finden Sie im Anhang dieses Buchs unter »Griechische Körpersprache«)

Lassen Sie sich von Sprachschwierigkeiten und unverstandenen Gesten nicht einschüchtern! Hätte Anna nicht so schnell aufgegeben, so hätte sie sicher die gewünschten Fahrkarten erhalten. Viele Griechen sprechen Englisch, das gilt insbesondere für jene, die in der Tourismusbranche arbeiten. Außerdem sind Griechen – das lässt sich durchaus pauschalieren – sehr hilfsbereit und suchen und finden fast immer einen Weg, um mit Fremden zu kommunizieren, wohingegen antrainierte, dem Kunden entgegenlächelnde Dienstleister-Zuvorkommenheit weniger verbreitet ist.

Erwarten Sie also weniger Höflichkeitsfloskeln als in Deutschland (oder gar in England). Äußert man in einem Büro oder Geschäft einen Wunsch, so bekommt man im Optimalfall ein améssos (sofort) oder se misó leptó (in einer halben Minute) zur Antwort. Floskeln wie »gern« oder »Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie behilflich sein?« sind rar. Auch mit dem Bitteschön und Dankeschön haben es die Griechen nicht so wie beispielsweise die Deutschen oder gar die dafür berüchtigten Österreicher. Es ist klar, dass man gern hilft und gern gibt. Deshalb muss ein Gefallen nicht unbedingt höflich erbeten werden. Im Gegenzug nimmt man auch gern mal etwas an, ohne sich groß dafür zu bedanken.

Fettnäpfchenführer Griechenland

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