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EIN KAFFEE AUF KOS
VON GRIECHISCHER KAFFEEKULTUR UND GESCHICHTE
Kardámena (Kos), 9. September
»Gut, dass wir nur zwei Nächte reserviert haben«, sagt Connie zu Anna, als sie beim Frühstück im Hotel sitzen. Sie will weg von hier. Von dem gestrigen Tag bleibt ihr ein schales Gefühl. »Die Zimmer sind hellhörig. Bist du heute Nacht nicht wach geworden, als die Engländer heimkamen? Mein Gott haben die gepoltert und krakeelt. Zu viel Trubel hier. Lass uns den Bus in die Hauptstadt nehmen.«
»Ich hab nichts gehört«, sagt Anna und piekt eine Olive auf ihre Gabel. »Aber lass uns gerne fahren. Ich bin schon gespannt auf Kos Stadt und auf die antike Ausgrabungsstätte, dieses Asklepíon.«
Also fragen sie an der Rezeption nach dem Fahrplan des Regionalbusses, rufen das Hotel in Kos an, das ihnen Connies Schwester empfohlen hat, zahlen die Hotelrechnung und gehen mit ihren Koffertrolleys und Rucksäcken zur Bushaltestelle. Sie sind früh dran, und der schwache Kaffee, den es am Frühstücksbüffet im Hotel gab, hat Connies heute so träge Lebensgeister nicht so recht zu wecken vermocht. Sie schlägt vor, noch kurz in einem Café Halt zu machen. Sie hat so richtig Lust auf einen Mokka, einen starken türkischen Kaffee, wie ihre Mutter ihn immer genannt hat.
»Einen türkischen Kaffee, bitte«, bestellt sie.
Eine verächtliche Miene, ein lautes Zungenschnalzen und Augen, die sich zum strahlendblauen Himmel verdrehen, sind die Antwort des grau gelockten Kellners. Seine buschigen Augenbrauen schnellen ebenfalls in die Höhe. Gerade noch hat er ihnen freundlich lächelnd geholfen, ihr Gepäck die kleine Stufe hochzuhieven, und sie auf Deutsch gefragt, wohin sie unterwegs seien.
»Haben Sie keinen türkischen Kaffee?«, wundert sich Connie. Den trinken die Griechen doch immer, oder?
Als Erwiderung bekommt sie einen tiefen Seufzer zu hören, bei dem sich die beiden dicht behaarten, kräftigen Arme ihres Gesprächspartners samt geöffneter Handflächen ein Stück himmelwärts heben, bevor er schließlich antwortet: »Einen griechischen Kaffee können Sie haben. Haben Sie noch nicht gemerkt, dass wir hier in Griechenland sind?«
»Das ist doch das Gleiche, oder? So eine kleine Tasse mit viel Kaffeesatz und wenig süßem, starkem Kaffee!«
»Sind Sie das erste Mal in Griechenland?«
»Nein, aber auf Kos war ich noch nie. Ich kenne Athen, Thessaloniki, Kreta, Rhodos, Naxos – viele Inseln.«
»Und dort bestellen Sie immer einen türkischen Kaffee?«
»Hm, türkischen, griechischen. Ist doch egal. Sie wissen schon, was ich meine, oder? Und süß bitte – glykó.« Connie rutscht auf ihrem Stuhl hin und her und zupft an ihren Locken. Muss das denn alles so kompliziert sein?
Statt einer Antwort heben sich die weiß behaarten Arme zwei weitere Male, bevor sich der Mann wortlos von ihr ab- und Anna zuwendet.
»Ist das ein Kaffeeshake?«, fragt Anna und deutet auf die von dickem Schaum gekrönte kaffeebraune Flüssigkeit in einem hohen Glas mit Strohhalm auf dem kleinen Tisch neben der Tür.
»Du willst wohl einen Nescafé frappé?«, sagt Connie, bevor der mittlerweile genervte Kellner antworten kann. Anna nickt und wird vor die Entscheidung gestellt, ob mit oder ohne Milch und mit wie viel Zucker.
Als sie eine halbe Stunde später im Bus gen Hauptstadt sitzen, resümiert Connie: »Die sind anscheinend etwas fremdenfeindlich hier auf Kos. Ich hab die Griechen freundlicher in Erinnerung. Was für ein Theater!«
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Nein, fremdenfeindlich sind die Griechen und auch die Bewohner von Kos nicht, ganz im Gegenteil. Ihre Gastfreundschaft ist sprichwörtlich.
Heute ging es vor allem um das Kaffeetässchen, ein Fettnäpfchen, das kräftig platscht und spritzt, tritt man hinein. Denn als türkischen Kaffee mag der Hellene seinen griechischen Kaffee nun wirklich nicht bezeichnet hören. Das liegt nicht daran, dass Zutaten und Zubereitung anders wären als in der Türkei, sondern daran, dass Griechenland unter einer türkischen Fremdherrschaft zu leiden hatte, die 1453 mit dem Fall Konstantinopels einsetzte und in den meisten Gegenden fast 400 Jahre bis ins 19. Jahrhundert hinein andauerte. Die Aufstände gegen die Türken 1821 – 29 brachten noch heute gefeierte griechische Helden hervor und bescherten dem Land die Freiheit und einen Nationalfeiertag am 25. März, dem Tag des Beginns der griechischen Revolution. Auch seither blieben Spannungen mit der Türkei nicht aus, seien es der griechisch-türkische Krieg 1912 – 22 und die riesige Zwangsmigration in seiner Folge, der Zypernkonflikt oder die türkischen Militärflugzeuge in griechischem Luftraum.
All dies hindert die Griechen nicht daran, um friedliche bis hin zu freundschaftlichen Beziehungen bemüht zu sein und einen Kulturaustausch zu pflegen. Doch lang genug war die eigene Kultur von der osmanischen dominiert – und wo so wichtige Herzstücke der eigenen Lebensart wie der geliebte Mokka, das griechische Lebenselixier, als türkisch bezeichnet werden, da hört die Freundschaft auf. (Mehr zur neueren griechischen Geschichte erfahren Sie im Infokasten »Freiheit oder Tod – der steinige Weg zu einem freien, demokratischen Staat«)
Was können Sie besser machen?
Das Wort »türkisch« möglichst wenig in den Mund nehmen und auf gar keinen Fall in einem Atemzug mit Kaffee! Wenn es denn schon mal in diesem Zusammenhang rausgerutscht ist, hilft nur noch, sich auf die Zunge zu beißen, das servierte Getränk in den höchsten Tönen zu loben, vielleicht noch zu betonen, wie gut es einem in Griechenland und gerade an diesem Ort und in diesem Lokal gefällt, und auf Vergebung hoffen.
NICHT OHNE MEINEN KAFFEE
Kaffee ist für die Griechen ein Stück Lebensart. Mit ihm beginnt der Tag, zu ihm lädt man sich gegenseitig ein, weder in der Freizeit noch bei der Arbeit möchte man ihn missen. Wer seinen Arbeitsplatz nicht verlassen kann, lässt ihn sich bringen. Man sieht Kellner mit speziellen, an einer Aufhängung schwingenden runden Tabletts über die Straße laufen, um die Büros und Geschäfte mit dem lebenswichtigen Gebräu zu versorgen.
Mokka – der Klassiker
Bestellt man einen griechischen Kaffee, so bekommt man das, was die Deutschen Mokka und manche unter ihnen »türkischen Kaffee« nennen, während Österreicher und insbesondere Wiener ihren Mokka anders zubereiten. Für den griechischen Mokka wird stark gerösteter, fein gemahlener Kaffee zusammen mit Zucker und Wasser in einem sich nach oben zunächst verengenden und schließlich zu einem breiten Rand wieder weitenden Kännchen gekocht. Bríki heißt dieses Kaffeetöpfchen mit dem langen Stiel, das es in verschiedenen Größen für eine bis sechs Portionen gibt. Denn die richtige Größe und Form entscheidet über die Qualität des Schaums, der das heiße Getränk krönt. Mindestens ein gehäufter Kaffeelöffel Kaffeepulver pro Tässchen und Zucker nach Belieben werden verwendet. Es bedarf voller Konzentration, die cremige Schaumkrone hinzubekommen, ohne dass der Kaffee überkocht. Dreimal lässt man ihn dafür aufwallen, während sich sein Duft verbreitet. Nach jedem brodelnden Aufsteigen des Gebräus nimmt man das Kännchen rasch vom Herd, ehe sich die schäumende dicke Brühe über den Rand ergießt. Anschließend gießt man das Getränk mit dem Kaffeesatz in winzige Tassen und serviert es zusammen mit einem Glas Wasser.
Da der Zucker mitgekocht wird, muss man bei der Bestellung bereits angeben, ob man den Kaffee ohne Zucker (skéto), mit mäßig Zucker (métrio) oder reichlich Zucker (glykó) will. Der Kaffee wird in der Tasse nicht umgerührt, der Kaffeesatz soll sich setzen.
Der einzige wesentliche Unterschied zum türkischen und arabischen Mokka ist, dass der griechische Kaffee stets ungewürzt getrunken wird, während türkischem Mokka oft Rosenwasser und arabischem Kardamom beigemischt wird.
Frappé – der erfrischende Kaffeelongdrink
Genauso beliebt wie der Mokka ist dieses kühle Getränk. Dabei handelt es sich um einen kalt aufgeschäumten Instantkaffee, der in hohen Gläsern mit einem Strohhalm serviert wird. Meist schwimmen darin Eiswürfel, sodass Ausländer ihn oft griechischen Eiskaffee nennen. Wie beim Mokka muss man bei der Bestellung angeben, wie süß man ihn möchte, und zusätzlich, ob mit oder ohne Milch. Bars und gut ausgestattete Cafés bereiten ihn mit einem Mixer zu, sodass eine feine, dicke Schaumschicht entsteht.
So gut wie jeder Kiosk, Mini- und Supermarkt sowie fast jeder Bäcker hat kleine Plastiktüten im Angebot, die einen Einweg-Schüttelbecher und je eine Portionspackung Kaffee und Zucker und manchmal zusätzlich Milch(pulver) enthalten. Daraus lässt sich – zusammen mit stillem Mineralwasser – jederzeit und überall Kaffeedurst auf kühle Art stillen.