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18. Klara

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»Was ist denn mit ihm?«, flüstere ich und deute mit dem Kopf in Alfredos Richtung.

»Ehrlich gesagt weiß ich das nicht. Ich versuche schon seit Tagen, hinter sein komisches Verhalten zu kommen.«

»Hm.«

»Ich hoffe, Sie kommen mit ihm klar.«

Das hoffe ich auch! Natürlich spreche ich das nicht laut aus. Stattdessen bete ich, Alfredo läuft mir nicht weg, so wie er es am Strand gemacht hat. Bevor das passiert, nehme ich es lieber in Kauf, wenn er mich ignoriert.

»Meinen Sie, Sie schaffen das, Klara?«

»Ich denke schon.«

»Gut, ich muss mich jetzt schleunigst umziehen. Sie haben bei mir etwas gut.« Miguel verschwindet aus dem Wohnzimmer.

Ich gehe nach draußen und wende mich Carlotta zu, die auf der Terrasse am Tisch sitzt und ihrer Lieblingsbeschäftigung dem Malen nachgeht. »Na, was malst du Schönes?«

»Das bin ich, das ist Alfi, das hier ist Papa und rate mal, wer das ist!«, während sie redet, zeigt sie auf die einzelnen Figuren.

»Keine Ahnung, wer ist das denn?«

»Rate?«

»Hm, deine Tante.«

»Nein«, kreischt sie vor Freude. »Rate noch mal!«

»Hm, ich weiß nicht. Die Paula?«

»Neiiiin«, ruft sie mit schriller Stimme.

»Wer denn dann? Kannst du mir das nicht verraten?«

Einen Augenblick lang schaut sie mich überlegend an. Ich rechne schon mit einer Abfuhr und der Aufforderung, erneut raten zu müssen, doch dann überrascht sie mich. »Das bist du-huu. Das muss man doch erkennen! Guck, das sind deine blonden Haare, hier sind deine blauen Augen und das ist das rote Kleid, was du anhast. Siehst du das nicht?«, erklärt sie mir altklug und zeigt dabei auf die einzelnen Stellen. Das ist so süß.

Es fällt mir schwer, nicht laut loszulachen.

Ich nicke und versuche ernst zu schauen. »Ja, stimmt. Jetzt sehe ich das auch«, sage ich. Bevor ich in schallendes Gelächter ausbreche, beiße ich mir auf die Unterlippe.

Carlotta nickt zufrieden und malt noch eine Sonne auf das Bild.

Ich überlege, ob ich zu Alfredo gehen und wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll. Mir wird ein bisschen flau in der Magengegend, wenn ich an die nächsten Stunden denke. Auf die Zeit mit Carlotta freue ich mich, doch was mit ihrem Bruder auf mich zukommt, ist noch ungewiss.

»So, ich fahre los!«, holt mich Miguel in die Realität zurück und lässt mich zusammenzucken. Entweder hat er sich angeschlichen oder ich war mit meinen Gedanken in weiter Ferne, wie ich es oft bin, wenn ich mich beim Schreiben ganz auf die Geschichte einlasse. Dann vergesse ich alles um mich herum.

Ich starre ihn an. Er sieht in dem Anzug verdammt heiß aus.

Klara, reiß dich zusammen!, ermahne ich mich.

Miguel verabschiedet sich erst von Carlotta, dann geht er zu Alfredo. Er sagt etwas zu ihm, das ich nicht verstehen kann, wahrscheinlich, dass er lieb sein soll.

Als er fertig ist, kommt er zu mir und bleibt vor mir stehen. »Wenn irgendetwas ist, rufen Sie mich bitte an, Klara. Es wäre schön, wenn Sie den Kindern noch etwas zu essen machen könnten. Spätestens um acht Uhr sollten sie im Bett liegen.«

»Okay«, antworte ich und zwinge mich zu einem Lächeln.

Miguel geht und lässt mich mit seinen Kindern zurück. Nach einem Blick auf die Uhr frage ich: »Habt ihr schon Hunger?«

»Nein«, antwortet Carlotta wie aus der Pistole geschossen.

Alfredo zuckt wie immer mit den Schultern.

Ich nehme meinen Mut zusammen und gehe zu dem Jungen. Er sitzt auf einem großen Felsbrocken und starrt auf den Boden.

»Na, du.«

Er reagiert nicht.

»Alfredo, was ist denn los?«

Er schaut mich an, öffnet den Mund, als ob er etwas sagen will. Doch einem Sekundenbruchteil später schließt er ihn und läuft ins Haus.

»Na das kann ja heiter werden«, flüstere ich und gehe zurück zu seiner Schwester. »Sag mal, Carlotta?«

»Ja.«

»Weißt du, was mit deinem Bruder los ist?«

»Klar«, antwortet sie und nickt dabei.

»Und verrätst du es mir auch.«

Carlotta schaut sich um, wie eine Geheimagentin. »Aber nur, wenn du es keinem weitersagst.«

»Okay.«

»Auch nicht Papa. Du musst schwören!«

Ich überlege, ob ich solch einen Schwur einhalten kann.

Falls es etwas Schlimmes ist, kann ich es doch unmöglich für mich behalten, oder?

Einen Augenblick denke ich darüber nach, das Carlotta zu sagen, bezweifle aber, dass sie es verstehen würde. »Also gut, ich schwöre, niemandem etwas zu verraten. Was ist denn mit Alfredo?«

Bevor sie etwas sagt, schaut sie sich erneut um und winkt mich näher zu sich heran. Ich komme ihrer Aufforderung nach. Sie formt ihre Hände zu einem Trichter und hält sie mir ans Ohr. »Alfi vermisst die Mama«, flüstert sie.

Muss man deshalb so unfreundlich sein?, frage ich mich in Gedanken, behalte es jedoch für mich.

»Ich will für den Papa eine neue Frau finden, wir brauchen ja auch eine neue Mama. Aber Alfi findet die Idee doof. Der Blödmann denkt, die Frau läuft dann wieder weg.«

»Aha«, antworte ich. Zu mehr bin ich nicht in der Lage.

Carlotta redet mit mir, als wäre sie erwachsen. Obwohl ihr Plan ihrem Alter angemessen ist. »Aber stimmt`s, eine gute Mama läuft nicht weg?«

Völlig perplex nicke ich, weil ich nicht weiß, wie ich sonst reagieren soll.

Ich brauche einen Moment, um mich zu fangen.

Plötzlich kann ich den Jungen verstehen und nachvollziehen, warum er sich mir und vielleicht auch anderen Frauen gegenüber so komisch verhält. Er hat einfach Sorge, sich auf einen Menschen einzulassen, um anschließend verlassen zu werden. Ich frage mich, woher diese Angst kommt. Immerhin ist die Mutter der beiden nicht freiwillig gegangen, wenn es stimmt, was Paula gesagt hat.

Carlotta schaut mich ernst an. »Hast du einen Mann?«

Aha, daher weht der Wind.

Still lächle ich in mich hinein. »Nicht mehr.«

»Wo ist denn dein Mann?«

»Im Himmel«, antworte ich traurig und deute nach oben.

»Wie unsere Mama, die ist auch da oben.«

»Hm.«

»Glaubst du dein Mann und meine Mama kennen sich?«

»Bestimmt. Sie schauen sicher zusammen auf uns runter.«

»Wirklich?«

»Bestimmt.«

»Vielleicht haben sie sich auch ineinander verliebt«, sagt Carlotta nach einer Weile und quietscht laut.

Bei dem Gedanken, Fred könnte sich in eine andere Frau verlieben, spüre ich einen Stich im Herzen. Natürlich ist es Blödsinn, dass er sich dort, wo er jetzt ist, neu verliebt, zumindest hoffe ich das. Niemand hier unten weiß wirklich, was nach dem Tod mit uns geschieht. Die Körper verwesen zwar, aber wohin die Seelen reisen, ist ungewiss.

»Klara?«

»Ja.«

»Willst du nicht unsere neue Mama sein?«

»Was?«, kreische ich, viel lauter, als ich wollte.

Carlotta schaut mich erschrocken an.

»Es tut mir leid!«, sage ich. »Ihr habt doch schon eine Mama, die niemand ersetzen kann.«

»Warum ist sie weg?«

»Wenn ich das wüsste. Einen Menschen kann man aber nicht einfach so austauschen.«

»Das ist so gemein!«, schluchzt sie. »Alle haben eine Mama. Warum ist unsere im Himmel?«

Auf einmal verhält sie sich nicht mehr wie eine Erwachsene. Sie wirkt zerbrechlich. Ich nehme sie in die Arme und wiege sie hin und her.

»Das stimmt. Das Leben kann sehr ungerecht sein«, flüstere ich und drücke Carlotta fest an mich.

Glück auf Spanisch

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