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3. Klara

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»Also sind wir uns einig?«, hake ich nach.

»Ja, natürlich. Ab wann bist du weg?«

»Ähm, keine Ahnung. Ich hoffe, es klappt überhaupt. Ich habe noch nicht zugesagt, weil ich dich erst fragen wollte, ob du dich hier um alles kümmern kannst. Ich freu mich ja so«, quietsche ich. Ein Dauergrinsen macht sich in meinem Gesicht breit.

Judith schaut mich ernst an.

»Ich meine, es ist natürlich blöd, dass sie dir gerade die Wohnung gekündigt haben, aber es scheint das perfekte Timing zu sein. Wann musst du raus?«

»Die Kündigung kam vor vier Wochen. In zwei Monaten muss ich draußen sein.«

»Okay, bis dahin sollte ich auch weg sein.«

»Hm, du weißt aber noch nicht, wie lange du bleibst, oder? Also werde ich mir etwas Neues suchen müssen«, stellt Judith fest.

»Ja, wie gesagt, du musst nicht einziehen. Falls du aber so schnell keine Wohnung findest, kannst du in meinem Haus wohnen. Du kannst so lange bleiben, wie du möchtest. Wenn ich in Spanien bin, steht es sowieso nur leer. In der Zeit kannst du richtig viel Geld einsparen.«

»Und wenn du wieder da bist?«

»Das sehen wir dann, okay?«

»Ja.« Judith nickt mir zu. Sie sieht nachdenklich aus.

»Ist alles in Ordnung?«, frage ich.

»Ja. Morgen ist Daniels Todestag. Dieser Tag macht mir immer noch so zu schaffen. Na ja, du weißt ja selber, wie das ist.«

Dieses Mal bin ich diejenige, die nur nickt. Ich weiß genau, wie sich der Todestag eines geliebten Menschen anfühlt. Bei mir ist es auch bald wieder so weit. An diesen Tagen ist der Tod von meinem Mann Fred so präsent, als wäre es erst gestern gewesen. Ich stand gerade in der Küche und habe Gemüsesuppe gekocht, als der Anruf kam. Am anderen Ende der Leitung war ein Polizist, der mir mitteilte, dass Fred einen Unfall hatte und im Krankenhaus liegt. Wie schlimm es um ihn gestanden hatte, war mir zu diesem Zeitpunkt unklar.

Ich ließ alles stehen und liegen und eilte zu ihm, nur um vom behandelnden Arzt zu erfahren, wie schlecht es aussah. Mein Mann lag im Koma. Ich saß die ganze Nacht an seinem Bett, bis es in den Morgenstunden passierte. Ich musste mit ansehen, wie Fred vor meinen Augen starb. Die Wiederbelebungsversuche scheiterten.

Mir laufen die Tränen an den Wangen hinunter, so wie es immer ist, wenn ich daran denke. So gern würde ich den Tag aus dem Kalender streichen, damit ich nicht jedes Jahr an diese schlimme Zeit erinnert werde. Viel lieber beschäftige ich mich mit den schönen Erinnerungen an Fred, mit unserer Hochzeit, den entspannten Urlauben und mit all den anderen glücklichen Momenten, die wir miteinander teilen durften.

»Na ja«, holt mich Judith ins Hier und Jetzt zurück. »Ich freue mich für dich, wenn es mit Spanien klappt.« Sie drückt mir die Hand, als sie meine Tränen bemerkt, sagt aber nichts darüber. Dafür bin ich ihr unendlich dankbar. Ihre Zurückhaltung ist einer der Gründe, warum ich sie so mag. Sie überlässt es mir, ob ich darüber reden möchte. Vielleicht liegt es daran, dass sie Ähnliches durchgemacht hat. Sie hat ihren Mann ebenfalls verloren, nur war es eine Krankheit, die ihr Daniel weggenommen hat. Er starb an Krebs.

»Danke, ich wäre auch froh, hier für eine Weile rauszukommen. Der letzte Urlaub ist lange her. Und in unserem Haus erinnert mich alles an Fred, obwohl ich schon viele Möbel ausgetauscht habe.« Meine Stimme klingt dünn.

»Das verstehe ich«, sagt Judith. »Schreibst du in Spanien weiter? Ich hoffe, ich darf weiterhin als Erste deine fertigen Romane lesen.«

»Natürlich, ohne dich könnte ich doch nie veröffentlichen. Eine andere Lektorin kann ich mir niemals leisten.«

»Na ja, ein Profi bin ich auch nicht mit meinem abgebrochenen Germanistikstudium.«

»Für mich bist du perfekt!« Das ist sie wirklich. Nach all der Tragik, die wir hinter uns haben, war es ein Glücksfall, Judith zu begegnen. Sie hat mir Mut gemacht, mit meiner Schreiberei an die Öffentlichkeit zu gehen. Ich zögerte lange, weil ich immer glaube, nicht gut genug zu sein. Ständig werde ich von Zweifeln geplagt. Judith ist diejenige, die mich motiviert. Auch dafür mag ich sie. Seit ich sie kenne, hat sie alle meine Manuskripte, die jahrelang in der Schublade lagen lektoriert, sodass ich sie veröffentlichen konnte. Vom Schreiben leben kann ich noch lange nicht. Nebenbei gehe ich mehrmals in der Woche kellnern. Das ist kein Traumjob, aber es bringt Geld und ein paar soziale Kontakte.

»Danke, das ist so lieb von dir.« Sie lächelt mich an. Es ist das erste Mal an diesem Tag, dass sie fröhlich aussieht. Ihre Gedanken scheinen sich heute nur um Daniel zu drehen. Sonst wirkt sie viel entspannter und ist witziger.

»So langsam werde ich mich auf den Heimweg machen. Es wird bald dunkel und ich fahre nicht so gerne im Dunkeln.«

»Okay, du meldest dich, sobald du weißt, wann du gehst, damit ich planen kann?«

»Ja, natürlich. Aber selbst wenn es nichts wird, kannst du jederzeit bei mir wohnen, falls du keine Wohnung findest. Ich hoffe, das weißt du.« Ich lächle Judith zu und erhebe mich.

»Ja, danke.«

»Ich danke dir!«

Zusammen gehen wir in den Flur. Nach der Verabschiedung fahre ich nach Hause. Insgeheim hoffe ich, inzwischen eine Nachricht von Pedro bekommen zu haben, in der er seine Frage wiederholt. Ich möchte mich keinesfalls aufdrängen.

Glück auf Spanisch

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