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Kleiner Flügelschlag, großer Effekt

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Vor über 40 Jahren, nämlich 1972, beflügelte ein US-Amerikaner die Erforschung chaotischer Systeme: Edward N. Lorenz fasste sein keckes Gedankenspiel in die Frage: »Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen?« Der Meteorologe wollte am Beispiel des Wetters zeigen, dass kleine Abweichungen langfristig ein ganzes System vollständig und unvorhersagbar verändern können. Seither bezeichnet der Schmetterlingseffekt (butterfly effect) folgendes Szenario: Verändert man in einem komplexen, dynamischen System die Anfangsbedingungen nur geringfügig, können diese im langfristigen Verlauf zu einer völlig anderen Entwicklung führen. Konkret heißt das: Kleine Unterschiede in der Ausgangssituation führen möglicherweise später zu starken Änderungen in einem System. Oder ganz einfach, populärwissenschaftlich ausgedrückt: kleine Ursache, große Wirkung.

Auf das Wetter übertragen bedeutet dies: Meteorologen können das Wetter für einen Tag mit Hilfe von zigtausend Werten aus Satellitendaten, Wetterstationen und leistungsstarken Computern inzwischen sehr genau vorhersagen. Auch für drei, vier Tage schaffen sie noch eine recht zuverlässige Trefferquote, doch für einen Monat ist eine Prognose so sicher wie der Blick in eine Kristallkugel. Weil eben die Anfangsbedingungen so unterschiedlich sind wie die Wolkenformationen am Himmel. Das musste auch der »Erfinder« des Schmetterlings-Effekts akzeptieren: Weder Lorenz noch sonst ein menschliches Wesen weiß, wie viele Schmetterlinge es auf der Welt gibt, geschweige denn, welche wo genau mit den Flügeln schlagen oder regungslos auf einer Blüte sitzen und genüsslich Nektar schlürfen.

Im Coaching ist der Schmetterlings-Effekt schön zu beobachten: Ein Satz, eine Idee, ein Gedanke oder ein anderer Blickwinkel reicht oft aus, um beim Klienten etwas zu bewegen und neuen Schwung in eingefahrene Verhaltensmuster zu bringen. Und den Blick auf Lösungen und Handlungsvarianten zu lenken, die vorher unmöglich, undenkbar erschienen. Sascha Stiefel, rechte Hand eines Bürgermeisters in einer bayerischen Kleinstadt, wollte zu Beginn seiner neuen Tätigkeit schnell einen Überblick bekommen und erledigte daher viele Kleinigkeiten selbst. Da ein Anruf, dort eine kleine Notiz und dann noch kurz den ausfindig machen, der die Vertretung von Frau Müller macht. »Das geht ganz gut nebenbei«, erklärte er mir, »und außerdem schneller, als wenn ich es an meine Sekretärin weiterleite. Die hat eh so viel zu tun.« Einige Wochen funktionierte diese Strategie gut, doch immer öfter bemerkte Stiefel, dass er Überstunden machen musste, um seine Hauptaufgaben zu erledigen wie etwa eine Rede für seinen Chef, den Bürgermeister zu schreiben. Er kam immer öfter zeitlich in die Bredouille und daher irgendwann zu mir ins Coaching. Allein kam er aus diesem Wirrwarr nicht mehr heraus. Hilfe von außen war angesagt. Allein das zu akzeptieren, war für Sascha Stiefel schon ein großer Schritt hin zu einer Veränderung, zu einer Lösung und Verbesserung.

Wir analysierten seine Situation, seine Aufgaben, die Abläufe in der Abteilung und natürlich auch verschiedene Möglichkeiten, die ihn entlasten könnten. Der Satz von mir »Schnell ist schnell gedacht und zieht dann aber einen Rattenschwanz hinter sich her«, brachte den sympathischen Mann Anfang 30 ins Grübeln. Er hatte zwei Dinge vergessen bzw. einfach seine gut gemeinten Gedanken nicht zu Ende gedacht: Einmal hätte er die tatsächlich anfallenden Zeiten, auch wenn es nur wenige Minuten pro Kleinigkeit waren, zusammenzählen müssen. Da kommt dann nämlich am Ende des Tages einiges zusammen. Und zweitens hatte er nicht bedacht, dass er, wenn er seiner Sekretärin einmal eine Aufgabe erläutert hatte, sich das künftig sparen konnte, um nur noch die Aufgabe weiterzureichen. Delegieren heißt das Zauberwort. »Ja, aber das kostet mich doch auch Zeit!«, versuchte er dagegen zu argumentieren. Stimmt. Aber eben nur einmal und nicht ständig. »So hab ich das noch gar nicht gesehen. Hmm, das werde ich dann wohl mal angehen müssen.«

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